Giftgas-Angriff im syri­schen Duma: Whist­le­b­lower werfen OPWC Fäl­schungen des Abschluss­be­richtes vor

Es ist immer wieder fas­zi­nierend, was die deut­schen Medien so alles kon­se­quent ver­schweigen. Dieses Mal geht es um Syrien und den Giftgas-Angriff in Duma vom April 2018.
Da sich nur wenige noch gut an das Thema erinnern, werde ich hier die Chro­no­logie der Geschichte um den angeb­lichen Giftgas-Angriff auf das syrische Duma vor ein­einhalb Jahren auf­zeigen. Regel­mäßige Leser des Anti-Spiegel wissen, dass ich Chro­no­logien liebe, weil sie Dinge so leicht ver­ständlich machen.
Am 7. April 2018 ist es nach Mel­dungen der syri­schen Oppo­sition zu einem Giftgas-Angriff in Duma gekommen. Dabei sind nach zeit­nahen Angaben von Akti­visten und Orga­ni­sa­tionen auf Seiten der Rebellen, wie den Weiß­helmen, bis zu 150 Men­schen gestorben. Die Weiß­helme ver­öf­fent­lichten auch einen Video­beweis, der damals um die Welt ging. Auf dem Video konnte man sehen, wie Helfer die Opfer mit Wasser abspritzten.

Das war ein ein­drucks­volles Video, nur leider nicht über­zeugend. Chlorgas, das bei dem Angriff ein­ge­setzt worden sein soll, wirkt auf die Atemwege – da hilft abdu­schen nichts.
Russland und Syrien haben mit­ge­teilt, dass es nach ihren Infor­ma­tionen keinen Angriff mit Gas gegeben habe, was im Westen natürlich als Pro­pa­ganda zurück­ge­wiesen wurde, da man im Westen Assad, der von Russland unter­stützt wurde und wird, für den Angriff ver­ant­wortlich gemacht hat.
Die mili­tä­rische Situation dort war so, dass syrische Regie­rungs­truppen kurz vor dem Sieg in der Region standen. Als die USA zusammen mit Groß­bri­tannien und Frank­reich dann am 14. April 2018 einen „Ver­gel­tungs­schlag“ gegen Syrien aus­führten und Marsch­flug­körper in Richtung Syrien abfeu­erten, hofften die Isla­misten in Duma, dass sich das Blatt zu ihren Gunsten wenden könnte. Aber das geschah nicht und ab dem 16. April war Duma unter Kon­trolle der syri­schen Regierung. Am 21. April kamen die Experten des OPWC und nahmen Proben.
Da der Westen wei­terhin von einem Giftgas-Angriff sprach, brachte Russland die Zeugen, die auch auf dem „Beweis­video“ der Weiß­helme zu sehen waren, zum OPWC nach Den Haag, wo sie auf einer Pres­se­kon­ferenz ihre Version der Geschichte erzählten. Dabei sagten Ärzte aus, es habe an dem Tag einige Fälle von Rauch­ver­gif­tungen auf­grund der Kämpfe und Brände gegeben, aber keine Chlorgas-Ver­gif­tungen. Und die anderen Zeugen sagten, sie seien im War­teraum des Kran­ken­hauses gewesen, als Fremde mit Was­ser­schläuchen und Kameras her­ein­ge­stürmt seien und wahllos vor allem Kinder mit Wasser abge­spritzt und das gefilmt hätten. (Für das Video von der Pres­se­kon­ferenz in Den Haag, bitte Unter­titel einschalten)

Wenn Russland darauf gehofft hat, dass die west­lichen Medien darüber berichten, wenn so eine Pres­se­kon­ferenz in Den Haag beim OPWC statt­findet, dann hat man sich getäuscht. Die west­liche Presse hat die Pres­se­kon­ferenz igno­riert. Wenn das eine“ rus­sische Fake-Show“ gewesen wäre, hätte man darüber berichten und es auf­decken können. Statt­dessen wurde die Pres­se­kon­ferenz in den west­lichen Medien einfach verschwiegen.
Dann pas­sierte zehn Monate nicht viel, bis im Februar 2019 ein Pro­duzent der BBC, der den Angriff unter­sucht und eben­falls viele Betei­ligte inter­viewt hat, auch Mit­glieder der Weiß­helme und der Isla­misten, mit­ge­teilt hat, dass es nach seinen Recherchen keinen Giftgas-Angriff gegeben habe. Vielmehr sei das eine Insze­nierung der Weiß­helme gewesen, die er aus­drücklich nannte.
Im März 2019 hat die OPWC ihren Abschluss­be­richt vor­gelegt und darin erklärt, es habe wahr­scheinlich ein Angriff mit Chlorgas statt­ge­funden. Der Bericht legte sich nicht end­gültig fest, war aber so for­mu­liert, dass das Nar­rativ des Westens bestätigt wurde und die Medien unter Berufung auf die OPWC nun erneut Assad beschul­digen konnten.
Am 16. April 2019 wurde bekannt, dass ein Whist­le­b­lower aus der OPWC einen Bericht wei­ter­ge­geben hat, der den Abschluss­be­richt Lügen straft. Im Abschluss­be­richt war die Rede davon, dass Chlor­ka­nister aus Hub­schraubern abge­worfen worden seien. Jedoch konnte man in dem gele­akten, internen OPWC-Bericht lesen, dass die Kanister nicht abge­worfen, sondern abgelegt worden seien. Nichts wies auf einen Abwurf hin. Aber ohne aus Hub­schraubern abge­worfene Kanister fällt die ganze Geschichte über Assads Giftgas-Angriff in sich zusammen, denn vor Ort können sie zu dem Zeit­punkt nur die Isla­misten oder Weiß­helme abgelegt haben.
Der Whist­le­b­lower beschul­digte die OPWC, den Abschluss­be­richt gefälscht zu haben, um das west­liche Nar­rativ zu erfüllen. Mit Wahr­heits­suche hatte der Abschluss­be­richt demnach nichts zu tun.
Das könnte man nun für rus­sische oder syrische Pro­pa­ganda halten, zumal darüber zwar in rus­si­schen, nicht aber in west­lichen Medien berichtet wurde. Das Problem ist, dass die OPWC die Echtheit der gele­akten Papiere indirekt bestätigt hat. Am 16. April gab die OPWC eine Pres­se­meldung heraus, in der sie mit­teilte, dass sie unter­suchen wolle, wie das Dokument an die Öffent­lichkeit gekommen ist.

Am 23. November 2019 hat Wiki­leaks einen wei­teren Whist­le­b­lower gemeldet. Wiki­leaks hat eine Email ver­öf­fent­licht, in der ein Mit­glied der Unter­su­chungs­kom­mission die Leitung der OPWC beschuldigt hat, den Bericht mani­pu­liert zu haben, damit das vom Westen gewünschte Ergebnis dabei herauskommt.
Am 7. Dezember hat Taraq Haddad, eine Jour­nalist von Newsweek, per Twitter mit­ge­teilt, dass er dort gekündigt hat. Haddad hatte zu dem Giftgas-Angriff in Duma recher­chiert und Newsweek hat die Ver­öf­fent­li­chung seiner Ergeb­nisse ohne Grund abge­lehnt. Er hat eine ange­kündigt, die Ergeb­nisse seiner Recherchen in Kürze selbst zu veröffentlichen.

Das könnte eine Erklärung sein, warum es auch in Deutschland keine Meldung in den „Qua­li­täts­medien“ über all die Unre­gel­mä­ßig­keiten gibt: Die Redak­tionen lehnen es ab, darüber zu berichten. Das wäre sogar durchaus ver­ständlich, denn wenn ein angeblich von OPWC nach­ge­wie­sener Giftgas-Angriff, den man medial Assad in die Schuhe geschoben hat, obwohl die OPWC das nicht einmal explizit im Abschluss­be­richt geschrieben hat, dann könnten die Leser ja anfangen, die Nar­rative zu Syrien und auch die Berichte über frühere Giftgas-Angriffe zu hin­ter­fragen. Da die Medien die Geschichte vom bösen, Giftgas ein­set­zenden Assad seit nun schon sechs Jahren erzählen, könnte das die Glaub­wür­digkeit der „Qua­li­täts­medien“ ins­gesamt beschädigen.
Da ver­schweigt man so eine Meldung lieber kom­plett. Das ist die schmei­chel­hafte Erklärung dafür, dass die Medien dieses Thema kon­se­quent ver­schweigen. Die weniger schmei­chel­hafte wäre, dass die USA Mittel und Wege haben, den Medien zu ver­stehen zu geben, dass diese Geschichte nicht gewollt ist. Es gibt nur diese beiden Mög­lich­keiten, denn dass die Redak­tionen von diesen Dingen nichts wissen, ist aus­ge­schlossen. Sie wissen davon, die Links hier in dem Artikel zeigen, dass alles offen zugänglich ist, aber die Medien breiten den Mantel des Schweigens darüber.
Statt­dessen hat der Spiegel am 7. Dezember einen kurzen Artikel darüber gebracht, dass in Idlib nach Meldung von Akti­visten bei Luft­an­griffen der Russen und Syrer 18 Men­schen gestorben sind:
„Der oppo­si­tio­nelle syrische Zivil­schutz berichtete von 18 Opfern, die Beob­ach­tungs­stelle für Men­schen­rechte ver­meldete 20 Tote, dar­unter acht Kinder.“
Das sind die gleichen „Akti­visten“, die auch 150 Tote durch Giftgas in Duma gemeldet haben. Ich berichte darüber vor allem aus einem Grund: Wir lernen doch in den Medien laufend, dass die Weiß­helme eine absolut neu­trale Orga­ni­sation seien, die nur huma­ni­tären Zielen dienen. In diesem kleinen Absatz hat sich der Spiegel ver­plappert, denn er gibt zu, dass der syrische Zivil­schutz zur Oppo­sition gehört und die „Oppo­sition“ in Idlib besteht aus der Al Qaida. „Syri­scher Zivil­schutz“ ist der offi­zielle Name der Weiß­helme. Wer das nicht weiß, der könnte die Bedeutung dieses Satzes über­sehen: Indirekt steht im Spiegel zu lesen, dass die Weiß­helme mit der Al-Qaida in einem Boot sitzen.
Da war wohl ein Prak­tikant beim Ver­öf­fent­lichen der Nach­richt ein wenig nachlässig. 


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“