15 Jahre Haft für die Ver­brennung einer LGBTQ-Flagge — Ein Kom­mentar zu “Hass­ver­brechen”

In den USA ist ein Mann, der eine LGBTQ-Flagge öffentlich ver­brannt hat, zu 15 Jahren Gefängnis ver­ur­teilt worden. Der Grund ist nicht die Tat, sondern das Motiv.

Das ist juris­tisch im Westen etwas Neues: Men­schen werden nicht mehr für ihre Taten bestraft, sondern für die Motive dahinter. Das kannte man bisher nur aus den dunklen Teilen der Geschichte, als ideo­lo­gische Dik­ta­turen, wie die Nazis oder die Staaten des Ost­blocks, Men­schen nicht für ihre Taten ins Gefängnis gesteckt haben, sondern weil ihre Anschau­ungen gegen die des herr­schenden Systems ver­stoßen haben.

Nun gibt es das neu­er­dings auch im Westen. In der EU wurde bereits gefordert, den Tat­be­stand des „Hass­ver­bre­chens“ ein­zu­führen und Täter, die ein Ver­brechen gegen Men­schen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund verübt haben, nicht nur wegen der Tat selbst zu ver­ur­teilen, sondern auch noch zu prüfen, ob der Täter etwas gegen Migranten hat. Wenn dem so ist, sollte seine Strafe ver­schärft werden, weil es dann nicht „nur“ zum Bei­spiel um Kör­per­ver­letzung geht, sondern um Kör­per­ver­letzung als Hass­ver­brechen. Das ist juris­tisch neu, denn nun fließen die (poli­ti­schen) Ansichten des Täters in das Strafmaß mit ein, das gab es bisher im Westen nicht.

Um nicht falsch ver­standen zu werden: Es gibt Dinge, die man in meinen Augen bestrafen sollte. Ras­sis­tische Hetze zum Bei­spiel gehört dazu. Ras­sismus ist eine Gefahr für den sozialen Frieden in einer Gesell­schaft und man sollte den Frieden bewahren und ras­sis­tische Hetze unter Strafe stellen. Dabei ist der Unter­schied, ob jemand ras­sis­tisch ein­ge­stellt ist (was ich abstoßend, aber nicht stra­fenswert finde), oder ob jemand tat­sächlich ras­sis­tische Hetze betreibt.

Aber bei einer Tat wie Sach­be­schä­digung das Strafmaß auf­grund der Welt­an­schauung des Täters zu erhöhen, das ist in meinen Augen bedenklich.

Die USA scheinen der EU in Sachen „Hass­ver­brechen“ bereits einen Schritt voraus zu sein, dort wurde nun ein Mann wegen eines „Hass­ver­bre­chens“ zu 15 Jahren Haft ver­ur­teilt. Der Mann hatte eine LGBTQ-Flagge von einer Kirche abge­rissen, in der eine beken­nende Lesbe als Pas­torin arbeitet, und diese dann vor einem Strip­tease-Club auf der Straße ver­brannt. Angeblich war er vorher aus dem Club geflogen, weil er sich aggressiv benommen hatte. Und er soll dann geäußert haben, die Tat sei ihm eine Ehre gewesen, es sei ein Geschenk Gottes gewesen.

Nun ist der Mann nach allem, was man in inter­na­tio­nalen Medien lesen kann, bei Gott kein Sym­pa­thi­träger und ich bin aus­drücklich gegen jede Form von Gewalt, das schließt das Ver­brennen von Flaggen mit ein. Aber ich frage mich, wo wir hin­kommen, wenn Men­schen nicht mehr wegen ihrer Taten, sondern wegen ihrer Motive ver­ur­teilt werden. Wer sich nicht dem Main­stream anschließt, der wird dafür bestraft.

Ich bin für „leben und leben lassen“ und denke, dass alles, was allen Betei­ligten Freude bereitet und dabei nie­mandem Schaden zufügt, erlaubt sein muss. Das gilt sowohl für Homo­se­xuelle, als auch für deren Gegner. Solange jemand homo­se­xuell ist, aber mich – ich bin absolut hetero – damit nicht behelligt, ist es mir herzlich egal, was er in seinem Schlaf­zimmer treibt. Und wenn jemand Homo­se­xuelle abstoßend findet, aber nie­manden des­wegen angreift oder beleidigt, sei ihm seine Meinung gegönnt.

Im genannten Fall gibt es reichlich Gründe, den Mann zu bestrafen: Sach­be­schä­digung, Dieb­stahl und auch mit Benzin ein Feuer auf einer öffent­lichen Straße zu ent­zünden, dürfte als Gefährdung strafbar sein. Ich will diesen Idioten also kei­neswegs ver­tei­digen. Um ihn geht es mir nicht.

Mir geht es um Mei­nungs­freiheit und um Mei­nungs­vielfalt und vor allem um die all­seits gepriesene Toleranz. Das Wort „Toleranz“ kommt von dem latei­ni­schen Wort „tolerare“ und bedeutet „ertragen“. Toleranz bedeutet also nicht, etwas toll zu finden, sondern etwas zu ertragen. Und nach dieser Logik müssen wir es ertragen, wenn Idioten her­um­laufen und Homo­se­xuelle abstoßend finden, solange sie des­wegen keine Ver­brechen begehen. Bei Ver­brechen hört das „Ertragen“, also die Toleranz, auf.

Wenn aber im Westen in Zukunft mehr Länder dazu über­gehen sollten, „Hass­ver­brechen“ extra zu bestrafen, dann ist das das Gegenteil von Toleranz und Mei­nungs­freiheit. Ein berühmter Mensch sagte mal sinn­gemäß: „Ich finde Deine Meinung uner­träglich, aber ich werde mein Leben dafür geben, dass Du sie äußern darfst.“

Es scheint an der Zeit zu sein, sich auf diese Grund­regel aus der Zeit der Auf­klärung zurück zu besinnen, wenn wir nicht eines Tages in einer repres­siven Dik­tatur auf­wachen wollen. Auch Lenin war zunächst für Freiheit und entließ sogar Lan­des­teile in die Unab­hän­gigkeit, aber als er merkte, dass die Men­schen seinem Pro­gramm nicht frei­willig folgen wollten, richtete er einen repres­siven Über­wa­chungs­staat ein, um die Men­schen „zu ihrem Glück zu zwingen“ und holte die unab­hän­gigen Lan­des­teile gewaltsam in die Sowjet­union zurück.

Schöne Namen, um ihre Unter­drü­ckungs­maß­nahmen zu recht­fer­tigen, haben sich die Dik­ta­toren der Ver­gan­genheit auch aus­ge­dacht. „Volks­feinde“ war ein beliebtes Wort. „Hass­ver­brechen“ geht in die gleiche Richtung: Jemand ist der Feind der Gesell­schaft oder hasst Teile der Gesell­schaft und dafür muss er bestraft werden. Die Logik ist ver­blüffend ähnlich.

Die Men­schen „zu ihrem Glück zu zwingen“ hat in der Geschichte noch nie auf lange Sicht funk­tio­niert und es bleibt zu hoffen, dass der Westen nicht dabei ist, die Fehler der Ver­gan­genheit zu wie­der­holen und ver­sucht, die Men­schen „zu ihrem Glück zu zwingen“.

Dies war nur meine bescheidene Meinung, ich lade zur Dis­kussion in den Kom­men­taren aus­drücklich ein.


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru

Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“