Prozess war nicht poli­tisch moti­viert: Cho­dor­kowski erneut vor Euro­päi­schem Gerichtshof gescheitert

Der ehe­malige Michaeil Cho­dor­kowski ist erneut vor dem Euro­päi­schen Gerichtshof für Men­schen­rechte gescheitert. Auch in seiner zweiten Klage gegen Russland befand das Gericht, dass das Ver­fahren gegen ihn nicht poli­tisch begründet war.

Cho­dor­kowski wird in den west­lichen Medien immer als Frei­heits­kämpfer dar­ge­stellt, der gegen das „Putin-Regime“ kämpft. Ers­teres ist Unsinn, letz­teres nicht.

Cho­dor­kowski geht es weder um Demo­kratie, noch um Freiheit. Ihm geht es um Macht und Geld. In den 1990er ist zum reichsten Olig­archen Russ­lands geworden, indem er sich mit – höflich aus­ge­drückt – frag­wür­digen Methoden am Staat berei­chert und wichtige Kon­zerne unter den Nagel gerissen hat. Seine Ölfirma Jukos war zeit­weise der größte Ölkonzern Russ­lands. In den 1990er Jahren, als in Russland Anarchie und Mafia herrschten konnte sich niemand ein Ver­mögen auf­bauen, der nicht nach den dama­ligen Mafia-Spiel­regeln gespielt hat.

Nachdem Putin an die Macht gekommen war, stand der damals junge Prä­sident vor einem Dilemma. Eigentlich hätte er alle Pri­va­ti­sie­rungen der Jelzin-Jahre rück­gängig machen müssen, denn legal war da kaum etwas gelaufen. Aber dann hätte er auch alle aus­län­di­schen Inves­toren ver­schreckt, die zum Bei­spiel von einem Olig­archen ein vorher pri­va­ti­siertes Grund­stück gekauft und dort eine Fabrik gebaut hatten. Daher ent­schied sich Putin im Sommer 2000 für einen anderen Weg.

Er rief die Olig­archen im Kreml zusammen und ver­kündete vor lau­fenden Fern­seh­ka­meras, dass ab sofort andere Regeln gelten sollten: Ab sofort sollten die Olig­archen sich an Recht und Gesetz halten und vor allem Steuern zahlen. Im Gegenzug würde der Staat die Ver­gan­genheit ruhen lassen. Damit war auch deutlich gesagt, dass die­je­nigen, die meinten, es könnte wei­ter­gehen, wie bisher, Besuch vom Staats­anwalt bekommen würden. Und da die 1990er von Ver­brechen und Kor­ruption durch­setzt waren, hätte jeder Prak­tikant der Staats­anwalt innerhalb von fünf Minuten etwas gefunden.

Die meisten Olig­archen haben sich daran gehalten, einige jedoch glaubten, sie könnten weiter machen, wie bisher. Das waren zum Bei­spiel Bere­sowski, der unter Jelzin sogar Chef der Prä­si­di­al­ver­waltung und damit ein wich­tiger Strip­pen­zieher gewesen ist, oder Gus­inski, der seine Medien für einen Pri­vat­krieg gegen die rus­sische Regierung ein­ge­setzt hat, um seine Pfründe zu retten. Beide mussten dann über­stürzt das Land ver­lassen und ver­loren die größten Teile ihres Ver­mögens. Ein wei­terer Schlau­meier war Cho­dor­kowski, der sich unan­greifbar machen wollte, indem er Teile seines Ölkon­zerns an west­liche Firmen ver­kaufen wollte.

Cho­dor­kowski war aber so schlau, das Land zu ver­lassen und so wurde er ver­haftet. Ihm wurde dann der Prozess wegen Steu­er­hin­ter­ziehung, Betrug, Geld­wäsche und anderen ähn­lichen Delikten gemacht und er kam ins Gefängnis. Dagegen hat Cho­dor­kowski sich gewehrt und ist zum Euro­päi­schen Gerichtshof für Men­schen­rechte gezogen.

Der Euro­päische Gerichtshof für Men­schen­rechte hat 2011 in seinem Urteil zwar einige Dinge bemängelt, zum Bei­spiel die Haft­be­din­gungen, aber im Kern wurde Cho­dor­kowskis Klage abge­wiesen: Der Gerichtshof bestä­tigte, dass der rus­sische Staat korrekt gehandelt hat, als er Cho­dor­kowski ange­klagt hat und fand auch nicht, dass das Ver­fahren poli­tisch moti­viert war. Er bestä­tigte der Ver­brechen von Chodorkowski.

Cho­dor­kowski, der in den west­lichen Medien für seinen Kampf gegen Putin gefeierte Sau­bermann, ist laut Euro­päi­schem Gerichtshof für Men­schen­rechte ein zu Recht ver­ur­teilter Betrüger, Geld­wä­scher und Steu­er­hin­ter­zieher. Das muss man im Hin­terkopf haben, wenn man etwas über ihn liest.

Cho­dor­kowski hat aber noch ein wei­teres Ver­fahren vor dem Euro­päi­schen Gerichtshof für Men­schen­rechte ange­strengt. Diese Mal ging es um sein Beru­fungs­ver­fahren in Russland. Heute hat der Euro­päische Gerichtshof für Men­schen­rechte das Urteil gefällt. Und wieder hat der Gerichtshof zwar einige Mängel fest­ge­stellt, aber im Kern wurde Cho­dor­kowskis Klage auch dieses Mal abge­wiesen. Der Gerichtshof bestä­tigte erneut, dass es sich nicht um ein poli­tisch moti­viertes Ver­fahren gehandelt und mehr noch: Der Gerichtshof beschei­nigte den Richtern sogar aus­drücklich absolut unab­hängig gewesen zu sein:

„Der Gerichtshof stellte jedoch ein­stimmig keinen Verstoß gegen Artikel 6 Absatz 1 über die Unab­hän­gigkeit und Unpar­tei­lichkeit des Richters und keinen Verstoß gegen Artikel 6 Absatz 2 (Unschulds­ver­mutung) in Bezug auf Kom­mentare des dama­ligen Pre­mier­mi­nisters Wla­dimir Putin während des Pro­zesses fest.“

Darüber werden wir in den deut­schen „Qua­li­täts­medien“ wohl nur wenig hören, denn dass der Euro­päische Gerichtshof für Men­schen­rechte erstens das Urteil gegen den „Frei­heits­kämpfer“ Cho­dor­kowski bestätigt und zweitens Russland in diesem hoch­bri­santen Fall auch noch unab­hängige Richter bescheinigt, will so gar nicht in das vom Westen gewollte Nar­rativ des Unrechts­staates Russland passen.

Statt­dessen werden die Medien auch wei­terhin Cho­dor­kowski unter­stützen, der mit Mil­lio­nen­be­trägen eigene Medien in Russland finan­ziert, die seinen Krieg gegen Putin wei­ter­führen (und das auch dürfen, ohne vom bösen rus­si­schen Staat behindert zu werden). Auch werden wir wei­terhin im Westen kaum etwas davon hören, dass Cho­dor­kowski Navalny und Pussy Riot mit finan­ziert oder dass er mit seinem Dossier Center in London auch schon mal ver­sucht, sich in die euro­päische Politik ein­zu­mi­schen. Das pro­mi­nen­teste Bei­spiel in Deutschland dafür war 2019 der „Fall Frohn­maier„, der aus­schließlich auf Infor­ma­tionen des Dossier Center fußte, die sich auch noch als gefälscht her­aus­ge­stellt haben.


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru

Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“