Trotz Abzugs­for­derung des ira­ki­schen Par­la­ments: Bun­deswehr nimmt Mission im Irak wieder auf

Der Westen zeigt im Irak ganz offen, dass er das Land für eine Kolonie hält und dass er demo­kra­tische Ent­schei­dungen von Par­la­menten igno­riert, wenn sie ihm nicht passen. Der Westen tritt die Demo­kratie, für die er angeblich steht, mit Füßen.

Nach dem US-Droh­nenmord an dem ira­ni­schen General Sol­eimani in Bagdad hat das ira­kische Par­lament am 5 Januar gefordert, dass alle west­lichen Truppen das Land ver­lassen sollen und am 10. Januar hat der Irak von den USA gefordert, sie sollten eine Dele­gation schicken, um die Details des Abzugs zu besprechen. Die USA jedoch denken gar nicht daran und haben mit­ge­teilt, den Irak nicht ver­lassen zu wollen. Es wurden dem Irak sogar massive Sank­tionen ange­kündigt, wenn der Abzug der US-Sol­daten erzwungen würde.

Das Völ­ker­recht spricht eine ein­deutige und unmiss­ver­ständ­liche Sprache. Der Einsatz von Truppen in einem Land ist nur legal, wenn man von den Land ange­griffen wurde, wenn der UNO-Sicher­heitsrat dafür ein Mandat erteilt hat oder wenn man auf Ein­ladung der Regierung dort ist.

Die ersten beiden Punkte fallen weg, denn weder hat der Irak ein west­liches Land ange­griffen, noch hat der UNO-Sicher­heitsrat ein Mandat erteilt. Bisher sind die west­lichen Truppen auf Ein­ladung der ira­ki­schen Regierung da, aber eine Ein­ladung kann auch wider­rufen werden und dann muss man das Land eben wieder ver­lassen. Wenn der Westen also seine Truppen im Irak lässt, obwohl der Irak das nicht möchte, ist das eine völ­ker­rechts­widrige Besetzung eines Landes.

Im Irak fand am Freitag der „Marsch der Mil­lionen“ statt und über eine Million Demons­tranten haben den Abzug der west­lichen Truppen aus dem Irak gefordert. Die For­derung findet also breite Unter­stützung in der Bevöl­kerung. Aber in den deut­schen Medien wurde darüber prak­tisch nicht berichtet, die deut­schen Leser sollen das wohl nicht unbe­dingt wissen.

Bei wei­teren Pro­testen am Samstag hat die Polizei Trä­nengas ein­ge­setzt und auf Demons­tranten geschossen, es wurden vier Tote und 40 Ver­letzte gemeldet.

Die Mission der Bun­deswehr im Irak war aus­ge­setzt worden, als es nach der Ermordung des ira­ni­schen Generals durch die USA fast zu einem Krieg in der Region gekommen wäre. Nun soll die Mission wieder auf­ge­nommen werden, obwohl der Irak den Abzug der west­lichen Truppen fordert.

Damit stehen Politik und Medien vor einem Dilemma: Wie sollen sie der deut­schen Öffent­lichkeit erklären, dass die Bun­deswehr wei­terhin im Irak aktiv ist, wenn das Par­lament und die Men­schen im Land dagegen sind?

Der Spiegel zeigte in einem Artikel, wie kreativ die Medien dabei vor­gehen. Die Über­schrift lautet betont sachlich „Nordirak – Bun­deswehr nimmt Kurden-Aus­bildung wieder auf“ und der Artikel beginnt mit fol­gender Einleitung:

„Nach dem töd­lichen US-Luft­an­griff auf den ira­ni­schen General Qasem Sol­eimani fürchtete die Bun­deswehr eine Eska­lation der Lage im Irak. Nun will sie ihren Einsatz fortsetzen.“

Der Spiegel for­mu­liert so neutral wie möglich und erwähnt in dem Artikel nicht, dass der US-Angriff auf den ira­ni­schen General ohne Zustimmung der ira­ki­schen Regierung erfolgt ist und damit ein völ­ker­rechts­wid­riger Mord war.

Aber besonders kreativ wird der Spiegel, wenn er über die For­derung zum Abzug der west­lichen Truppen berichtet:

„Das Par­lament in Bagdad hatte nach dem US-Angriff für den Abzug aller aus­län­di­schen Truppen aus dem Land votiert. Die Regierung in Bagdad wünscht sich Außen­mi­nister Heiko Maas zufolge aber eine Fort­setzung des Bun­des­wehr­ein­satzes im Irak. Dies habe Regie­rungschef Adel Abdel Mahdi Ver­tretern der Bun­des­re­gierung bestätigt, hatte der SPD-Poli­tiker im Bun­destag gesagt. Ver­tei­di­gungs­mi­nis­terin Annegret Kramp-Kar­ren­bauer (CDU) son­dierte in Bagdad Mög­lich­keiten für die Fort­setzung des inter­na­tio­nalen Ein­satzes gegen die Ter­ror­miliz „Isla­mi­scher Staat“ (IS).“

Der Tat­sache, dass das ira­kische Par­lament den Abzug der Truppen gefordert hat, wird kurz erwähnt und dann wird aber sofort der Bun­desham­pelmann Maas zitiert, der der Meinung ist, dass die Iraker die Bun­deswehr trotzdem im Land behalten wollen. Und als weitere Bestä­tigung wird die inter­na­tional aner­kannte Mili­tär­ex­pertin AKK erwähnt, die vor einigen Tagen im Irak war. Aller­dings war ihre Reise und ihr „Werben“ um eine Fort­setzung der Mili­tär­ope­ra­tionen ziemlich erfolglos. Das aber erwähnt der Spiegel in diesem Artikel lieber nicht, der Leser soll ja das Gefühl bekommen, der Irak wolle die Bun­deswehr im Land haben.

Und natürlich darf bei all dem der IS nicht fehlen. Er wird den Deut­schen ja als Grund genannt, warum deutsche Sol­daten über­haupt in der Region sind und warum deutsche Tor­nados da durch die Gegend fliegen. Der Spiegel-Artikel endete mit den Sätzen:

„Von der jor­da­ni­schen Luft­waf­fen­basis Al-Asrak aus sind noch bis Ende März Tornado-Jets im Einsatz. Sie sollen Ver­stecke des IS in Syrien und im Irak aufspüren.“

Das Problem dabei ist, dass der IS seit über einem Jahr mili­tä­risch besiegt ist. Er ist zwar als Ter­ror­gruppe noch im Unter­grund aktiv, aber noch nie wurde eine Unter­grund­gruppe mit Auf­klä­rungs­flug­zeugen ent­deckt oder bekämpft. Gegen eine solche Gruppe vor­zu­gehen ist Poli­zei­arbeit. Oder geht die Bun­deswehr in Deutschland mit Auf­klä­rungs­tor­nados gegen Unter­grund­gruppen wie sei­nerzeit den NSU oder radikale Isla­misten vor? Auf die Idee würde niemand kommen. Aber aus irgend­einem Grund finden die deut­schen Medien das im Irak und in Syrien unglaublich über­zeugend und erzählen ihren Lesern seit Jahren dieses Märchen.

Man fragt sich also, gegen wen die Bun­deswehr dort in Wirk­lichkeit vor­gehen soll, aber das ist ein anderes Thema.

Dass der Westen im Irak eine Besat­zungs­macht ist, die sich einen Dreck um die Ent­schei­dungen des dor­tigen Par­la­ments oder den Willen der Mehrheit der Bevöl­kerung schert, ver­suchen die Medien mit solchen Artikeln, wie diesem im Spiegel, zu kaschieren.

Der Westen führt sich immer noch wie eine Kolo­ni­al­macht auf und Deutschland ist nun end­gültig in der ersten Reihe dabei.


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru

Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“