Sexu­eller Miss­brauch von Kindern an Schulen und Kitas

Unter dem Radar des Alltags ist sexu­eller Miss­brauch von Kindern ein erschre­ckend ver­brei­tetes Ver­gehen. Doch in staat­lichen Ein­rich­tungen werde sexu­eller Miss­brauch viel zu selten erkannt, kri­ti­siert der Verein Zart­bitter. Viel beworbene Schutz­kon­zepte von Schulen sind in der Regel reine Symbolpolitik.

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Sexuell miss­han­delte und miss­brauchte Kinder leiden oft stumm, nur selten seien Ver­let­zungen im Genital- und Anal­be­reich erkennbar, die direkt auf Miss­brauch hin­weisen. Auf dem Prä­ven­ti­ons­portal der Bun­des­re­gierung sind die Sym­ptome zusam­men­ge­fasst: So zeige ein sexuell miss­brauchtes Kind Ver­hal­tens­än­de­rungen wie Ängst­lichkeit, Aggres­si­vität oder Leis­tungs­abfall. Es ziehe sich zurück, seine Kon­zen­tration sei beein­trächtigt, das Kind neige zu sexua­li­siertem Ver­halten. Zuweilen treten psych­so­ma­tische Beschwerden wie Kopf- oder Bauch­schmerzen hinzu. Von Schlaf­stö­rungen, Selbst­ver­let­zungen, Schul­schwänzen bis zum über­mä­ßigen Tabletten- und Alko­hol­konsum reicht die Palette der alar­mie­renden Anzeichen.

Obwohl diese Ver­hal­tens­än­de­rungen nicht zwingend mit sexu­ellem Miss­brauch zusam­men­hängen, müssen sie ernst genommen werden im Elternhaus wie auch in den Betreuungs- und Bil­dungs­ein­rich­tungen, die das mög­liche Opfer besucht. Doch echte Hilfe gibt es viel zu selten, so die Ein­schätzung der Lei­terin Ursula Enders von »Zart­bitter e.V.«. Seit mehr als 30 Jahren kümmert sich der Kölner Verein um jugend­liche Miss­brauchs­opfer. Viel werde über das Ver­sagen von Jugend­ämtern und Polizei gesprochen, aber nicht über das Ver­sagen der Schulen, kri­ti­sierte Enders in ihrer Rede vor dem Unter­su­chungs­aus­schuss im nord­rhein-west­fä­li­schen Landtag. Aus aktu­ellem Anlass um den kürzlich auf­ge­deckten viel­fachen Kin­des­miss­brauch auf dem Cam­ping­platz in Lügde trat am 17. Januar im Düs­sel­dorfer Landtag eine Exper­ten­runde zusammen, um sich mit der Per­spektive der Opfer auseinanderzusetzen.

Sexu­eller Miss­brauch werde viel zu selten erkannt, darin waren sich die Experten einig. Viel zu oft würden die Opfer nicht ver­standen, Ver­dachts­fälle baga­tel­li­siert und nicht kon­se­quent gehandelt, besonders dann, wenn die Schule der Ort des Miss­brauchs ist. Das bringe die Opfer erneut zum Ver­stummen, weiß Enders aus Erfahrung zu berichten. Hilfe von außen wird dabei nicht geholt, weil es Enders zufolge zu einer »Rol­len­kon­fusion« unter den Lehrern käme. Steht der eigene Kollege unter Ver­dacht, scheuten Schul­leitung und Leh­rer­per­sonal natur­gemäß davor zurück, kon­se­quent Maß­nahmen gegen den mög­lichen Täter ein­zu­leiten, Behörden zu infor­mieren und externe Hilfe zu holen. Die Schulen agieren als »geschlos­senes System«, aus dem nichts nach außen dringt, um das »tolle Image« nicht zu beschä­digen, unter­stützte der Sozi­al­psy­chologe Heiner Keupp von der »Unab­hän­gigen Kom­mission zur Auf­ar­beitung sexu­ellen Kin­des­miss­brauchs« Enders Aus­füh­rungen. Die angeb­lichen Schutz­kon­zepte der Schulen gegen sexua­li­sierte Gewalt seien in der Regel Mogel­pa­ckungen und reine Symbolpolitik.

Sexua­li­sierte Gewalt an Schulen darf nach Meinung der Experten nicht unter­schätzt werden. Etwa ein Viertel der von Keupps Kom­mission unter­suchten 2000 Fälle hätten sich an Schulen abge­spielt. Keupps Zahlen werden von einer ent­spre­chenden Studie des Deut­schen Jugend­in­stituts von 2011 gedeckt. Demnach wurde an jeder 25. Schule und an jedem 10. (!) Heim in der drei­jäh­rigen Unter­su­chungs­pe­riode ein Mit­ar­beiter ver­dächtigt, gegen Kinder sexuell über­griffig gewesen zu sein.


Quelle: freiewelt.net