Die „schwarze Null“ ist das ganz große Ding der deutschen Politik. Vorbild will man sein für die anderen Länder in der EU/Eurozone. Vorsorgen möchte man für kommende Generationen. Populär möchte man sein, sind die Deutschen doch scheinbar von der Politik der „Sparsamkeit“ überzeugt: in Umfragen sprechen sich rund 50 Prozent für die „schwarze Null „aus und nur 26 Prozent für mehr Schulden des Staates. → wallstreet:online: „Jeder Zweite will die „Schwarze Null“ nicht aufgeben“, 11. September 2019
Was die Mehrheit befürwortet, kann doch nicht falsch sein? Doch.
Keine Leistung der Politik
Schauen wir uns die „schwarze Null“ genauer an. Zunächst die Feststellung, dass diese keine Leistung der Politik ist. Es liegt vor allem an der EZB. So berechnet die Bundesbank, dass der deutsche Staat von 2008 bis Ende 2019 436 Milliarden Euro Zinsaufwendungen gespart hat. Allein für das Jahr 2019 lag die Ersparnis bei rund 58 Milliarden Euro. → manager magazin: „Minizinsen: Deutscher Staat sparte bis jetzt 400 Milliarden Euro“, 20. Januar 2020. Bezahlt haben das die Kreditgeber, überwiegend also die deutschen Sparer (direkt und indirekt über Lebensversicherungen etc.).
Ich habe das mal für den Bund genauer angesehen: Für den Zeitraum von 2009 bis 2018 habe ich die Mehr- oder Minderausgaben und ‑einnahmen auf Bundesebene analysiert – mit ernüchterndem Ergebnis. In den zehn Jahren hat der Bund kumuliert:
- 280 Milliarden Euro zusätzlich ausgegeben.
- 136 Milliarden Euro weniger für Zinsen aufgewendet.
- 46 Milliarden Euro weniger für die Versorgung von Arbeitslosen ausgegeben.
In Summe hatten die Politiker also eine „Verteilungsmasse“ von rund 460 Milliarden Euro (!!!) in diesen zehn Jahren. Es wurden also, während von „Sparen“ die Rede war, die Ausgaben deutlich gesteigert. Im selben Zeitraum sank die Verschuldung des Bundes um rund 70 Milliarden Euro. 390 Milliarden wurden also für anderes verwendet.
Details zur Berechnung finden sich hier: → Die „schwarze Null“ ist keine Leistung, eine Lüge und eine große Dummheit
Vor allem lag die Zinsersparnis mit 136 Milliarden Euro deutlich über der Schuldentilgung, wenn man den Zeitraum von zehn Jahren betrachtet. Geht man vom Höhepunkt der Bundesschulden im Jahre 2014 (1289 Milliarden) aus, kommt man zu einer Reduktion der Schulden um 78 Milliarden. Im selben Zeitraum betrug die Zinsersparnis 36 Milliarden (also 46 Prozent der Tilgung) und die Steuermehreinnahmen 148 Milliarden. Wer wirklich „spart“, hätte also weitaus mehr tilgen können.
Die „schwarze Null“ hätte es ohne den viel gescholtenen Mario Draghi und die Zinspolitik der EZB nicht gegeben. Wenn deutsche Sparer nach einigen Berechnungen 250 Milliarden Euro (oder mehr) an Zinsen verloren haben, dann wissen sie jetzt, wo das Geld geblieben ist. Zu einem guten Teil landete es beim Staat, der damit alle möglichen Dinge finanziert hat, während dem Steuerzahler das Märchen von der soliden Finanzpolitik erzählt wurde.
Auch indirekt ist die „schwarze Null“ Draghis Erfolg. Hat das billige Geld der EZB doch
- zu einem Nachfrageboom in Deutschland geführt, weil die Zinsen gerade für uns zu tief sind;
- die Nachfrage in den anderen Euroländern stabilisiert, die deshalb weiterhin bei uns einkaufen;
- den Euro im Vergleich zu den anderen Währungen der Welt geschwächt, was unsere exportlastige Industrie massiv befeuert.
Kurz gefasst: Es kam zu einem Konjunkturboom und entsprechenden Steuereinnahmen. Nicht nur die Zinsausgaben des Staates sind deutlich gesunken, sondern auch die Einnahmen gestiegen. Statt Draghi zu kritisieren, sollten die Politiker ihm dankbar sein (und sind das wohl auch, wie das Bundesverdienstkreuz zeigt).
Auf jeden Fall wird deutlich, welche Heuchelei es ist, wenn Politiker die EZB kritisieren. Sie hätten die Zinsersparnis als Steuersenkung an die Bürger weitergeben können und sollen!
Eine Lüge
Doch damit nicht genug. Wenn man sauber rechnet, ist die Verschuldung des Staates in den letzten Jahren nämlich nicht gesunken, sondern gestiegen.
Die Situation entspricht jener eines Lotterie-Gewinners. Wir haben einmalig viel Geld zur Verfügung und wissen, dass diese Situation nicht ewig andauern kann. Wenn man 1.000 Euro gewinnt, gönnt man sich etwas, spart vielleicht etwas, zahlt womöglich Schulden zurück. Was man aber auf keinen Fall macht, ist, in eine neue Wohnung zu ziehen, die 1.000 Euro pro Monat mehr kostet. Weil man weiß, dass man sich die eben nur leisten kann, wenn man weiterhin jeden Monat 1.000 Euro im Lotto gewinnt.
Problem: Unsere Politiker denken, sie könnten weiterhin im Lotto gewinnen. Und zwar für die kommenden Jahrzehnte! Denn so wurden die 460 Milliarden verwendet:
- Immerhin rund 100 Milliarden wurden zusätzlich an die Rentenkasse überwiesen und eine weitere Steigerung der Zuschüsse ist angesichts der jüngsten Rentenbeschlüsse der Großen Koalition unvermeidbar. Schon bald dürfte fast ein Drittel des Bundeshaushalts für die Rente verwendet werden.
- Wenig thematisiert werden die deutlich anwachsenden Zuschüsse zur gesetzlichen Krankenversicherung. In Summe wurden hier ebenfalls rund 100 Milliarden Euro zusätzlich aufgewendet, vor allem um sogenannte „versicherungsfremde“ Leistungen zu finanzieren.
- Gestiegene Leistungen für Familien mit kumuliert rund 15 Milliarden Euro fallen da kaum noch ins Gewicht.
- Den größten Zuwachs weisen mit über 117 Milliarden die „restlichen Ausgaben“ auf. Dahinter verstecken sich Zuweisungen und Zuschüsse an Sondervermögen, die zum Beispiel künftige Ausgaben in Bereichen des Klimaschutzes, der Kinderbetreuung und der Integration von Migranten decken sollen. Allein 2017 wurden für die „Aufnahme und Integration von Asylsuchenden und Flüchtlingen einschließlich der Fluchtursachenbekämpfung“ 20,8 Milliarden Euro ausgegeben.
- Die verbleibenden Mehrausgaben im Zeitraum seit 2008 entfallen auf Investitionen (50 Milliarden), Personal (26 Milliarden), den Europäischen Rettungsfonds ESM (22 Milliarden) und neue Ausrüstung für die Bundeswehr (4 Milliarden). Da wundert man sich nicht, dass nichts mehr fährt, fliegt und schwimmt …
Die dargelegten Ausgabensteigerungen sind überwiegend keine Einmalzahlungen, sondern in Gesetz gegossene nachhaltige Verpflichtungen. Während die Grundlagen für unseren künftigen Wohlstand erodieren – Infrastruktur, Digitalisierung, Bildung – berauschen die Politiker sich und die Öffentlichkeit am Märchen vom reichen Land, das sich alles leisten kann. Dass diese Illusion weiter anhält, erkennt man auch an der Tatsache, dass zusätzliche Kosten von 40 bis 80 Milliarden Euro für den Kohleausstieg schulterzuckend zur Kenntnis genommen werden. Auch dies fällt in die Kategorie „Konsum“, trägt der Ausstieg doch nicht zur Sicherung künftiger Einkommen in Deutschland bei. Die ZDF-Satiresendung „heute SHOW“ rechnete vor, dass wir für 20 Milliarden Euro jedem der im Kohlebergbau Tätigen eine Million überweisen könnten. Wenn Satiresendungen erkennen, was für einen Wahnsinn wir hier betreiben, warum können das nicht unsere Politiker? Noch schlimmer ist, dass der Kohleausstieg dem Weltklima nichts bringt, führt er doch zu sinkenden Preisen für Emissionszertifikate in der EU und erlaubt es so anderen Ländern, länger mehr CO2 auszustoßen. 80 Milliarden für nichts. → Kohleausstieg: 80 Milliarden für nichts
Was ist mit der Generationengerechtigkeit?
Staatsschulden sind entgegen der allgemeinen Auffassung kein Problem zwischen Generationen, sondern innerhalb von Generationen. Es gibt zwar Staatsschulden, doch die Gläubiger sind wiederum die Erben der heutigen Gläubiger, womit es ein Verteilungskonflikt innerhalb der Generation ist, nicht zwischen den Generationen.
Ich würde dies mit Blick auf die Versprechen für Renten, Pensionen und Gesundheitsversorgung einer alternden Gesellschaft anders sehen. Weil wir heute für Rentner bezahlen, sollen wir künftig von anderen Arbeitnehmern und Steuerzahlern alimentiert werden. Das ist schon ein Generationenproblem, vor allem, wenn die Anzahl Schultern deutlich sinkt. Offizielle Staatsschulden sind Probleme innerhalb einer Generation, verdeckte Staatsschulden zwischen den Generationen. Und das Problem wird immer größer!
Schauen wir uns die tatsächliche Verschuldung Deutschlands an, stellen wir fest, dass wir mit einer Staatsschuld von 161 Prozent des BIP inklusive der verdeckten Schulden im soliden Mittelfeld liegen.
Quelle: Stiftung Marktwirtschaft → Stiftung Marktwirtschaft: „Ehrbare Staaten? Die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen in Europa“, März 2017
Im Jahr 2016 ist die Lücke um zwölf Prozentpunkte gegenüber dem Jahr 2015 gewachsen. Während die Schlagzeilen von Politik und Medien die „schwarze Null“ feierten, wuchs in Wahrheit die deutsche Staatsschuld um zwölf Prozentpunkte! Im Folgejahr stieg die implizite Staatsschuld um weitere 16 Prozentpunkte auf nun 106 Prozent des BIP. → Stiftung Marktwirtschaft: „Europäisches Nachhaltigkeitsranking“, November 2018. Direkte Folge der Zusagen für höhere und frühere Renten der schwarz-roten Großen Koalition zu der Zeit.
Nicht, dass sich für die Zukunft Besserung abzeichnet. So rechnet das Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik vor, dass die Rentenpläne der derzeitigen Regierung „unbezahlbar“ sind. Will man das Rentenniveau bei 48 Prozent des letzten Nettoeinkommens halten und zugleich den Beitragssatz bei maximal 20 Prozent, so fehlen im Jahr 2025 11 Milliarden, 2030 45 Milliarden und 2048 125 Milliarden pro Jahr. Würde man es mit der Mehrwertsteuer gegenfinanzieren wollen, müsste diese auf 26 Prozent steigen. → SZ: „Rentenpläne der Koalition sind unbezahlbar“, 23. April 2018
Laut Tragfähigkeitsbericht zu den öffentlichen Finanzen müssten ab sofort zwischen 36 Milliarden und 115 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich gespart werden, um die finanziellen Folgen der demografischen Entwicklung, also steigender Gesundheits‑, Pflege- und Rentenkosten bei gleichzeitig sinkender Zahl der Beitragszahler, aufzufangen. Die Politik macht bekanntlich das Gegenteil. Sie verspricht einer Bevölkerungsgruppe Zahlungen, die eine andere Bevölkerungsgruppe (zum Teil sind es dieselben Personen) finanzieren muss. Optimistisch gerechnet ist der Netto-Wohlstandseffekt für unser Land null. Was die einen gewinnen, verlieren die anderen. Faktisch ist der Effekt, der mit dieser Umverteilung beschäftigten Bürokratie negativ, ist die Umverteilung doch auch mit erheblichen Ineffizienzen und Kosten verbunden.
Eine Politik, die den Wohlstand einer alternden Gesellschaft sichern und so die Verteilungskonflikte lösbar machen will, muss dafür sorgen, dass der zu verteilende Kuchen in Zukunft nicht schrumpft, sondern zumindest so groß bleibt, wie er ist. Richtig wäre es:
- künftig für höhere Einnahmen zu sorgen, in dem man die Produktivität und damit das Einkommen pro Kopf der erwerbstätigen Bevölkerung erhöht. Dazu muss man in Bildung, Innovation und den Kapitalstock investieren. Die Politiker in Berlin tun das Gegenteil.
- die Belastung der Beitragszahler ansonsten so gering wie möglich zu halten. Auch hier erfolgt das Gegenteil. Man denke an die Energiewende, die bereits zu den höchsten Strompreisen in Europa geführt hat und nun mit dem Kohleausstieg noch teurer wird.
- für mehr Beitragszahler zu sorgen, indem man qualifizierte Zuwanderer anlockt, die im Schnitt mindestens so viel oder mehr verdienen, wie die bereits jetzt hier lebende Bevölkerung. Dies gelingt heute nicht.
- für weniger Empfänger zu sorgen, indem man die Zuwanderung in das Sozialsystem konsequent verhindert. Hier verfolgt unsere Politik das genaue Gegenteil.
- die Bezugsdauer der Leistungen zu reduzieren und die Beitragszahlungen zu erhöhen, indem man das Renteneintrittsalter erhöht. Genau das Gegenteil wurde in den letzten Jahren gemacht.
Fazit: Es ist eindeutig keine Leistung (Steuereinnahmen, Zinsersparnis, weniger Kosten für Arbeitslosigkeit). Und es ist eine Lüge, weil die sauber berechneten Schulden immer weiter gewachsen sind.
Eine Dummheit
Nun zur Rolle des Sparens in einer Volkswirtschaft. Beginnen wir mit dem fiktiven Beispiel einer geschlossenen Volkswirtschaft, also einem Land, das keinen Außenhandel betreibt. In diesem Land gibt es drei Wirtschaftssektoren:
- die privaten Haushalte,
- die Unternehmen und
- den Staat.
Jeder dieser Sektoren kann sparen oder Schulden machen bzw. Eigenkapital erhöhen. Die Summe der Finanzierungssalden der drei Sektoren ist per Definition null. Normalerweise sparen die privaten Haushalte, während die Unternehmen ein Defizit haben, weil sie investieren und dabei auf Finanzierung angewiesen sind. Das, was die Unternehmen nicht brauchen, leiht sich dann der Staat. Sparen die Haushalte mehr, als sich Unternehmen und Staat leihen wollen, kommt es zu einer Rezession und die Angleichung erfolgt über sinkende Einkommen und Ersparnis oder höhere Staatsdefizite. Es ist in einer geschlossenen Volkswirtschaft, also einer Welt ohne Außenhandel nicht möglich „zu viel“ zu sparen. Es kommt zu einem Ausgleich.
Anders ist das, wenn man als weiteren Sektor das Ausland mit einführt. So kann es sein, dass ein Land Ersparnisse aus dem Ausland importiert oder eigene Ersparnisse exportiert. Die Summe der Finanzierungssalden der nun vier Sektoren, private Haushalte, Unternehmen, Staat und Ausland ist ebenfalls zwingend null. Wichtig zu wissen ist zudem, dass ein Nettokapitalimport aus dem Ausland zwangsläufig ein genauso großes Handelsdefizit bedeutet und umgekehrt ein Handelsüberschuss immer auch einen Nettokapitalexport in gleicher Höhe bedingt.
Schauen wir uns die Zahlen für Deutschland für genauer an (Zahlen 2017):
- Finanzierungssaldo der privaten Haushalte: 4,8 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP). Das bedeutet, alle Haushalte zusammen haben netto im Volumen von 4,8 Prozent des BIP gespart.
- Finanzierungssaldo der Unternehmen: 3,2 Prozent vom BIP. Also ebenfalls eine netto Ersparnis.
- Finanzierungssaldo Staat: 0,6 Prozent vom BIP – die berühmte „schwarze Null“.
Wäre Deutschland eine geschlossene Volkswirtschaft, befänden wir uns in einer schweren Krise. Es würde massiv Nachfrage, immerhin im Volumen von 8,6 Prozent des BIP fehlen, weil wir alle sparen. Doch von Krise ist keine Spur! Das verdanken wir dem Ausland, wohin wir unsere überschüssigen Ersparnisse von 8,6 Prozent vom BIP exportiert haben. Dies bedeutet aber zugleich, dass das Ausland im Volumen von 8,6 Prozent des deutschen BIP mehr Waren aus Deutschland gekauft als nach Deutschland exportiert hat. Der Titel des Exportweltmeisters gilt folglich für Waren und für Ersparnisse gleichermaßen.
Wenn die Unternehmen sparen – was sie nicht sollten – und der Staat auch noch spart, legen die privaten Haushalte ihr Geld im Ausland an. Dies tun wir seit Jahren sehr schlecht, wie viele Studien zeigen. So ist die Summe der Handelsüberschüsse größer als der Zuwachs des Auslandsvermögens. Allein in der Finanzkrise haben wir nach Schätzungen rund 400 Milliarden Euro verloren.
Das allein zeigt schon, dass es vernünftiger wäre, im Inland mehr zu investieren. Dazu müsste der Staat eben auch Schulden machen. So gesehen ist die „schwarze Null“ auch noch eine Dummheit.
Offizielle Schulden hoch – verdeckte Schulden runter!
Wir verfolgen eine merkwürdige Politik. Alles wird darangesetzt, die explizite Staatsschuld zu senken, während gleichzeitig die implizite Staatsschuld immer mehr aus dem Ruder läuft. Dabei sollten wir genau das Umgekehrte machen. Wir müssen die implizite Staatsschuld senken und die explizite erhöhen. Das würde auch unsere Exportabhängigkeit reduzieren.
Da die privaten Haushalte mit Blick auf die Altersvorsorge in der Tat sparen sollen, bleibt nur eine Reduktion der Ersparnis der Unternehmen durch entsprechende Investitionsanreize oder eine höhere Besteuerung und ein Defizit des Staates. Eine zusätzliche Belastung der privaten Haushalte verbietet sich von selbst, weshalb die ganze Steuererhöhungsdiskussion grundfalsch ist. Wir brauchen keine höhere Steuer für „Reiche“, wir brauchen keine Abschaffung der Abgeltungssteuer, keine höhere Erbschaftssteuer und auch keine Vermögenssteuer. Wir brauchen Unternehmen, die mehr investieren – oder eben, wenn sie es nicht tun, mehr Steuern zahlen – und einen Staat, der mehr ausgibt.
Und zwar für alles:
- für eine breite Entlastung der Steuerzahler,
- für eine Investitionsoffensive in Infrastruktur von Straßen bis schnelles Internet,
- für eine Bildungsoffensive, um die nächste Generation fit zu machen für die Industrie 4.0,
- für die Korrektur sozialer Probleme, vor allem wiederum der Verbesserung der Chancengleichheit durch bessere Bildung für alle.
Das Geld dafür ist da und es ist allemal besser, es im Inland auszugeben, als es im Ausland zu verlieren.
Damit würden wir das nachhaltige Wachstumspotenzial Deutschlands stärken und auch die implizite Staatsschuld reduzieren und besser tragbar machen. Genügen würde es allerdings nicht. Die Politiker müssten sich an eine echte Reform machen, um die verdeckten Staatsschulden in Form von unfinanzierbaren Versprechen für Renten, Pensionen und Gesundheitsversorgung zu reduzieren. Deutlich höhere Renteneintrittsalter, geringere Rentenniveaus, mehr Eigenbeteiligung bei der Vorsorge sind die Stichworte.
Unpopulär, aber ohnehin unabdingbar, sind diese Eingriffe. Entlastet der Staat die Bürger heute und legt zugleich die Grundlagen für künftigen Wohlstand, indem er investiert, wäre die Chance gegeben, diese Reformen auch politisch durchzusetzen. Heute kasteien wir uns mit den laufenden Ausgaben und laden uns untragbare Lasten für die Zukunft auf. In der Zukunft sollten wir das Gegenteil machen.
„Schwarze Null“ statt nachhaltiger Finanzen
Was mich zu dem sehr ernüchternden Fazit führt: Obwohl wir dem Staat im Vergleich zu anderen Ländern einen erheblichen Anteil unserer Einkünfte abtreten, sind wir auch mit Blick auf das vom Staat verwaltete Vermögen schlecht aufgestellt. Die Infrastruktur verfällt, die Bundeswehr ist alles, nur nicht wehrfähig und die Bildungssysteme sind in einer tiefen Krise. Damit reduziert sich das Wachstumspotenzial Deutschlands und damit die Fähigkeit, in Zukunft höhere Lasten zu schultern. Die Politiker bevorzugen Konsum statt Investition und setzen auf Umverteilung von Wohlstand, statt Schaffen von Wohlstand.
Derweil wachsen die Schulden des Staates weiter an, weil die Politiker die Zusagen für künftige Leistungen erhöhen, was nur mit deutlich steigenden Schulden oder Abgaben zu finanzieren ist. Beides führt zu einer Minderung der Vermögen des Privatsektors in der Zukunft. „Reiches Land“? Verglichen mit vielen Ländern der Welt sicherlich, verglichen mit unseren Nachbarn weniger: ärmere Privathaushalte, verfallene öffentliche Infrastruktur und ein Staat mit erheblichen verdeckten Verbindlichkeiten.
Dr. Daniel Stelter –www. think-beyondtheobvious.com
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