Forsa: CDU verliert in Thüringen massiv — Linke legt deutlich zu
In der neuesten Forsa-Umfrage in Thüringen hat die CDU nach dem Eklat um die Ministerpräsidenten-Wahl in der Wählergunst massiv nachgelassen. Laut der Erhebung des Meinungsforschungsinstituts für RTL und n‑tv, die am Freitag veröffentlicht wurde, verliert die CDU in Thüringen gegenüber der Landtagswahl im Oktober 2019 knapp zehn Prozentpunkte und kommt nun auf 12 Prozent der Stimmen, wenn jetzt erneut gewählt würde. Die Linkspartei kann dagegen um 6 Prozentpunkte zulegen und liegt nun bei 37 Prozent.
Die AfD gewinnt 0,6 Prozentpunkte hinzu und kommt nun auf 24 Prozent. Die FDP verliert gegenüber der Landtagswahl im Oktober 2019 einen Prozentpunkt und käme noch auf 4 Prozent. Damit würde die FDP es nicht mehr in den Landtag schaffen. Die Grüne legen um 1,8 Prozentpunkte zu und kommen auf 7 Prozent. Die SPD gewinnt 0,8 Prozentpunkte hinzu und kommt auf 9 Prozent. Rot-Rot-Grün käme zusammen auf 53 Prozent, sodass der abgewählte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sich auf eine regierungsfähige Mehrheit stützen könnte. Für eine der sonstigen Parteien würden sich 7 Prozent entscheiden. Die große Mehrheit der Thüringer (77 Prozent) bewertet es laut Forsa “weniger gut oder schlecht”, dass Thomas Kemmerich (FDP) sich mit den Stimmen von FDP, CDU und AfD zum Ministerpräsidenten wählen ließ. 20 Prozent der Befragten fanden dieses Vorgehen “gut” oder “sehr gut”. 56 Prozent der Thüringer sind der Auffassung, dass die Wahl Kemmerichs mithilfe der AfD Auswirkungen über das Bundesland hinaus hat: die Stabilität des politischen Systems in ganz Deutschland sei dadurch gefährdet. 72 Prozent der Thüringer sind zudem der Meinung, dass Kemmerich die Wahl nicht hätte annehmen dürfen. 70 Prozent begrüßen seinen Rücktritt, 26 Prozent der Befragten halten den Rückzug für falsch. 71 Prozent der Thüringer haben kein Verständnis für das Verhalten der CDU im Landtag, 26 Prozent äußern sich verständnisvoll. 68 Prozent der Befragten sind laut Forsa für Neuwahlen, 29 Prozent sind dagegen. Eine Mehrheit in Thüringen hätte gern den alten Ministerpräsidenten wieder. 65 Prozent bedauern, dass Ramelow nicht mehr Regierungschef ist. Wenn die Thüringer ihren Ministerpräsidenten direkt wählen könnten, würden sich 64 Prozent für Ramelow entscheiden. 6 Prozent würden Kemmerich wählen, 9 Prozent Mike Mohring (CDU) und 3 Prozent Christoph Kindervater (AfD). Für die Erhebung befragte Forsa im Auftrag der Mediengruppe RTL am 6. Februar 2020 insgesamt 1.003 Personen in Thüringen.
Politologen rechnen bei Neuwahl in Thüringen mit AfD-Stimmenzuwachs
Nach Einschätzung von Politikwissenschaftlern spielt eine mögliche Neuwahl in Thüringen der AfD in die Hände. “Nach dem jetzigen Tohuwabohu, das vielfältige Nachweise politischer Inkompetenz in Handeln und Verantwortung in sich birgt, ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, dass die AfD davon profitieren wird”, sagte der Passauer Politikprofessor Heinrich Oberreuter dem “Handelsblatt”. Gleichwohl seien Neuwahlen “jetzt der konkurrenzlose Ausweg.”
Auch der Berliner Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer rechnet mit Stimmenzugewinnen für die AfD. “Sollte es vorgezogene Neuwahlen geben, dann wird die AfD wie sie jetzt schon in einer Pressemitteilung verdeutlichte — die Auflösung des Landtags als ‘Kniefall vor Merkels Politbüro-Befehl‘ und ‘Verachtung demokratischer Prinzipien‘ brandmarken und sich als Opfer eines Anti-AfD-Kartells der Altparteien hinstellen”, sagte Niedermayer der Zeitung. Da es viele Leute geben werde, “die argumentieren, die Ministerpräsidentenwahl sei eine normale demokratische Wahl gewesen, deren Ergebnis man zu respektieren habe, kann das der AfD bei Neuwahlen durchaus nützen”, so der Politologe weiter. Ähnlich äußerte sich der Mainzer Politikwissenschaftler Kai Arzheimer: Das Unverständnis und die Empörung über das Verhalten von FDP und CDU innerhalb und außerhalb des Freistaates sei so groß, “dass beide Parteien bei Neuwahlen sicher mit weiteren Einbußen rechnen müssten”, sagte Arzheimer dem “Handelsblatt”. “Dass die AfD möglicherweise nochmals etwas besser abschneidet, ist nicht auszuschließen, von weiteren großen Zugewinnen würde ich aber nicht ausgehen”, so der Politologe weiter.
Bericht: Mohring tritt im Mai als CDU-Fraktionschef in Thüringen ab
Mike Mohring räumt laut eines Medienberichts seinen Posten als Vorsitzender der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag. Bis zu einer Neuwahl der Fraktionsspitze im Mai wolle Mohring den Übergang organisieren, berichtet MDR Thüringen unter Berufung auf eigene Informationen. Seinen Posten als Thüringens CDU-Chef soll er offenbar behalten: Mohring hatte nach dem Eklat bei der Ministerpräsidenten-Wahl im CDU-Landesvorstand am Donnerstag die Vertrauensfrage gestellt und wurde bestätigt.
Mohring habe zwölf Ja- und zwei Nein-Stimmen bekommen, teilte Raymond Walk, Generalsekretär der CDU Thüringen, am Donnerstagabend mit. Dies sei ein “richtiges Signal für den weiteren gemeinsamen Weg”, so Walk weiter. Zwei Vorstandsmitglieder enthielten sich demnach. Bei der Ministerpräsidenten-Wahl im Thüringer Landtag hatte die AfD-Fraktion am Mittwoch ihren eigenen Kandidaten im dritten Wahlgang fallengelassen und zusammen mit der CDU dem FDP-Kandidaten Thomas Kemmerich überraschend zur Mehrheit verholfen. Der hatte die Wahl angenommen und sich unmittelbar danach als Ministerpräsident vereidigen lassen, am Donnerstag aber nach Druck aus der Bundespartei den Rücktritt, die Auflösung des Thüringer Landtages und Neuwahlen angekündigt.
Kretschmer rät CDU zur Verständigung mit Linkspartei
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat seine Partei zu einer Verständigung mit der Linkspartei in Thüringen aufgerufen. “Zwischen AfD und Linkspartei sehe ich einen großen Unterschied”, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Freitagausgaben). “Mein Rat ist, abzurüsten, gemeinsame Gespräche zu suchen und die Situation nicht weiter anzuheizen. Die Lösung liegt in einer Verständigung über Parteigrenzen hinweg mit Ausnahme der AfD.”
Zugleich riet Kretschmer von Neuwahlen in Thüringen ab. “Mit Neuwahlen legen die Parteien den Bürgern die Entscheidung über die künftige Regierung in die Hände. Aber ich sehe mir Sorgen, dass die politischen Ränder links und rechts, die auf keinen Fall zusammenarbeiten, dabei gestärkt werden könnten”, sagte er. “Das ist dann selbstverständlich Demokratie. Aber trotzdem kein gutes Ergebnis.” Deshalb werbe er so intensiv für verbales Abrüsten. Nach der Landtagswahl im Oktober wäre der einzig vernünftige Weg gewesen, dass die rot-rot-grüne Regierung mit einem geschäftsführenden Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) im Amt geblieben wäre, betonte Kretschmer. “Und bei zentralen Fragen, die für die Zukunft Thüringens entscheidend sind, sucht man Mehrheiten im Landtag unter Beteiligung der CDU. Das gebietet schon die staatsbürgerliche Verantwortung.” Die AfD sei von einer Aggressivität, Geschichtsvergessenheit und Bösartigkeit in der Wortwahl, dass er “überhaupt nicht verstehen kann, wie man auch nur im Ansatz gemeinsame Projekte auf den Weg bringen kann”. Deswegen hätten FDP und CDU mit der Wahl von Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten “einen fatalen Fehler gemacht”. Das Wahlergebnis in Thüringen zeige ganz deutlich, dass es für keine politische Konstellation eine Mehrheit gebe. “Erwachsene, verantwortungsvoll handelnde Menschen stellen sich dieser Wahrheit”, sagte der Ministerpräsident. “Zu viele haben das Wahlergebnis ignoriert und die eigenen Interessen über alles gestellt.”
Berlin (dts Nachrichtenagentur) — Foto: Annegret Kramp-Karrenbauer, über dts Nachrichtenagentur
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