Assange: Behandelt wie ein Schwer­ver­brecher – Ver­ge­wal­ti­gungs­vor­würfe waren konstruiert

In Groß­bri­tannien  läuft zurzeit ein Prozess, dessen Ausgang weit über das per­sön­liche Schicksal des Ange­klagten hin­ausgeht. Es geht darum, wie in Zukunft mit Whist­le­b­lowern und Ent­hül­lungs­jour­na­listen umge­gangen werden darf und kann und welche unan­tast­baren Rechte ein Mensch wirklich hat. Während George Soros‘ Stif­tungen, wie „Trans­pa­rency Now!“, die Trans­parenz zum höchsten mora­li­schen Impetus erhebt, sitzt aber ein wahrer Held der Auf­de­ckungen grau­samer Kriegs­ver­brechen gebrochen und schwer gezeichnet auf der Ankla­gebank und muss befürchten, den Rest seines Lebens im Kerker zu landen.

Das Schicksal von Julian Assange ist für jeden Ein­zelnen und überall exis­ten­ziell wichtig. Es kann in Zukunft jeden treffen, der Unrecht und Ver­brechen an die Öffent­lichkeit bringt. Es kann jeden treffen, der Unrecht und Ver­brechen auf­decken könnte. Oder Kritik am Fal­schen übt. Denn er könnte zum Schweigen gebracht, zer­brochen und weg­ge­schlossen und hinter Gefäng­nis­mauern zu Tode gequält werden.

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Allein die Szene im Gerichtssaal ist beängs­tigend. Ein gebro­chener Mann, bereits von der Haft gezeichnet, deren Bedin­gungen Men­schen­rechtler ein­deutig als Folter bezeichnen, sitzt zwi­schen zwei Sicher­heits­be­amten in einem Glas­kasten. Wie ein bös­ar­tiges, unbe­re­chen­bares Raubtier, ein Gewalt­ver­brecher, dem jede Grau­samkeit zuzu­trauen wäre. Ein Mann, der Beweise für sys­te­ma­tische Folter ver­öf­fent­lichte, wird selbst schwer miss­handelt, seine Pei­niger werden nicht belangt. Ein Mutiger, der Mord und Tot­schlag, Kriegs­ver­brechen und Verrat der Mäch­tigen und ihrer Helfer doku­men­tierte, wird selbst wie ein Schwer­kri­mi­neller behandelt, die wahren Ver­brecher bleiben unan­ge­tastet. Assange, der gewaltige Lügen auf­deckte, wird selbst Opfer von gewal­tigen Lügen, die Ver­leumder aber bleiben unbehelligt.

Vor ziemlich genau 10 Jahren, als der Aus­tralier Julian Assange ein Vorbild und ein gefei­erter Kämpfer für Trans­parenz war, ver­suchte man, ihn zum Ver­brecher zu stempeln. Überall wurde in den Nach­richten gepusht, dass die schwe­dische Polizei wegen Ver­ge­wal­tigung nach ihm fahnde. Aus dem Vor­kämpfer für die Ent­hül­lungen der Ver­brechen der Mäch­tigen wurde über Nacht ein Frau­en­schänder und Ver­ge­wal­tiger. Erstunken und erlogen, wie sich herausstellt.

Eine unglaub­liche Ver­schwörung beginnt

Der UNO-Son­der­be­richt­erstatter für Folter, Nils Melzer, ist erschüttert. Einen solchen Fall habe er noch nicht gesehen, sagt er in einem Interview mit dem Schweizer Medium „Republik“. Er hat im Fall Julian Assange ermittelt, und was er fand, lässt jeden durch­ge­knallten Ver­schwö­rungs­theo­re­tiker vor Neid erblassen.

Wichtig ist bei der ganzen Geschichte der zeit­liche Ablauf. Es war Ende Juli 2010, als Wiki­leaks zusammen mit der New York Times, dem bri­ti­schen Guardian und dem Spiegel das „Afghan War Diary“ ver­öf­fent­lichte. Eine der wich­tigsten, größten und schmerz­haf­testen Ent­hül­lungen in der Geschichte der US-Army. Die USA for­derte alle Ver­bün­deten zur Jagd auf Assange auf und ihn mit Straf­ver­fahren zu überziehen:

„Wir kennen nicht die ganze Kor­re­spondenz. Aber Stratfor, eine für die US-Regierung tätige Sicher­heits­be­ra­tungs­firma, rät der ame­ri­ka­ni­schen Regierung offenbar, Assange die nächsten 25 Jahre mit allen mög­lichen Strafverfahren zu über­ziehen.“

Vom gefei­erten Whist­le­b­lower zum Vergewaltiger

Der Bericht Melzers legt dar, dass Assange tat­sächlich – ein­ver­nehm­lichen! — Sex mit zwei Frauen hatte. Die Frau, um die es geht, habe aber niemals Anzeige wegen Ver­ge­wal­tigung gegen Assange erstattet. Sie for­derte ihn aber im Nach­hinein auf, er solle einen HIV-Test machen. Das wollte sie poli­zeilich erzwingen. Die schwe­dische Polizei, so fand Melzer heraus, habe die Anzeige „umge­schrieben“:

Am 20. August 2010 betritt eine Frau namens S.W. in Begleitung einer zweiten Frau namens A.A. einen Poli­zei­posten in Stockholm. S.W. sagt, sie habe mit Julian Assange ein­ver­nehm­lichen Geschlechts­verkehr gehabt. Aller­dings ohne Kondom. Jetzt habe sie Angst, dass sie sich mit HIV infi­ziert haben könnte, und wolle wissen, ob sie Assange dazu ver­pflichten könne, einen HIV-Test zu machen. Sie sei in großer Sorge. Die Polizei schreibt ihre Aussage auf und infor­miert sofort die Staats­an­walt­schaft. Noch bevor die Ein­ver­nahme über­haupt abge­schlossen werden kann, infor­miert man S.W. darüber, dass man Assange fest­nehmen werde wegen Ver­dachts auf Ver­ge­wal­tigung. S.W. ist scho­ckiert und weigert sich, die Befragung wei­ter­zu­führen. Noch aus der Poli­zei­station schreibt sie einer Freundin eine SMS und sagt, sie wolle Assange gar nicht beschul­digen, sondern wolle nur, dass er einen HIV-Test mache, aber die Polizei wolle ihn ganz offen­sichtlich «in die Finger kriegen».“

S.W. ver­lässt die Poli­zei­station. Eine Unter­schrift der Frau auf dem Anzei­ge­for­mular gibt es nicht. Doch da hat die schwe­dische Staats­an­walt­schaft den kon­stru­ierten Ver­ge­wal­ti­gungs­vorwurf bereits an die Presse „geleakt“. Bereits zwei Stunden später titelt die schwe­dische „Expressen“, dass Julian Assange der dop­pelten Ver­ge­wal­tigung beschuldigt werde.

Die zweite Frau, A.A., die S.W: nur begleitet hatte, macht am nächsten Tag selbst eine Aussage. Sie sei von Assange sexuell belästigt worden. Sie habe als seine Pres­se­se­kre­tärin gear­beitet und ihn ein­ge­laden, in ihrer Ein­zim­mer­wohnung zu wohnen und lud ihn auch ein, mit ihr in einem Bett zu schlafen. Der Sex, der dabei geschah, sei ein­ver­nehmlich gewesen und mit Kondom. Sie behauptet nun, Assange habe absichtlich das Kondom kaputt­ge­macht, was sie aber erst im Nach­hinein bemerkt haben will. Wie sie seine böse Absicht im Nach­hinein bemerkt haben will, bleibt unge­klärt. Auf dem Kondom, das sie als Beweis­mittel ein­reichte, war weder ihre DNA noch die von Julian Assange zu finden. Es gibt noch mehr seltsame Ein­zel­heiten bei diesen Aus­sagen der beiden Frauen.

Es ent­steht aber der Ver­dacht, dass da ein abge­kar­tetes Spiel gelaufen sein muss. Denn Nils Melzer liegt ein Dokument vor, in dem der Vor­ge­setzte der Poli­zei­be­amtin, die S.Ws. Aussage auf­ge­nommen hatte, sie anweist, die Aussage zu einer Ver­ge­wal­tigung umzu­schreiben. Die deutsche Über­setzung der Anweisung ist hier zu finden. Die Ori­gi­nal­aussage der S.W. wurde im Com­puter umge­schrieben und ist nicht mehr auffindbar.

Julian Assange muss ver­nichtet werden!

Als Julian Assange von dem Ver­ge­wal­ti­gungs­vorwurf erfährt, erscheint er wenige Tage später auf der ent­spre­chenden Poli­zei­station und macht seine Aussage:

Am 30. August 2010 erscheint Assange auf dem Poli­zei­posten, um aus­zu­sagen. Er wird von jenem Poli­zisten befragt, der in der Zwi­schenzeit die Anweisung gegeben hatte, die Aussage von S.W. umzu­schreiben. Zu Beginn des Gesprächs sagt Assange, er sei bereit aus­zu­sagen. Er wolle aber den Inhalt nicht wieder in der Presse lesen. Dies ist sein Recht, und es wird ihm zuge­si­chert. Am selben Abend steht wieder alles in der Zeitung. Das kann nur von Behörden gekommen sein, denn sonst war ja niemand beim Verhör anwesend. Es ging also offen­sichtlich darum, seinen Namen gezielt kaputtzumachen.“

Dabei haben die Ermittler den Vorwurf der Ver­ge­wal­tigung bereits zurück­ge­zogen. Die zuständige Staats­an­wältin hat die Ermitt­lungen geschlossen, da die Aus­sagen von S.W, zwar glaub­würdig seien, aber kein Delikt zu erkennen sei. Doch mit der im Nach­hinein umge­schrie­benen Aussage von S.W. wird Berufung gegen die Ermitt­lungs­ein­stellung der Staats­an­wältin erwirkt. Das Ver­ge­wal­ti­gungs­ver­fahren wird am 2. Sep­tember wieder auf­ge­nommen. Auch hier tut sich Seltsames:

„Den beiden Frauen wird auf Staats­kosten ein Rechts­ver­treter ernannt namens Claes Borg­ström. Der Mann war Kanz­lei­partner des vor­he­rigen Jus­tiz­mi­nisters Thomas Bod­ström, unter dessen Ägide die schwe­dische Sicher­heits­po­lizei von den USA ver­däch­tigte Men­schen mitten in Stockholm ohne jedes Ver­fahren ver­schleppt und an die CIA über­geben hatte, welche diese Men­schen dann fol­terte.“

Immer wieder lässt Assange durch seinen Anwalt anbieten, dass er Stellung zu den Vor­würfen nehmen will, doch das kommt mit Aus­reden nicht zustande. Mal passt der Termin nicht, dann ist der Polizist krank.

Drei Wochen später will Julian Assange wieder aus Schweden aus­reisen und zu einer Kon­ferenz nach Berlin reisen. Der Anwalt holt sich das schrift­liche Ein­ver­ständnis der Staats­an­walt­schaft ab. Doch Schweden hat exakt an dem Tag, wo Assange Schweden ver­lässt, auf­grund der alten, ver­fälschten und nicht unter­schrie­benen Zeu­gen­aussage einen Haft­befehl auf ihn aus­ge­stellt. Assange sitzt bereits im Flieger nach Berlin. Selt­sa­mer­weise ver­schwinden seine Laptops aus seinem Gepäck, seine Airline SAS ver­weigert jeder Aus­kunft und Unter­stützung. Nun wird er von Schweden mit einem euro­päi­schen Haft­befehl gesucht.

Die Jagd auf Assange beginnt: Ein geheimes Straf­ver­fahren in den USA wird angestrengt

„Dann geschieht Fol­gendes: Assange bekommt Wind davon, dass in den USA ein geheimes Straf­ver­fahren gegen ihn eröffnet worden ist. Damals wurde das von den USA nicht bestätigt, aber heute wissen wir, dass es stimmt.“

Wiki­Leaks-Gründer Assange bietet an, zurück­zu­kommen nach Schweden und dort nochmals aus­zu­sagen, will jedoch die Zusi­cherung, nicht an die USA aus­ge­liefert zu werden. Schweden ist nicht bereit, ihm diese zu geben, obwohl das ein ganz nor­maler Vorgang ist, der inter­na­tional durchaus üblich ist.

Assange kommt nicht nach Schweden. Der schwe­dische Haft­befehl bleibt die nächsten sechs Jahre wei­terhin bestehen, Anklage wird aber nicht erhoben, das Ermitt­lungs­ver­fahren kommt nicht vor­wärts. Assange flieht in die ecua­do­ria­nische Bot­schaft in London und erhält Asyl. Bri­tische Poli­zei­beamte belagern die Bot­schaft geradezu, darauf wartend, dass Julian Assange auch nur einen Fuß vor die Tüte setzt.

Während der ganzen Zeit offe­rieren seine Anwälte eine Aussage in Schweden gegen eine Nicht­aus­lie­fe­rungs­zusage. Schweden lehnt ab. Die Anwälte bieten an, die Aussage per Video­schaltung zu machen, Schweden lehnt ab, obwohl so ein Ver­fahren nach Aus­kunft Melzers absolut üblich ist.

Fünf Jahre lang ver­meidet es die schwe­dische Staats­an­walt­schaft, dass Assange sich zu der ihm vor­ge­wor­fenen Ver­ge­wal­tigung äußern kann. Seine Anwälte wenden sich schließlich an das höchste schwe­dische Gericht. Sie wollen erzwingen, dass die schwe­dische Staats­an­walt­schaft endlich Anklage erhebt — oder das Ver­fahren einstellt:
„Als die Schweden den Eng­ländern mit­teilen, dass sie das Ver­fahren mög­li­cher­weise ein­stellen müssten, schrieben die Briten besorgt zurück: «Don’t you dare get cold feet!!» Kriegt jetzt bloß keine kalten Füße.“

Die Briten wollten die Ein­stellung des Ver­fahrens unbe­dingt ver­hindern. Warum?

Weil Julian Assange „unschädlich“ gemacht werden muss. Weil das, was Julian mit den Afghan War Diary getan hatte, eine massive Bedrohung der Mäch­tigen  dieser Welt dar­stellt, sagt Nils Melzer. Die Ver­ge­wal­ti­gungs-Chimäre war lediglich das Mittel zum Zweck und sollte die Unter­stützung Ass­anges in der Öffent­lichkeit schwächen, ihn angreifbar und greifbar machen. Plötzlich wurde deutlich, dass es hier nicht um den Schutz von Geheim­diensten und natio­naler Sicherheit geht, sondern um das Geheim­halten von mas­siven Ver­brechen: So ver­öf­fent­lichte Wiki­Leaks bereits am 5. April 2010 das berühmte Video eines US-Militär-Hub­schraubers, auf dem man ein wirklich grau­sames Kriegs­ver­brechen mit­erlebt, nämlich wie die US-Heli­ko­pter­be­satzung im Irak mehrere Men­schen aus der Luft ermordet, dar­unter zwei Mit­ar­beiter der Nach­rich­ten­agentur Reuters. Die Bord­schützen gieren geradezu danach, endlich die Men­schen unten am Boden abzu­knallen. Sie haben Spaß daran und lachen. Sie finden auch nichts dabei, dass dort unten in dem Bus auch Kinder sind. Eine ganze Gruppe Men­schen, die nichts ver­brochen haben, wird zum Spaß mas­sa­kriert. Das hat nichts mehr mit dem Schutz natio­naler Sicherheit zu tun, hier geht es nur noch um gewis­sen­loses Abschlachten.

Die Bord­schützen hätten vor ein Kriegs­ge­richt gestellt werden müssen. Doch es gab kein Straf­ver­fahren gegen diese Kriegs­ver­brecher. Die Mörder kamen unge­straft davon. Gerade die USA, die ihr Militär angeblich immer unter höchst edlen und huma­ni­tären Gründen in anderen Ländern ein­setzen, wurde durch diese Ent­hül­lungen vor der ganzen Welt demaskiert.

Kriegs­ver­brecher kommen unge­schoren davon und der Mann, der die Ver­brechen auf­ge­deckt hat und die Öffent­lichkeit infor­miert, kommt in Haft, wo er miss­handelt wurde. Wenn er in die USA aus­ge­liefert wird, könnte er zu 175 Jahren Haft ver­ur­teilt werden. Die Behandlung, die ihm dort zuteil werden könnte – und wahr­scheinlich auch wird, will man sich gar nicht ausmalen.

Julian Assange geht uns alle an!

In Zeiten, wo falsche Mei­nungen unter Strafe stehen, wo jede Anony­mität unmöglich gemacht werden soll, wo „Des­in­for­mation“ mit har­schen Strafen geahndet und Denun­ziation gefördert wird, Arbeit­nehmer mit fal­scher poli­ti­scher Ein­stellung fristlos gefeuert, E‑Mails gespei­chert werden und Kameras alles auf­zeichnen, wo Konten aus­ge­forscht werden und das Bargeld abge­schafft, wird die Freiheit der Bürger immer weiter ein­geengt und immer mehr unter dra­ko­nische Strafen gestellt. Bericht­erstattung darüber wird zur „Des­in­for­mation“, Kritik zur Hassrede, Jour­na­lismus zur Spionage, Ent­hüllung der Wahrheit zu Ver­brechen. Und wie wir an Assange sehen, gibt es kein rechts­staat­liches Verfahren.

Die Mäch­tigen dagegen weiten ihre „Frei­heiten“ immer mehr aus. Sie sind an keine Gerech­tigkeit und kein Recht mehr gebunden. Sie eli­mi­nieren jeden, der ihnen in die Quere kommt, wie wir am Bei­spiel von Julian Assange sehen. Man kann Herrn Nils Melzer nur für seinen großen Mut danken, die wahren Umstände dieses Falles auf­ge­deckt zu haben.