Der Fall Epstein: Die Des­in­for­mation geht weiter

Der Fall Epstein ist ein anschau­liches Bei­spiel, wie die Medien des­in­for­mieren. Das konnte man am Dienstag im Spiegel wieder her­vor­ragend sehen.

Die Meldung selbst war, dass Prinz Andrew, dem vor­ge­worfen wird, min­destens eine Min­der­jährige auf Epsteins Anwe­senheit miss­braucht zu haben, die Zusam­men­arbeit mit dem US-Staats­anwalt ablehnt, obwohl er in Pres­se­mit­tei­lungen eine umfas­sende Zusam­men­arbeit ange­kündigt hatte. Das ist wenig über­ra­schend und auch nicht neu, schon Ende Januar hat der Staats­anwalt Prinz Andrew den gleichen Vorwurf gemacht. Und seit dem miss­glückten Interview von Prinz Andrew im November 2018 war auch nichts anderes zu erwarten.

So weit, so unspek­ta­kulär. Aber über alle Hin­ter­gründe schweigt der Spiegel und auch die Unge­reimt­heiten lässt er weg. Das klingt im Spiegel so:

„Epstein nahm sich im ver­gan­genen Sommer in einer Zelle in New York das Leben. Ihm wurde vor­ge­worfen, über Jahre hinweg Dut­zende min­der­jährige Mädchen miss­braucht und zur Pro­sti­tution gezwungen zu haben.“

Dieser Absatz findet sich per copy/paste in jedem Artikel des Spiegel zu dem Thema. Der Spiegel ver­schweigt jedoch, dass es massive Zweifel an der Selbst­mord­these gibt, das soll der Spiegel-Leser anscheinend nicht erfahren.

Mehr noch: Der Spiegel schreibt zwar, dass Epstein die Mädchen zur „Pro­sti­tution gezwungen“ haben soll, aber er fragt nicht, wer denn die Kunden von Epstein waren. Dabei ist das die Kern­frage, denn Epstein ist zwar tot, aber die „Kunden“, die min­der­jährige Mädchen zum Sex gezwungen haben, die leben ja noch und gegen die könnte man ermitteln. Prinz Andrew ist, auf den die Bericht­erstattung in dem Fall begrenzt wird, war ja nicht der einzige.

Epstein war bestens in der High-Society ver­netzt und das Who-Is-Who der ame­ri­ka­ni­schen und inter­na­tio­nalen High-Society ging bei ihm ein und aus. Das waren füh­rende Poli­tiker, Hol­lywood-Stars, Wis­sen­schaftler, einfach alles, was Rang und Namen hat. Er flog Pro­mi­nente mit seinem Pri­vat­flugzeug auf seine Kari­bik­insel, wo dann „nette Partys“ gefeiert wurden. Da schon im Flugzeug junge, oft min­der­jährige Mädchen dabei waren, mit denen sich die Pro­mi­nenten ver­gnügt haben, nannte man das Flugzeug auch „Lolita-Express“.

Epstein hat also seinen Freunden min­der­jährige Pro­sti­tu­ierte zuge­führt, wobei die Opfer später aus­gesagt haben, sie seien auch zum Sex gezwungen worden. Epstein wurde 2007 des­wegen ange­klagt, kam aber wun­der­samer weise trotz Schuld­spruch mit nur 13 Monaten Gefängnis davon, wobei er dabei sogar Frei­gänger war und im Gefängnis nur über­nachten musste.

Zu seinen „Freunden“, die mit ihm im Lolita-Express unterwegs waren gehörte auch Prinz Andrew. Wer hin­gegen in den „Qua­li­täts­medien“ nicht erwähnt wird, ist Bill Clinton, der nach Zeu­gen­aus­sagen mehr als 20 Mal mit dem Lolita-Express unterwegs war, oft ohne seine Leib­wächter, dafür aber in Begleitung junger Mädchen. Das soll nur eine kurze Zusam­men­fassung sein, die Details zu dem Fall-Epstein finden Sie hier.

Aber im Spiegel finden Sie all das nicht. In dem Spiegel-Artikel geht es nur um Prinz Andrew, aber es gibt kei­nerlei Hin­ter­grund­in­for­ma­tionen. Dabei sollte doch die Frage gestellt werden, wer die Kunden von Epstein waren und vor allem, wer schützend die Hand über ihn gehalten hat, sodass er über 20 Jahre – und trotz Anklage und Ver­ur­teilung – mit diesen Machen­schaften durchkam. Und es war ja kein Geheimnis. Schon im US-Wahl­kampf 2016 hatte Trump öffentlich gesagt, dass Clinton ein Problem wegen der Geschichte um Epstein bekommen könnte. Aber in der Presse wurde das alles igno­riert und alle taten ganz überrascht.

Und als nach Epsteins Fest­nahme 2019 die Gefahr bestand, dass sich dieser Skandal nicht mehr ver­tu­schen ließ und dass Epstein umfang­reich aus­packen könnte, um eine mildere Strafe zu erhalten, da war Epstein so freundlich, sich in einem Hoch­si­cher­heits­ge­fängnis das Leben zu nehmen.

Epstein hat das Kunst­stück fertig gebracht, sich in einem Hoch­si­cher­heits­ge­fängnis zu erhängen, so die offi­zi­eller Version. Wie es der Zufall will, haben sämt­liche Über­wa­chungs­ka­meras bei Epsteins Zelle in der Nacht seines Selbst­mordes nicht funk­tio­niert. Und die Wachen, die ihn regel­mäßig kon­trol­lieren sollten, haben das in der Nacht nicht getan und ihre Pro­to­kolle gefälscht. Gegen diese Wach­leute wurde Anklagen erhoben. Auch die Anwälte von Epstein zweifeln die Selbst­mord­these an und sogar ein in den USA berühmter Pathologe, der bei der Obduktion von Epstein dabei war, zweifelt die offi­zielle Version an und spricht von „Beweisen für Mord“. Und auch der Richter, der den Fall Epstein ver­handeln sollte, hat in einem Brief mit­ge­teilt, dass es seiner Meinung nach „undenkbar“ ist, dass Epstein sich im Gefängnis umge­bracht haben kann.

Das war nur eine Auswahl der Zweifel, die es an der Selbst­mord­these gibt. Aber der Spiegel findet nicht, dass seine Leser das wissen müssen. Kri­ti­scher Jour­na­lismus müsste diese Fragen stellen und Auf­klärung fordern. Der Spiegel aber lenkt statt­dessen von diesen Fragen ab.

Aber wer erwartet von dem ehe­ma­ligen Nach­rich­ten­ma­gazin auch noch kri­ti­schen Journalismus?


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru

Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“