Blo­ckierte Selbst­werdung: Über den Geist & das Bewusstsein

Dass das Lebendige leidet, dass „das Leben an sich“ Leid ist, hat schon Buddha ein­drucksvoll dar­gelegt. Alles was lebt ist lediglich eine sich unauf­hörlich ver­än­dernde Struktur, ist ein Prozess, der unbeirrt von mensch­lichen Vor­stel­lungen oder gar von mensch­lichen Träumen abläuft. Wir Men­schen sind, um es mit dem Phy­siker Fritz-Albert Popp aus­zu­drücken, lediglich raum­zeit­liche Licht­muster, die aus dem schein­baren Nichts kommen und wieder dorthin gehen.

(von Walter Häge)

Und es ist auf den Punkt genau dieses Nicht­wissen unserer Her­kunft vor der Geburt und das Nicht­wissen unserer Zukunft nach dem Tod, was in uns so unendlich viel Lebens-Leid erzeugt: Unser Denk­ap­parat und alle seine Inhalte stoßen an Wände, von denen kei­nerlei Aus­kunft kommt. Wir erfahren unsere Denk­fä­higkeit in allen wesent­lichen Punkten unseres Daseins als ergeb­nislos, als begrenzt, als sinnlos.

Erfolg­reich ist unser Denken an der Ober­fläche, in der Orga­ni­sation des Lebens, im Tun (wie sinnlos es letzt­endlich auch sein mag), im logi­schen Kombinieren.

Aber auch bei unserer Logik stoßen wir an jene Mauer: Kurt Gödel, der welt­be­kannte Mathe­ma­tiker und Logiker des 20. Jahr­hun­derts (1906–1978) wies nach, dass jede logische Behauptung (gleich um welche Sache es sich handelt) in ihrer letzten Aussage unlo­gisch sein muss („Unvoll­stän­dig­keitssatz“)

Unsere Denk­fä­higkeit ist beim Wissen um den Tod ste­cken­ge­blieben, ratlos, per­spek­tivlos, blind. Dies war die Ver­treibung aus dem Paradies – kom­bi­niert mit Unfä­higkeit, dieses Schicksal dankbar anzunehmen.

Es gelingt mir als Mensch nicht, einfach nur froh zu sein, jetzt leben zu können und diese eigene Leben­digkeit zu genießen, nein, ich muss mir mein Umfeld für meine eigenen Zwecke gefügig machen.

Es gelingt mir als Mensch nicht, in Frieden zu leben, indem ich alle anderen Men­schen in ihrem Frieden leben lasse, ich kann die Anderen nicht als mir gleich­wertig ansehen, nein, ich muss sie beherr­schen können.

Es gelingt mir als Mensch nicht, mit dem, was ich habe, aus­zu­kommen. Meine erfüll­baren Bedürf­nisse zu befrie­digen genügt lange nicht, ich muss Wünsche rea­li­sieren, die auf Kosten anderer Men­schen gehen, die auf Kosten dieses Pla­neten gehen. Zer­störung wird dann positiv, wenn durch sie meine Wünsche befriedigt werden.

Unser Denk­ap­parat zeigt sich letzt­endlich, im Wei­ter­denken dieser zutref­fenden Logik, als eine per­sön­liche Station der Zer­störung, um den Preis eines eigenen anzu­neh­menden Vor­teils. Es geht immer und aus­schließlich um diesen Vorteil, auch wenn ich mir diesen lediglich phan­ta­siere. Es geht immer und aus­schließlich um einen Vorteil, auch wenn ich diesen durch große, edle Worte und vor­der­gründige Taten ver­suche unsichtbar zu machen.

Da ein Vorteil für mich immer nur zu rea­li­sieren ist, wenn einem anderen Men­schen (oder der Natur) dadurch ein Nachteil ent­steht, zieht jedes Vor­teils­denken eine Zer­stö­rungsspur hinter sich her. Das können sehr feine Energien sein, von keinem der Betei­ligten wahr­ge­nommen oder, wenn doch, als „gott­ge­geben“, als „natür­liche Ordnung“ hin­ge­nommen – doch: jedes Denken und seine Folgen sind eines. Jedes Reden und seine Folgen sind eines. Jedes Handeln und seine Folgen sind eines.

Da sich unser Denken weigert, alle diese logi­schen Tat­sachen wahr­zu­nehmen, geschweige diese anzu­er­kennen, ist es behand­lungs­be­dürftig. Das Denken in all diesen Gier-Kate­gorien, und seien sie noch so fein und ver­schleiert, ist krank.

Der homo sapiens, ins­be­sonders in seiner westlich geprägten Form, ist prin­zi­piell geis­tes­krank. Wir alle sind es, mehr oder weniger aus­ge­formt, einfach weil wir Men­schen sind.

Die Blutspur über diese Erde – meist im Namen eines mono­the­is­ti­schen Gottes – lässt sich seit dem Übergang des Matri­ar­chats ins Patri­archat vor etwa 4.000 Jahren gut ver­folgen, denn genau in dieser Über­gangszeit wurde der Krieg erfunden. Die

„Macht-Euch-die-Erde-untertan-Feti­schisten“ besitzen Macht und Ansehen, haben die Uni­ver­si­täten fest in der Hand, leiten die Kon­zerne und steuern die poli­tische Klasse.

Das „Atman-Projekt“ der Evo­lution, die Selbst­werdung des Men­schen zu einem uni­versell füh­lenden und den­kenden Wesen wurde blo­ckiert, dies ist sicher. Wurde das Projekt dadurch beendet? Das wäre der Untergang des homo sapiens in seiner heu­tigen Form.

Nach meiner Sicht stehen wir genau an diesem Punkt, an welchem diese Frage eine unge­heure rea­lis­tische Dimension bekommt. Schaffen wir den Bewusst­seins­sprung zur Heilung bzw. zur Wei­ter­ent­wicklung dieses in Krankheit ver­har­renden Gehirns?

Der Weg in ein neues Bewusstsein, das kei­nes­falls neu ist, sondern uralt, ist nur zu schaffen, wenn wir wissen, was da in unserem Kopf vor sich geht. Jeder von uns muss sein eigener Arzt sein, um in die ver­wir­renden Stränge dieser Neu­ronen- Ansammlung hin­ein­zu­steigen, die wir unser Gehirn nennen. Scho­nungslos gilt es diese Rea­lität zu betrachten. Ergeb­nis­offen muss jeder von uns seine Schlüsse ziehen. Dann gilt es, danach zu handeln.

Vor­sicht, wenn wir von „Bewusstsein“ sprechen – so, als gäbe es nur eines oder ein ein­heit­liches Bewusstsein, das erweitert oder ver­kürzt werden kann. Jedes Bewusstsein ist prin­zi­piell indi­vi­duell, obwohl es einen sehr hohen kol­lek­tiven Anteil hat, (der wie­derum unbe­wusst ist).

Es gibt Stufen des Bewusst­seins, die sich in ihren Qua­li­täten unter­scheiden. Je klarer meine Rea­li­täts­er­kenntnis ist, desto höher ist  mein Bewusstsein. Aus­schlag­ge­bender Punkt zur Bewusst­seins­klarheit sind meine Fra­ge­stel­lungen an das Leben. Durch die Art meiner Fra­ge­stellung ver­ändert sich auch die Antwort, die mich aus dem Gesamt­speicher alles Wissens erreicht. Die Antwort bedeutet immer, dass ich meinem kleinen, ein­ge­engten Bewusst­seins­speicher einen neuen Inhalt zufügen kann – dieser war bis jetzt nicht in mir vor­handen und deshalb nicht im Bewusstsein. Dies muss gut ver­standen werden, deshalb ist die Frage klären, was mein Bewusstsein eigentlich ist.

Mein Bewusstsein

  • ist die Gesamtheit meines Geistes, meines Denkens
  • besteht aus alledem, was zu meinen Gedanken geworden ist und was diese Gedanken zu meinen Vor­stel­lungen zusam­men­gefügt haben
  • besteht aus meinen Sin­nes­wahr­neh­mungen, aus meinen Gefühlen, aus meinen Sorgen, meinen Ängsten, meinem Ver­gnügen (im wei­testen Sinne) und aus dem, was ich meine, was ich mir vor­stelle, was ich glaube oder was ich nicht glaube. Allem was ich zustimme und allem was ich ablehne ist mein Bewusstsein
  • ist auf­be­wahrtes, gespei­chertes Denken, das aus diesen Inhalten seine Schlüsse zieht. Dieser Speicher ist begrenzt, denn er nennt ja sein eigen lediglich eine winzige Auswahl dessen, was möglich ist – meine Auswahl, das, was sich mir ange­boten hat. Anderen Men­schen werden andere Erfah­rungen ange­boten, sie haben ein Bewusstsein ent­spre­chend dieser Erfahrungen
  • ver­ändert sich immer nur innerhalb dieser vor­ge­ge­benen Begrenzungen
  • in der Regel weiß der Mensch nicht, dass sein Bewusstsein, seine Art zu denken und dadurch die Welt zu sehen und zu inter­pre­tieren, lediglich ein win­ziges Segment der Deutung ist, neben Mil­li­arden anderen Seg­menten. Er meint irr­tümlich, so wie er die Welt inter­pre­tiert, so sei die Welt. Dies führt zu einer ein­schrän­kenden, mecha­ni­schen Lebens­weise, bis hin zu einer gefäng­nis­ar­tigen Einmauerung

Dieser mein Erle­bens­speicher, dieses winzige Segment aus Mil­li­arden von Mög­lich­keiten, wird zu meinem Lebens­zentrum, zu meinem Ich, zu meinem Ego, zum irr­tüm­lichen Wahr­heits­zentrum, welches ich der Welt um mich über­stülpen will.

Ich mache aus meiner Begrenzung, (die ein Gefängnis ist), ein Dogma für die Welt. Und dies ist der Punkt, in welchem sämt­liche Kon­flikte ent­stehen: das Auf­drängen meiner eigenen Begrenztheit, meiner Welt­sicht, meiner Meinung, meiner „Wahrheit“ führt zu Wider­stand, zu Gegen­druck und erzeugt eine prin­zi­pielle Unordnung mit allem, auf das ich mich einlasse.

Diese Ego­zen­trierung: Ich hier, um mich die (feind­liche) Welt, die es zu bezwingen gilt, schafft prin­zi­piell krank­ma­chende Dau­er­kon­flikte, denn die Umwelt lässt nicht zu, dass ich meine erste Rolle, die ich spielen will, ständig auslebe.

Um diese Ursache alles Leids dieser Welt in mir zu durch­brechen, muss ich dieses zer­stö­re­rische ego­zen­trierte Denken und Handeln erkennen. Meine neue innere Struktur heißt dann: holis­tisch denken, fühlen, handeln.

Siehe Ver­tiefung: „Sind wir ein Hologramm?“

Das Denken

  • ist die Reaktion des Gedächt­nisses auf Reize der Sinne
  • ist immer Leid, ist immer ein Gefühl von Verlust
  • ist die eigent­liche Ursache für unsere Probleme
  • kann niemals kreativ und intuitiv sein, weil er die eigene Ver­gan­genheit ist
  • ist linear, will in gerader Linie immer nach vorne gehen: Immer schlauer, immer lis­tiger, immer scharf­sin­niger, immer unehr­licher, immer ver­dor­bener, weil immer schneller den eigenen Vorteil suchend, auf Kosten anderer
  • hat immer und aus­schließlich den eigenen Vorteil im Sinn – man muss nur  den Schleier der Selbst­täu­schung wegschieben
  • ist immer eine Anstren­gungs-Akti­vität – will etwas haben oder nicht haben, will etwas sein oder nicht sein, will immer einen Mit­tel­punkt der Welt bilden
  • hat als Mit­tel­punkt „Ich-mein-mir-mich“ und schafft dadurch immer und aus­schließlich Pro­bleme, Kon­flikte, Komplikationen
  • bläht mein Ich auf – und meine Pro­bleme enden erst, wenn dieses Ich als Mit­tel­punkt der Welt nicht mehr vor­handen ist

Als „Denken“, „Geist“, „Bewusstsein“ bezeichnen wir die Summe alles dessen, was mein Denken im Laufe meines Lebens zusam­men­gefügt hat. Es begann mit dem ersten Augen­auf­schlag nach der Geburt – bis heute in diesem Moment.

Jeder ein­zelne Gedanke hat sich in einem Speicher gesammelt – kein Gedanke, den ich je gedacht habe, ist ver­lo­ren­ge­gangen. In diesem meinem Gedanken- und Erle­bens­speicher sind alle Wahr­nehmung meiner Sinne gespei­chert, mit aller je erlebten Freude, mit aller Not, aller Qual, allen Ängsten.

Wenn mir dieses nicht bewusst ist, dann gibt es von allem Erlebten ener­ge­tische Ver­bin­dungen zum Heute und Jetzt, die mich in meinen Ent­schei­dungen heute beein­flussen, ohne dass ich dies rea­li­sieren kann. Gerade die „destruk­tiven Zell­spei­che­rungen“, wie die nega­tiven Qua­li­täten meines Spei­chers genannt werden, haben eine unge­heure Kraft und können mein jet­ziges Erleben total bestimmen.

Das Bewusstsein, das nach der Geburt noch eine Einheit mit der Umgebung war, hat sich nun im ersten Lebensjahr des jungen Men­schen gespalten und hat zwei aus sich gemacht: Das Denken hat die Bi-Pola­rität ein­ge­führt und sich (als Subjekt, als Han­delnden) einen Denker kon­struiert, der über das Denken (als Objekt) ver­fügen kann. Dieser Denker, der sich vir­tuell aus dem Denken heraus erschaffen hat, ernennt sich nun selbst zum Zentrum, zum Ich, zum Ego, wie es in Grie­chisch heißt.

Dieses Ich ist Wie­der­erkennen, ist ein Vorgang des Wie­der­erkennens von gespei­cherten Gedanken, die in das Jetzt ein­gebaut werden, damit man ver­steht, was gerade geschieht.

Noch einmal: Der Geist, das Denken, das Bewusstsein kon­struiert sich dieses „Zentrum“, das keines ist. Der Denker ent­steht, indem das Denken ihn erschafft.

Das Neu­ge­borene öffnet irgendwann die Augen und nimmt eine Welt wahr. Es weiß noch nichts von sich, weiß nicht, ob es ein Kaninchen ist, ein Hund oder ein Men­schenkind. Der geborene Mensch beginnt durch die Wahr­nehmung seiner Sinne zu denken. Der Ver­gan­gen­heits­speicher ent­steht und ab diesem Moment beginnt sich mein Erle­bens­speicher (der ja schon bei der Zeugung angelegt wurde und die Erleb­nisse im Mut­terleib auf­ge­zeichnet hat, zu füllen.

Irgendwann sagen sich diese Denk­vor­gänge, dass sie eine eigene Wesenheit seien. Wenn dann ein Name gegeben und vom neuen Men­schen als eigen wahr­ge­nommen wird, beginnt die Illusion sich zu ver­fes­tigen: das Ich ist erschaffen.

Das muss ver­standen werden: Nicht das Ich denkt, sondern das Denken erschafft das Ich. Das Ich wird gedacht. Frage: Wer oder was denkt mein Ich? Wer oder was ist der Verursacher?

Die Ana­logie vom ich­freien Denken des Säug­lings zum Träumen des Men­schen nach der so genannten Ich­findung ist frap­pierend: Das Ich meines Bewusst­seins hat kei­nerlei Ein­fluss auf meine Träume, oft unglaublich absurd, ver­wirrt und ängs­tigend. Ich werde geträumt und ich weiß nicht von wem.

Nachdem also der Verstand/Geist/Denken das Ich erschaffen hat, hat sich in einem gewal­tigen Trug­schluss das Ich vom Denken abge­trennt. Der Denker hat sich vom Denken getrennt und spielt sich als ver­meint­licher Herr auf, welcher dem Ver­stand nun sagen will, was dieser Ver­stand tun und denken soll. Das Ich-Bewusstsein will über seinen Inhalt herr­schen – eine absolute Unmög­lichkeit. Das Ich wird grö­ßen­wahn­sinnig, es erkennt nicht, wie winzig es ist, wie klein, wie abhängig, wie gesteuert.

Diese Auf­spaltung schafft nur eines: Leid, innere Not, Pro­bleme und Kon­flikte mit allem, was mir begegnet. Warum? Weil das Denken von meinen Kon­di­tio­nie­rungen, die mir nicht bewusst sind, gesteuert wird.

Ich bin nicht der Denker, getrennt vom Denken. Ich bin was ich denke, ich bin was ich fühle, ich bin was ich emp­finde und spüre. Ich bin das, wovon ich meine, ich habe es. Ich bin Nichtzwei bei allem, was sich innerlich in mir abspielt.

Ich muss die Ich- Befehls­ebene als Denker ver­lassen und mein Denken beob­achten, damit ich zur Selbst­er­kenntnis komme, die mich zum Ver­stehen führt. Der Denker wird eins mit seinem Denken und ver­steht. Wenn ich ver­stehe, kann ich diese Ebene der Dau­er­kon­flikte ver­lassen und stoße durch zur Krea­ti­vität, zur Anbindung an die Alleinheit. Dann ver­schwindet die innere Angst.

Der Gedächt­nis­speicher, Sam­mel­becken der Vergangenheit

Alles das, was ich neu erlebe, ver­knüpft sich sofort und auf der Stelle mit diesem Ver­gan­gen­heits­speicher. Meine Bewertung, meine Beur­teilung des Jetzt-Vor­gangs als gut oder schlecht, als passend oder nicht passend, richtet sich nach den Vor­gaben im Speicher. Die auf­be­wahrten Erin­ne­rungen schnappen sich sozu­sagen das Neu-Erlebnis oder die sich anbah­nende neue Erkenntnis und schieben alles in die ent­spre­chend vor­handene Schublade. Damit bin ich in schein­barer Sicherheit – alles ist, wie ich es kenne und in der Ver­gan­genheit bewertet habe. Ich muss meine Begrenzung nicht ver­lassen und kann selbst­be­stä­tigend oder selbst­zu­frieden sagen: Das ist so, und das ist so – basta! Einwand oder Wider­spruch zwecklos!

Dieser mein Denk­speicher hat als Grundlage zwei Mecha­nismen, die enorme Feh­ler­quellen verursachen:

  1. Ich messe alles, was mir begegnet, an dem, was ich erlebt habe und sehe somit die aktuelle Jetzt-Welt um mich in dieser meiner eigenen gespei­cherten Ver­gan­gen­heits-Qua­lität. Hatte ich z. B. eine kind­liche Umwelt voller Miss­trauen, voller Lügen und Unauf­rich­tigkeit, dann miss­traue ich heute jedem, bin voller Miss­trauen und prin­zi­piell unauf­richtig. War meine Kind­heitswelt groß­zügig und voller Ver­trauen zu den Men­schen, dann kann ich als Erwach­sener genau mit diesen Qua­li­täten umgehen und sie anwenden.
  2. Viele, viele Inhalte meines Denk­spei­chers sind nicht durch eigenes Erleben ent­standen, sondern durch Glau­bens­sätze, durch Kon­di­tio­nie­rungen, die mir von außen auf­ge­zwungen wurden. Mein Gehirn über­setzt eine jetzt statt­fin­dende Tat­sache gemäß dieser Konditionierungen.

Meine Eltern, meine Lehrer usw. haben ihre Erklä­rungen, wie die Welt sei, in mich ein­ge­pflanzt, und ich habe sie über­nommen. Da dieses Über­nehmen, diese Fremd­be­stimmung mit Schmerz ver­bunden war (schließlich wurde psy­chi­scher Zwang aus­geübt), habe ich diese Kon­di­tio­nie­rungen ins Unbe­wusste abge­spalten. Von dort aus wirkt dieser Zwang, wie an einem Ver­gan­gen­heits­faden hängend, auf mein Jetzt. Mögen Vater und Mutter schon lange tot sein, immer noch handeln sie in mir und lassen mich zwanghaft Dinge tun, die ich eigentlich nicht tun will und die ich niemals habe tun wollen.

Der Gedächt­nis­speicher lässt mich alles, was heute geschieht, durch diesen Filter sehen, der mir die Klarheit der Rea­lität nimmt und mir damit die Wahr­nehmung trübt. Diesen Filter zu besei­tigen, der Wahr­neh­mungs­stö­rungen noch und noch erzeugt,  ist die erste Aufgabe meiner geis­tigen Bewusst­werdung. Ich muss wieder fähig werden zu beob­achten, was tat­sächlich geschieht, um mich und in mir! Dafür muss ich meine Denk-Beschränktheit erkennen und somit seine All­macht-Phan­tasie beenden. Jetzt kann ich durch­stoßen in die Krea­ti­vität, in das Denken des Uni­versums, das allein im Jetzt­moment geschieht, ohne jede Ver­gan­genheit. Ich lasse die Ver­gan­genheit sterben, einfach sterben – dann ist die Erin­nerung nicht tot, aber ihre negative Kraft.

Der Geist schließt sich ein und

schafft sich eine Ich-Isolation

b a u t   s i c h   e i n   G e f ä n g n i s  a u s   Ve r g a n g e n h e i t   u n d   E r l e b e n (Erin­ne­rungs­ver­mögen und momen­taner Erfahrung)

schafft sich ein Muster, das zu einem Denk­zwang wird

fängt sich selbst in seinem Muster und wird müde, abge­stumpft, emp­fin­dungslos. Falls es dies irgendwann merkt, sucht er ein anderes Muster, statt die Mauern dieses Gefäng­nisses ein­zu­reißen. Mein Muster wird zu einer sich immer wie­der­ho­lenden stumpf­sin­nigen Melodie.

Der Geist

ver­gleicht und urteilt: Dieses ver­glei­chende Urteilen – das sich immer nach der Ver­gan­genheit richtet – stumpft den Geist ab

schafft Wider­stände gegen Tat­sachen und hat eine große Trick­kiste parat: A:Die Tat­sache wird weg­ge­blendet, nicht zur Kenntnis genommen, es gibt sie einfach über­haupt nicht. B: Die Tat­sache wird (intel­lek­tuell) weg­er­klärt, indem schlüssig klin­gende Argu­mente gesucht und gefunden werden, warum alles ganz anders ist. C: Die Tat­sache wird gerecht­fertigt, indem sie positiv umge­deutet wird. Jede Stra­tegie der Tat­sachen-Fil­terung ist eine Wei­gerung, sich mit dem Schmerz der Rea­lität auseinanderzusetzen

Die grund­le­gende Erkenntnis, die tief als Wissen in mich ein­ge­graben werden muss heißt:

Die Wirk­lichkeit liegt nicht innerhalb meiner Denk­fä­higkeit. Die Wirk­lichkeit liegt nicht innerhalb meines Geistes – meine Geist­vo­lumens – meines Denkens!

Alles, was geschieht, was mit den Sinnen gesehen, gespürt und gefühlt wird, das wird gespei­chert und ist nicht mehr zu löschen – niemals mehr.

Es ent­steht meine Wirk­lichkeit, welche lediglich die Inter­pre­tation meiner Erleb­nisse ist – und die ich dann irr­tümlich für die Welt schlechthin halte.

Diese meine kleine, ein­ge­grenzte Wirk­lichkeit, mein per­sön­liches soziales Pro­gramm, ist eine winzige, indi­vi­duelle Wirk­lichkeit – gegenüber der unendlich großen Wirk­lichkeit, die außerhalb meines Geistes liegt und die ich niemals ins­gesamt erfahren kann.

Werde ich als Kind in ärm­lichen Ver­hält­nissen geboren, in welchen tat­säch­liche finan­zielle Not herrscht, wird meine Wirk­lichkeit kom­plett anders aus­sehen, wie als Kind von (viel­leicht „satten“, selbst­ge­fäl­ligen) Beamten. Bin ich gar in ein sehr wohl­ha­bendes Adels­ge­schlecht hin­ein­ge­boren, oder in eine reiche Kauf­manns­fa­milie, dann sehen die Wirk­lich­keiten wieder kom­plett anders aus.

Ich lebe in einem Segment der Wirk­lichkeit, die ich irr­tümlich für die Wirk­lichkeit an sich halte.

Was ich ver­stehen muss, will ich die Qua­li­täten meines Gehirns ver­stehen, wie es funk­tio­niert und was an ihm höchst pro­ble­ma­tisch ist:

Die Welt exis­tiert nicht in dem Sinne, dass sie objektiv vor­handen wäre. Sie ist lediglich ein Spiegel, in welchen ich schaue. Was mir dieser Spiegel als „Welt“ zeigt? Allein die Denk­pro­zesse des eigenen Geistes!

Die Frage aller Fragen, die ich gerne von Jiddu Krish­na­murti über­nehme: „Könnte ich die Wirk­lichkeit ent­decken, die außerhalb meiner eigenen, per­sön­lichen Erfahrung lieg?“

Jedes Problem, das mir im Leben begegnet, ent­steht innerhalb meines begrenzten Denk­ver­mögens – ist hier ein­ge­bettet. Diese Begrenzung lässt das Problem ent­stehen. Die Blindheit gegenüber der Ver­ur­sa­chungs­ebene, welche sich in der tat­säch­lichen Rea­lität befindet, lässt das Problem ent­stehen. Aus meiner Erfahrung heraus, in meiner Welt, kenne ich die Lösung nicht. Würde ich sie kennen, gäbe es kein Problem, wäre es nie ent­standen. Und das Leben besteht aus einer Anein­an­der­reihung von Pro­blemen – eines löst das andere ab.

Jede Pro­blem­lösung erzeugt ein neues Problem. Die scheinbare Lösung ist bereits das neue Problem – eine endlose Kette, ein Tappen im Dau­er­dunkel – in der eigenen Begrenztheit.

Gelingt es mir, die Wirk­lichkeit zu sehen, in welche das Problem ein­ge­bunden ist, in welcher das Problem ent­standen ist, löst sich das Problem sofort. Der eigene, beschränkte Geist ent­deckt die Wirk­lichkeit und inte­griert diese in seinen Speicher – es gibt kein Problem mehr.

So ist der Vers 64 im Tao Te King zu ver­stehen, in welchem Lao Tse schreibt:

„Man muss auf eine Sache ein­wirken, bevor sie entsteht.“

„Man muss eine Sache ordnen, bevor sie ver­wirrt ist.“

Die Ver­wi­cke­lungen, welche das Problem erzeugt hat, lösen sich auto­ma­tisch, wenn ich die Ebene der Wirk­lichkeit in meinen Geist inte­grieren kann. Das kann sehr schmerzlich sein, da ja die Wirk­lichkeit sofort mit dem Erkennen und Ver­stehen die Fäden der Bindung durch­schnitten hat. Diese können mir noch sehr lange Schmerzen bereiten, mir „links und rechts um die Ohren fliegen“. Viel­leicht muss ich meinen Partner, der mich seit Jahr und Tag betrogen hat, aus der Wohnung werfen – oder ich muss gehen, weil ich betrogen habe.

Ich kann aber bereits tief in mir die Freiheit von unge­sunder, abhän­giger Bindung spüren, selbst wenn um mich scheinbar das Chaos tobt.

Aber – das Problem „wickelt sich ab“. Das Karma löst sich auf, was sehr schnell gehen oder auch sehr lange dauern kann – aber so geht das unum­stöß­liche, Gesetz von Ursache und Wirkung seinen Weg, vom kleinen Men­schen nicht beeinflussbar.

Eines der grund­sätz­lichen Pro­bleme des Mensch­seins ist, dass es keinen vor­ge­zeich­neten Weg für mich gibt, der zu gehen wäre, und alles ist gut. Und es gibt kein Ziel für mich, das ich erreichen könnte, und alles ist gut.

Alle ange­bo­tenen Wege sind ent­weder Scheinwege oder solche, die andere vor mir gegangen sind – beide Arten sind wertlos. Es gibt keinen Weg, der zu gehen wäre außer dem Weg, den ich mir Schritt für Schritt selbst „ergehe“. Und ein Ziel? Ich meine ein end­gül­tiges, ulti­ma­tives Ziel, keine Etappe: Wer denkt oder behauptet, er kenne das Ziel oder er hätte es gar erreicht, der kann getrost als Vorbild abgehakt werden, denn dieser ist zumindest einem Irrtum erlegen – jeden­falls betrügt er sich selbst.

Weg und Ziel eines jeden, der nach Wahr­haf­tigkeit und Erkennen strebt, sind im großen uni­ver­sellen Speicher ein­ge­bettet. Mein Weg und mein Ziel sind natürlich vor­handen, aber umschlossen vom großen gött­lichen Geist, von welchem ich mich ja ein win­ziges Segment bin.

Die Selbst­werdung ist dann erreicht, wenn ich mich als Teil­nehmer all dessen was ist und was nicht ist fühlen kann. Wie dieser Zustand sein könnte, wie ich ihn erreichen könnte, das ist die Frage, der wir nach­gehen. Der Weg dorthin führt über die Heilung meines Geistes, über die Heilung meines Körpers zu jenem kos­mi­schen Ziel, das weder erkannt noch for­mu­liert werden kann; aber es ist – und ich bin Teil­nehmer – dies allein zählt.


Quelle: connectiv.events