Frechheit des Monats: Auto­kon­zerne wollen Staats­hilfen und trotzdem Divi­denden ausschütten

Die wirt­schaft­lichen Folgen von Corona spüren so ziemlich alle. Nun haben auch die deut­schen Auto­kon­zerne nach Staats­hilfe gerufen. Dabei aller­dings gehen sie mit geradezu unver­blümter Frechheit vor.

Staats­hilfen werden für viele Unter­nehmen uner­lässlich sein, um die wirt­schaft­lichen Folgen der Coro­na­krise zu über­leben. Das gilt besonders für den Mit­tel­stand und noch mehr für Fami­li­en­un­ter­nehmen. Die haben keine Lobby und sind gegenüber den großen Kon­zernen beim Kampf um För­der­gelder benach­teiligt. Umso wich­tiger ist es, dass die Gelder nur denen zu Gute kommen, die auch tat­sächlich in Exis­tenznot sind.

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Es gibt aber zwei Dinge, die nicht zusam­men­passen: Das sind Exis­tenznot und Divi­denden. Ent­weder ist ein Unter­nehmen in Exis­tenznot, dann macht es keine Gewinne, sondern exis­tenz­be­dro­hende Ver­luste. Oder aber es macht Gewinne und kann Divi­denden aus­schütten, dann kann aber von Exis­tenznot keine Rede sein.

Die Auto­kon­zerne in Deutschland haben nun eine Art „Abwrack­prämie 2.0“ gefordert. Zwar will man sich ein neues Wort dafür aus­denken, es ist die Rede von „Kauf­prämie“ oder „Impuls-Prämie“, aber das Prinzip ist das gleiche, wie sei­nerzeit bei der Abwrack­prämie: Der Staat soll den Kauf von Neu­wagen fördern, damit die Auto­kon­zerne mehr Umsatz machen.

Das wäre viel­leicht noch ver­nünftig, wenn die Auto­kon­zerne wirklich in Exis­tenznot wären. Dem ist aber offen­sichtlich nicht so, denn sie wollen trotz Staats­geldern wei­terhin Divi­denden aus­zahlen. So schlecht kann es ihnen also nicht gehen.

Aber natürlich finden die Kon­zerne „gute“ Gründe für ihr Anliegen, wie der Spiegel berichtet:

„Während Deutsch­lands größte Auto­kon­zerne nach Staatsgeld rufen, will die Branche aber nicht auf die Aus­schüttung von Divi­denden an Aktionäre ver­zichten. Dies wäre „sicher nicht der richtige Schritt“, sagte die Prä­si­dentin des Ver­bands der Auto­mo­bil­in­dustrie (VDA), Hil­degard Müller, im Deutsch­landfunk. Für die Firmen sei wichtig, die Aktionäre an Bord zu halten, etwa um sich vor Über­nahmen aus dem Ausland zu schützen.“

Das klingt nach einem über­zeu­genden Argument und da die Auto­mo­bil­in­dustrie für Deutschland als Arbeit­geber sehr wichtig ist, ist es wün­schenswert, dass die deut­schen Auto­kon­zerne auch in Deutschland bleiben. Blöd nur, dass das Argument nicht über­zeugend ist, wenn man es sich näher anschaut.

Das Problem bei der Abwrack­prämie und jeder Neu­auflage davon – egal, wie man sie nennt – ist fol­gendes: Die Prämie gilt für alle Neu­wagen und ein Großteil des deut­schen Steu­er­geldes würde an aus­län­dische Her­steller gehen. Es hätte also nicht viel mit der „Rettung“ deut­scher Firmen und deut­scher Arbeits­plätze zu tun.

Und auch die Frage der feind­lichen Über­nahme ist lösbar. Der Staat hat durchaus die Mög­lichkeit, die Über­nahme bestimmter Firmen durch aus­län­dische Geld­geber zu ver­bieten. Das wird auch getan, wenn eine Firma als stra­te­gisch wichtig für Deutschland gilt. Manch ein chi­ne­si­scher Über­nah­me­versuch wurde so ver­hindert. Der Staat könnte also in das Gesetz schreiben, dass die Abwrack­prämie 2.0 nur für deutsche (oder, wenn es rechtlich nicht anders geht, euro­päische) Her­steller gilt, die sich ver­pflichten, für eine bestimmte Zeit keine Divi­denden und Boni aus­zu­zahlen. Im Gegenzug könnte der deutsche Staat für diese Zeit Über­nahmen durch aus­län­dische Firmen gesetzlich aus­schließen. Rechtlich sollte das möglich sein, auch wenn es wett­be­werbs­recht­liche Ein­wände geben dürfte.

Aber wenn die deutsche Auto­mo­bil­in­dustrie staat­liche Hilfe fordert, die sie dann als Divi­dende an die Aktionäre aus­schütten will und diese staat­liche Hilfe auch noch zu einem Großteil aus­län­di­schen Firmen zu Gute kommen würde, dann ist das – diplo­ma­tisch aus­ge­drückt – frech. Vor allem auch gegenüber den Fami­li­en­be­trieben, die wirklich um ihre Existenz kämpfen und keine Lobby in Berlin haben.

Wir werden sehen, ob sich die Auto­kon­zerne mit ihrer Idee durch­setzen. Wenn ja, ist das ein wei­terer Beleg dafür, dass Deutschland von Lob­by­isten regiert wird.


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru

Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.