Ren­ten­ver­si­cherung: Trübe Aus­sichten durch Corona – Defizite, weniger Steuern, Kurz­arbeit, Arbeitslosigkeit

Die eh schon ange­schlagene, gesetz­liche Ren­ten­kasse hat seit „Corona“ ein wei­teres Problem bekommen. Das wundert keinen, denn wenn die Wirt­schaft auf Tal­fahrt geht, kann die Rente nicht unge­schoren bleiben. Die Renten-Titanic steuert durch den Lockdown auf einen Eisberg namens „mas­sives Finanzloch“ zu. Zurzeit ist es nur die Kurz­arbeit, die die Ein­künfte sinken lässt. Sollte noch eine deutlich höhere Arbeits­lo­sigkeit dazu­kommen – und das ist nach Meinung von Öko­nomen jetzt schon prak­tisch unaus­weichlich, werden die Rück­lagen der gesetz­lichen Ren­ten­kassen wahr­scheinlich bald auf­ge­braucht sein. Was dann?

Noch nie dage­wesene 10,1 Mil­lionen Arbeit­nehmer in Kurz­arbeit bedeuten für die Ren­ten­ver­si­cherung bereits jetzt schon, dass etwa ein Viertel der Bei­trags­zahler weniger Ren­ten­bei­träge ein­zahlen. Zwar zahlen auch Kurz­ar­beiter Bei­träge ein, aber eben wesentlich weniger. Noch gibt die Deutsche Ren­ten­ver­si­cherung sich opti­mis­tisch und froh­gemut. Das sehe sie nur als einen vor­über­ge­henden Ein­bruch an. Auch Bezieher vom Arbeits­lo­sengeld I zahlen Bei­träge in die Rente. Man schätze, dass das satte Finanz­polster von 40,5 Mil­li­arden Euro bis Ende des Jahres auf 36 Mil­li­arden Euro schrumpfen werde.

Vor­sich­ti­ger­weise möchte man sich aber auf eine Pro­gnose der wei­teren Ent­wicklung nicht ein­lassen. Diese Werte seien noch mit großen Unsi­cher­heiten behaftet und da könne sich noch viel ver­ändern. „Belastbare Vor­aus­be­rech­nungen über das Jahr 2020 hinaus sind zurzeit noch nicht möglich“, heißt es. Tat­sächlich wird die Deutsche Ren­ten­ver­si­cherung durch schwere See navi­gieren müssen, sind sich viele Öko­nomen einig.

Es ist ja nicht nur der rasante Anstieg der Kurz­arbeit, dessen Ende noch nicht absehbar ist. Der durch den Lockdown aus­ge­löste Wirt­schafts­ein­bruch wird aus sehr vielen Kurz­ar­beitern echte Arbeitslose machen, denn man kann das Aus­setzen der Anzei­ge­pflicht für Insolvenz nicht ewig wei­ter­laufen lassen. Die Stunde der Wahrheit muss kommen – und damit läutet das Toten­glöcklein für viele Unter­nehmen. Deren Mit­ar­beiter werden direkt in die Arbeits­lo­sigkeit fallen, denn „anderswo unter­kommen“ wäre zurzeit ein Lot­to­gewinn. Das allein wird die Bei­träge in die Ren­ten­kasse erheblich ein­brechen lassen.

Gleich­zeitig aber werden auf Beschluss der Bun­des­re­gierung die Renten zum 1. Juli erhöht werden: In den Neuen Bun­des­ländern um 4,2%, in den west­deut­schen Bun­des­ländern um 3,45%. Man muss kein Top-Wirt­schafts­wis­sen­schaftler sein, um zu begreifen, dass weniger Ein­nahmen bei mehr Aus­gaben zum Problem werden.

Was müsste der sauber wirt­schaf­tende Pri­vatmann oder die viel­zi­tierte schwä­bische Hausfrau tun? Ent­weder die Ein­nahmen erhöhen oder die Aus­gaben senken oder am besten beides. Das geht aber nicht.

Denn die Renten dürfen nicht gekürzt werden, das steht ehern fest. Die Bun­des­re­gierung hat sogar hoch und heilig ver­sprochen, dass die Renten, im Gegenteil, weiter steigen werden. Sie hat sogar aus­ge­schlossen, dass die geplanten Ren­ten­er­hö­hungen etwas in die Zukunft ver­schoben – also „gestreckt“ werden könnten, den so genannten „Nach­holfaktor“. Dieser bedeutet, dass die Renten zwar in einer Rezession, wie sie jetzt ansteht, nicht gekürzt werden dürfen, aber dass sie in den Jahren nach der Rezession deutlich lang­samer wieder steigen dürfen.

„In diesem Jahr“, so erklärt der Ren­ten­ex­perte Axel Börsch-Supan, „steigt die Rente wegen der guten wirt­schaft­lichen Ent­wicklung der Vor­jahre. Im nächsten Jahr müsste es in der zweiten Phase eigentlich umge­kehrt sein. Aber da wirkt die Ren­ten­ga­rantie, die Ren­ten­kür­zungen ver­hindert.“ Hier müsste in der dritten Stufe der Nach­holfaktor dafür sorgen, dass weitere Erhö­hungen für eine Weile aus­ge­setzt werden. Axel Börsch-Supan erklärt den dahin­ter­ste­henden Gedanken: „Die Rentner zahlen quasi den Kredit, der ihnen in einer Rezession gewährt wird, mit mehr­jäh­riger Ver­zö­gerung zurück.“

Aber auch da ist der Riegel vor­ge­schoben. Die Große Koalition hat diesen Nach­holfaktor bis zum Jahr 2025 auf Eis gelegt.

Bleibt eigentlich nur, die Ein­nahmen der Ren­ten­kassen zu erhöhen, also eine Erhöhung der Bei­trags­zah­lungen. Doch auch hier flattert rot-weißes Absperrband: Die Bun­des­re­gierung hat die Bei­trags­zah­lungen auf maximal 20 Prozent des Brut­to­lohnes des Ver­si­cherten gedeckelt:

„Dass der Bei­tragssatz der Ren­ten­ver­si­cherung die Grenze von 20 Prozent bis zum Jahr 2025 nicht über­schreitet, wurde bereits im Jahr 2019 gesetzlich fixiert. Das ‚Gesetz über Leis­tungs­ver­bes­serung und Sta­bi­li­sierung in der gesetz­lichen Ren­ten­ver­si­cherung‘ (RV-Leis­tungs­ver­bes­se­rungs- und ‑Sta­bi­li­sie­rungs­gesetz) sieht diese ‚Hal­te­linie‘  von 20 Prozent für den Ren­ten­ver­si­che­rungs­beitrag vor.“

Das bedeutet, dass der Steu­er­zahler ein­springen muss. Eine nahe­lie­gende Lösung, denn das wird ja schon seit Jahren so gehandhabt. 2018 bereits mussten 72 Mil­li­arden Euro aus dem Haushalt in die Ren­ten­ver­si­cherung gesteckt werden, um das System am Laufen zu halten. Die 40 Mil­li­arden Rück­lagen, auf die die Ren­ten­ver­si­cherung so gerne ver­weist, reichen da nicht weit. Fach­leute rechnen damit, dass bis 2022 schon zwi­schen 10 und 20 Mil­li­arden mehr Steu­er­gelder abge­zweigt und in die Ren­ten­kasse gesteckt werden müssen.

Dazu müssten aber auch ent­spre­chende Steuern bezahlt werden. Ange­sichts einer sehr ernsten Rezession dürfte das aber ein Problem werden, was der ein­fache Bürger mit dem Sprichwort vom „nackten Mann in die Tasche greifen wollen“ illus­triert wird.

Die jetzt ein­set­zende, scharfe Rezession wird die Steu­er­geld­quellen emp­findlich ver­hal­tener sprudeln lassen. Selbst die Über­brü­ckungs- und Hilfs­kredite werden da nicht viel helfen. Die Banken waren schon extrem zögerlich, die von der KfW zu 90% gedeckten Kredite zu bewil­ligen. Selbst mit der 100%-igen Garantie der Bun­des­re­gierung wurde die Bereit­schaft nur gering­fügig höher. Offen­sichtlich haben die Banken nicht einmal in die Zah­lungs­fä­higkeit der KfW und des Bundes besonders hohes Vertrauen.

Das System wird ent­weder zer­brö­ckeln, oder – was sehr viel wahr­schein­licher ist – man wird tat­sächlich die Ver­mö­gens­abgabe akti­vieren, über die ja schon intensiv nach­ge­dacht wird, wie ein Dokument aus dem Bun­destag belegt.

Eine ein­malige Ver­mö­gens­abgabe ist im Grund­gesetz auch tat­sächlich vor­ge­sehen: Artikel 106 Absatz 1 Nummer 5 des Grund­ge­setzes. Aller­dings gibt es Vor­aus­set­zungen, die dazu erfüllt sein müssen. Um das abzu­klären, hat der Wis­sen­schaft­liche Dienst der Bun­des­re­gierung und hier die Riege der Staats­rechtler, den Auftrag erhalten, die „Ver­fas­sungs­mä­ßigkeit einer Ver­mö­gens­abgabe zur Bekämpfung der wirt­schaft­lichen Folgen der Corona-Pan­demie“ zu prüfen.

Die Ver­fasser der Arbeit haben zwar hier und da Bedenken ange­meldet (ist eine ein­malige Aus­nah­me­si­tuation als Vor­aus­setzung zur Erhebung einer Ver­mö­gens­abgabe zwingend vor­ge­schrieben?), kommen aber letzt­endlich zu dem Schluss, dass eine Ver­mö­gens­abgabe zur Abfe­derung der Folgen von Covid-19 durchaus rechtens sein könnte. Es müsse aber sicher eine ein­malige Abgabe sein und könne nicht, quasi wie eine Steuer, in regel­mä­ßigen Zeit­in­ter­vallen vor­ge­nommen werden.

Damit scheint der Weg eigentlich schon vor­ge­zeichnet zu sein.

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