Schwedens gelas­sener Umgang mit Covid-19 zahlt sich aus

Erst hagelte es Kritik und nun lobt die WHO plötzlich Schwedens besonnene und gelassene Haltung gegenüber Covid-19. Es wurden sehr wohl Maß­nahmen ergriffen, um die Risi­ko­gruppen zu schützen. Die wurden auch sehr genau ein­ge­halten. Dennoch ließ Schweden seine Schulen und Sport­stätten, Geschäfte, Restau­rants und Cafés geöffnet.

Während fast alle anderen euro­päi­schen Länder in einem Lockdown das gesell­schaft­liche und wirt­schaft­liche Leben zum Erliegen brachten, was nun beginnt seine kata­stro­phalen Folgen zu zeigen, setzte Schweden auf Ver­ant­wor­tungs­be­wusstsein – und fuhr offen­sichtlich gut damit. Die Regierung hat die Bürger einfach auf­ge­klärt und auf­ge­fordert, eine Reihe von begrün­deten Richt­linien zu befolgen. Bei­spiels­weise sollte jeder, der sich krank fühlt, daheim bleiben.

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Doch anders, als in anderen Ländern wurde nicht gleich die Gesetzes- und Buß­geld­keule aus­ge­packt. Die Appelle ver­halten dennoch nicht ungehört. Die Schweden hielten sich dran und schränkten sich frei­willig dort ein, wo Infek­tionen über­tragen werden könnten, hielten freundlich Abstand und bewäl­tigten ihren Alltag. Die psy­chi­schen Pro­bleme der Iso­lation und der Zusam­men­bruch des Arbeits­marktes wurden vermieden.

Schwedens Stra­tegie erspart dem Land im Norden Europas sehr wahr­scheinlich die harte Rezession, die den „Lock­down­ländern“ noch bevor­steht. In Schweden werde das deutlich glimpf­licher ablaufen, als im Rest Europas, zitiert Bloomberg den Öko­nomen James Pomeroy von HSBC Global Research. Diese Ein­schätzung ist relativ neu.

Denn bis Ende April ver­suchten die anderen Euro­päi­schen Länder – bzw. deren Regie­rungen – noch auf­geregt, für Schweden eine sich wegen Leicht­fer­tigkeit und Schlam­perei der Regierung anbah­nende Kata­strophe her­bei­zu­reden. Der schwe­dische Son­derweg führe gera­dewegs vor die Wand und nun müsse eben doch ein besonders strenger Lockdown noch retten, was zu retten ist. Angeblich starben die Schweden wie die Fliegen, und die Pan­demie würde außer Kon­trolle geraten.

Doch am 19. April hatte die schwe­dische Regie­rungs­spitze genug davon und stellte sich den Kameras und Fragen der inter­na­tio­nalen Jour­na­listen. Man hatte ganz besonders aus­län­dische Jour­na­listen gebeten, zu der Pres­se­kon­ferenz zu kommen, denn die Regierung unter Premier Stefan Löfven wollte einiges zurecht­rücken. Es gebe, anders als im Ausland dar­ge­stellt, sehr wohl Ein­däm­mungs­maß­nahmen und Insti­tu­tionen, die wegen Covid-19 schließen. Aber es gebe keinen Zwang für die Bürger, zu Hause zu bleiben und keine Straf­ka­taloge. Ver­samm­lungen bis zu 50 Per­sonen blieben erlaubt, Fri­seur­be­suche waren die ganze Zeit über möglich, Geschäfte blieben geöffnet und man durfte nach Her­zenslust shoppen gehen. Das Ver­trauen auf die frei­willige Koope­ration habe sich aber gelohnt, so gut wie überall haben die Schweden den Abstand frei­willig gewahrt.

Gesund­heits­mi­nister Johan Carlson sagte: „Während andere Länder den so genannten Lockdown gewählt haben und nun einen Weg finden müssen, wie die Gesell­schaft wieder geöffnet wird, hat Schweden ein Modell, das über eine lange Zeit funk­tio­nieren kann. Wir können so bis 2022 leben, wenn wir müssen.“

Bisher wurde das Ganze mit einem „Jaaa, ABER…“ quit­tiert und dem düs­teren Verweis auf Schwedens angeblich immens hohe Todeszahlen.

Seit dem ersten Mai­wo­chende zeigt sich aber, dass Schweden offenbar den Höhe­punkt der Coro­na­krise hinter sich gebracht hat, und die Repro­duk­ti­onszahl nun auch dort schon seit dem 10. April stabil bei 1 lag und seit den letzten Tagen sogar dar­unter, will sagen, jeder Infi­zierte steckt nun weniger als einen Gesunden an. Das bedeutet, dass die Infektion abebbt und ver­schwinden wird. Die Neu­in­fek­tionen gehen nun täglich weiter zurück.

In der Tat liegt die Rate an Coro­na­toten deutlich höher als in Deutschland, das aller­dings eine extrem niedrige Todesrate auf­weist, ande­rer­seits aber erheblich nied­riger, als in Spanien und Italien, in denen es Aus­gangs­sperren und jede Menge Verbote gab.

Die Deut­schen Wirt­schafts­nach­richten schreiben: 

„Zwar sind die Todes­zahlen ver­schie­dener Länder auf­grund abwei­chender Stan­dards bei der Zählung nicht wirklich ver­gleichbar. Doch Stand Sonntag hat Schweden 1.540 Todes­fälle in Ver­bindung mit Covid-19 gemeldet. Hoch­ge­rechnet auf die Bevöl­ke­rungs­zahlen ist das deutlich mehr als in Deutschland und als im übrigen Skan­di­navien. Es ist aber viel weniger als etwa in Italien, Spanien und Groß­bri­tannien.“ 

Und noch einen Umstand gibt man in Schweden zu bedenken. Anders Tegnell, der „schwe­dische Christian Drosten“, der der Architekt der relativ ent­spannten Reaktion Schwedens auf Covid-19 ist, sagte:

„‘Nor­wegen und Dänemark sind jetzt sehr besorgt, wie man diesen voll­stän­digen Lock-Down beenden kann, ohne dass diese Welle sofort ein­setzt, wenn die Lockerung beginnt‘. Die Behörden wüssten, dass die Maß­nahmen in Schweden funk­tio­nieren, da man als Neben­effekt auch ein plötz­liches Ende der Grip­pe­saison ver­zeichnet hat.“ 

Was hier durch­schimmert ist, dass diese „Zweite Welle“, vor der unsere Poli­tiker bereits ein­dringlich warnen, nicht trotz, sondern wegen des harten Lock­downs kommen könnte. Dennoch behält sich Bun­des­kanz­lerin Merkel vor, einen neuen, noch bru­ta­leren Lockdown zu ver­ordnen. Noch mehr vom fal­schen Gegen­mittel? Da kann man nur der neuen Ein­schätzung der WHO bei­stimmen: Von den Schweden zu lernen.

Erstaun­li­cher­weise gibt es nämlich jetzt aus­ge­rechnet von der WHO, die sich während der Pan­demie eher als Panik­schürer betä­tigte, Lob für Schweden. Der Exe­ku­tiv­di­rektor der WHO, Mike Ryan – genau der Mike Ryan, der ver­kündete, man müsse erkrankte Fami­li­en­mit­glieder auch zur Not mit Staats­gewalt  aus den Familien und Häusern holen(!), spricht plötzlich davon, dass man von den Kol­legen in Schweden lernen könne, wie es möglich sei, zu einer Gesell­schaft ohne Lockdown zurückzukehren.