Chef der EZB-Ban­ken­auf­sicht warnt vor noch schwe­reren Krise als 2008 – und fordert große EU-Bankenfusionen

Der bom­bas­tische Glasturm der EZB in Frankfurt erscheint wie ein Mene­tekel des Finanz­systems. Nur wenige Fenster des Molochs sind noch erleuchtet, sobald es dämmert. Die roten Flug­verkehr-Warn­lampen an den Gebäu­de­kanten sind oft fast der einzige Lichterschmuck. Nicht nur optisch erscheint die EZB ein rie­siges Mahnmal für die Kon­se­quenzen der Coro­na­pan­demie zu sein. Auch der Chef der EZB-Ban­ken­auf­sicht, Andrea Enria, zeichnete in einem Interview mit dem Han­dels­blatt ein düs­teres Sze­nario. Seine Lösung: Bankenfusionen.

Die Zer­be­russe der EZB haben einmal wieder eine Simu­lation gemacht, was die Belas­tungen der Covid-19 Pan­demie für die euro­päi­schen Banken bedeuten könnten. Das Ergebnis war besorg­nis­er­regend. Im „Worst Case“ könnte der Bestand an unein­bring­baren Kre­diten bis zu 1,4 Bil­lionen anschwellen und damit deutlich über dem liegen, was in der Welt­fi­nanz­krise 2008 schon Banken zu Fall brachte und das Welt­fi­nanz­system um Haa­res­breite pul­ve­ri­siert hätte. Es sei „noch zu früh, um dieses Extrem­sze­nario aus­zu­schließen“, rela­ti­viert Herr Enria gekonnt vage.

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Wer seine Äuße­rungen in dem Interview genauer liest und die Zwi­schentöne in ihrer Gesamtheit betrachtet, stellt fest, dass er im Prinzip der Öffent­lichkeit wesentlich mehr mit­teilt, als dass die Banken durch faule Kredite in eine Krise schlittern. Das ist ja im Übrigen kei­neswegs unbekannt.

Die wahre Nach­richt lautet: Das euro­päische Ban­ken­system soll unter der Flagge Covid-19 ent­na­tio­na­li­siert werden, glo­ba­li­siert werden und restruk­tu­riert werden. Herr Enria spricht das auch ganz offen aus und stuft diese Ent­wicklung als gut und eine erstre­bens­werte, zukunfts­trächtige Lösung ein. Die Pan­demie beschleunige nur die Kon­so­li­dierung der Banken in Europa und löst quasi die seit 2008 durch­ge­schleppten Pro­bleme mit einem großen, euro­päi­schen Wurf:

 „Wenn man stärkere Banken will, die den euro­päi­schen Pri­vat­haus­halten und Unter­nehmen besser dienen, muss man größer denken.“

Aha. Als Nicht-Experte im Ban­ken­wesen, aber auf­merk­samer und vor­ur­teils­freier Beob­achter, kann man aber nicht umhin fest­zu­stellen, dass seit Jahr­zehnten das Mantra des „grö­ßeren, glo­balen, Denkens“ gebetet wird, das wahre Leben aber zeigt, dass dadurch zwar erst die Gewinne der „Großen“ auf Kosten der Men­schen noch größer werden, bei den üblichen Pro­blemen und Rei­bungs­wi­der­ständen solcher über­dehnter Struk­turen aber das „too big to fail“ (zu groß und sys­tem­re­levant, um scheitern zu dürfen) ein­setzt und der destruktive Moloch wieder auf dem Rücken der Steu­er­zahler durch­ge­schleppt werden muss, bis nichts mehr geht.

Dieses Phä­nomen ist anscheinend so eine Art Natur­gesetz und immer wieder in der Geschichte zu beob­achten. Große Reiche, Geld­systeme, Imperien oder Bünd­nisse haben die Tendenz dazu, nur eine Weile positive Effekte für die Teil­nehmer zu erzeugen, und dann wegen Über­dehnung, Aus­zehrung und inneren Bruch­stellen zu scheitern. Die Menge der Sys­tem­fehler addiert sich viel länger und destruk­tiver als in klei­neren, beweg­li­cheren Ein­heiten, die leichter refor­miert oder eben auf­ge­geben werden können, ohne dass es deshalb zu Zusam­men­brüchen kommt.

Bei­spiele sind das römische Imperium, das baby­lo­nische Groß­reich, das per­sische Groß­reich, das ägyp­tische Groß­reich, der War­schauer Pakt, der Dol­lar­system als Welt­leit­währung, der Kolo­nia­lismus und wir sehen das­selbe zur Zeit bei der NATO. Das Ende solcher Mega­struk­turen ist leider immer mit mehr oder weniger gewalt­samem Zer­brechen, Nie­dergang und Ver­wüs­tungen verbunden.

Wenn wir also Herrn Enrias Aus­sagen in dem Interview im Han­dels­blatt lesen:

  • In einem Extrem­sze­nario mit einer zweiten Welle von Infek­tionen und Ein­däm­mungs­maß­nahmen könnte es laut unseren Berech­nungen faule Kredite im Umfang von 1,4 Bil­lionen Euro geben. Das ist mehr als nach der letzten Finanz­krise. Und es ist noch zu früh, um dieses Extrem­sze­nario aus­zu­schließen. Das hätte wesent­liche Folgen für die Kapi­tal­po­si­tionen der Banken.
  • Diese Krise wird zu struk­tu­rellen Ände­rungen führen und unsere Volks­wirt­schaften trans­for­mieren. In bestimmten Branchen wird die Wirt­schafts­leistung nicht mehr das Niveau erreichen, das sie vor dem Abschwung hatte.
  • Es spricht meiner Ein­schätzung nach vieles für eine euro­päische Initiative. Aber auch ein Netzwerk aus natio­nalen Ver­mö­gens­ver­wal­tungs­ge­sell­schaften kann gut funktionieren.
  • Die Restruk­tu­rierung (Anm. d. Autors: nach 2008) lag unglück­li­cher­weise allein in der Hand der Mit­glied­staaten. Wenn es in der Folge zu einer Kon­so­li­dierung kam, dann nur auf natio­naler Ebene. Das war ein Fehler. Diesmal sollte eine Restruk­tu­rierung euro­päi­schen Prin­zipien folgen und zu einer stär­keren Inte­gration des euro­päi­schen Markts führen.
  • Ich würde es begrüßen, wenn irgendwann auch die Diver­si­fi­kation von Ein­nah­me­quellen und Risiken eine Rolle spielten. Das lässt sich dann am ehesten mit grenz­über­schrei­tenden Fusionen erreichen. Das würde Banken sta­biler machen.
  • Es gibt einige Hürden, die dazu vom Gesetz­geber beseitigt werden müssten. Sie machen es einer pan­eu­ro­päi­schen Bank sehr schwer, Kapital und Liqui­dität unge­hindert zu bewegen.
  • Ich bin mir bewusst, dass ein­zelne Länder ohne ein euro­päi­sches Ein­la­gen­si­che­rungs­system Kapital und Liqui­dität lieber auf natio­naler Ebene belassen, um die hei­mi­schen Sparer zu schützen. Deshalb ist ein euro­päi­sches Ein­la­gen­si­che­rungs­system so wichtig.
  • Ein feh­lendes Ein­la­gen­si­che­rungs­system wäre ein Grund mehr, bei natio­nalen Fusionen zu bleiben.
  • Fort­schritte bei der Inte­gration des euro­päi­schen Ban­ken­sektors können und sollten höchste Prio­rität haben.
  • Wenn man stärkere Banken will, die den euro­päi­schen Pri­vat­haus­halten und Unter­nehmen besser dienen, muss man aber größer denken.

Damit ist klar, wohin die Reise geht. Die (noch bestehenden) Natio­nal­staaten sollen in den Ein­la­gentopf ein­zahlen, was dazu führen wird, dass jeder so wenig und spät wie möglich ein­zahlen möchte, und als erster laut „Insolvenz!“ schreit, um Gelder aus dem Topf abzu­ziehen. Was die Lebens­dauer des gesamten Systems ein­schränkt. Den Letzten beißen die Hunde und wir wissen, wer das sein wird: Die Bürger.

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