China pul­ve­ri­siert seine Finanzmärkte

Anleger in Hongkong haben diese Woche mehr als 250 Mil­li­arden Dollar aus chi­ne­si­schen Tech­no­lo­gie­aktien abge­zogen. Besonders hart getroffen waren die Alibaba Group, JD.com, Tencent und Meituan Dianping.

(von Gordon G. Chang)

Die Flucht folgte auf die ver­blüf­fende Ver­schiebung des wohl größten Bör­sen­gangs der Geschichte. Ant Group Co., Ltd., eine Toch­ter­ge­sell­schaft der Alibaba Group, hatte mittels Mehr­zu­tei­lungs­option geplant, 39,5 Mil­li­arden Dollar zu akquirieren.

Die Inves­toren bewer­teten das sechs Jahre alte Unter­nehmen mit 359 Mil­li­arden Dollar, womit es mehr wert war als das in den USA ansässige Ungetüm J.P. Morgan und die nach Ver­mö­gens­werten größte Bank der Welt, die staatlich unter­stützte Indus­trial and Com­mercial Bank of China.

Am 3. November gaben Schanghais Nasdaq-ähn­licher STAR-Markt und die Hong­konger Börse etwa 36 Stunden vor der geplanten Auf­nahme des Handels in Hongkong die Aus­setzung bekannt. Diese bei­spiellos Aktion scho­ckierte inlän­dische und inter­na­tionale Investoren.

Das jetzt akzep­tierte Nar­rativ besagt, dass Ma Yun, die trei­bende Kraft hinter Ant, die chi­ne­si­schen Regu­lie­rungs­be­hörden in einer Rede in Schanghai ver­ärgert hatte. Eine andere oft gehörte Erklärung war, dass Chinas schwer­fällige staat­liche Banken, die von der nur leicht regu­lierten Ant bedroht wurden, Ver­geltung übten. Andere meinen, dass die Regu­lie­rungs­be­hörde in Panik geriet, als sie fest­stellte, dass Ant zu einem Riesen geworden war.

Auf jeden Fall hat Peking durch die Anordnung der Sus­pen­dierung im letzten Moment Zweifel an der Soli­dität der chi­ne­si­schen Akti­en­märkte und ganz all­gemein an der lang­fris­tigen Lebens­fä­higkeit des Pri­vat­sektors des Landes aufgeworfen.

Was war geschehen? Es gibt Berichte, dass der chi­ne­sische Herr­scher Xi Jinping per­sönlich die Ent­scheidung getroffen hat, das Ant-Offering auszusetzen.

China ist nicht groß genug für zwei große Per­sön­lich­keiten. Xi baut einen Per­so­nenkult auf, ebenso wie Ma Yun, der in der inter­na­tio­nalen Finanz- und Geschäftswelt besser als Jack Ma bekannt ist. Ma hat die Alibaba Group auf­gebaut, die an der New Yorker Börse notierte Online-Ver­kaufs­plattform, und er kann vor allem vor einem ein­hei­mi­schen Publikum so tun – und sich buch­stäblich ver­kleiden – als ob er ein Rockstar wäre.

Am 24. Oktober beschul­digte Ma auf dem Bund-Gipfel in Schanghai die chi­ne­si­schen Banken in aller Öffent­lichkeit, eine “Pfandhaus-Men­ta­lität” zu haben, eine Anspielung auf ihre auf Sicher­heiten basie­rende Kre­dit­vergabe. Er sagte auch, dass Ant Reformen vor­an­treiben und Kre­dit­ver­gaben an kleine Unter­nehmen starten würde.

Ma hatte sogar für die chi­ne­sische Zen­tralbank und die Ban­ken­auf­sichts­be­hörden des Landes aus­ge­wählte Worte. “Wir können einen Flug­hafen nicht so ver­walten, wie wir einen Bahnhof ver­walten, noch können wir die Zukunft so managen, wie wir Gestern gemanagt haben”, sagte er.

Die South China Morning Post in Hongkong nannte die Rede “mit­reißend”, aber für Peking waren Mas Kom­mentare kämp­fe­rische Worte. Ant hat sich in den letzten Jahren zu einem Kre­dit­geber und Kre­dit­ver­mittler gewandelt, der weit über das ursprüng­liche Geschäft seiner Alipay-Einheit als mobile Zah­lungs­plattform hinausgeht.

Das Kre­dit­vo­lumen von Ant wuchs schnell, weil das Unter­nehmen weit­gehend unre­gu­liert war. Die Gebühren, die die Banken an ihre Cre­ditTech-Einheit zahlten, wuchsen in den ersten sechs Monaten dieses Jahres um 59%. Diese Gebühren machten 39% des Gesamt­um­satzes von Ant in diesem Zeitraum aus und stellten das größte Segment ihres Geschäfts dar, das sogar die Ein­nahmen aus ihrer mobilen Zah­lungs­plattform übertraf. Wie die Financial Times betonte, “war das schnelle Wachstum ihres Kre­dit­ge­schäfts ein wich­tiges Ver­kaufs­ar­gument für Investoren”.

Die Zen­tralbank – und die Kom­mu­nis­tische Partei selbst – geht auf allen Fronten auf Ant los. Es ist klar, dass das Kre­dit­ge­schäft von Ant in Zukunft stärker regu­liert werden wird. Am 2. November ver­öf­fent­lichten die People’s Bank of China und die chi­ne­sische Banken- und Ver­si­che­rungs­auf­sichts­kom­mission Ver­ord­nungs­ent­würfe zur Beschränkung der Online-Kre­dit­vergabe, und Chinas Staat­liche Ver­waltung für Markt­re­gu­lierung ver­öf­fent­lichte am 10. November einen Entwurf für Anti­mo­nopol-Richt­linien für Internet-Geschäfte. Darüber hinaus wird die neue digitale Währung der Zen­tralbank, die jetzt in Pro­be­läufen im Umlauf ist und bald lan­desweit ein­ge­führt werden soll, Alipay und andere mobile Zah­lungs­an­wen­dungen unterbieten.

Omi­nö­ser­weise glauben Beob­achter, dass das Regime auch gegen Ma selbst vorgeht. Wie Chen Zhiwu von der Uni­ver­sität Hongkong gegenüber der Financial Times sagte: “Die Bot­schaft lautet, dass kein großer pri­vater Geschäftsmann auf dem Festland tole­riert wird.”

Xi Jinping tole­riert nie­manden, aber nicht alle Gründe für die Aus­setzung der Bör­sen­no­tierung sind unbe­dingt ver­dächtig. Die Schang­haier Börse wies auf “wichtige Pro­bleme” hin, dar­unter die mög­liche Nicht­er­füllung der “Bedin­gungen für die Notierung oder die Offen­legung von Informationen”.

Ana­lysten glauben, dass sich der Hinweis auf unzu­rei­chende Offen­le­gungen auf die neuen Vor­schriften bezieht, die zur Kon­trolle von Ant erlassen werden sollen, doch könnten sie sich auch auf ernstere Pro­bleme beziehen. Jack Ma ist schließlich beschuldigt worden, sich wie ein Pirat zu ver­halten – zum Bei­spiel Yahoo! von seinem Enga­gement in Alipay her­aus­zu­lösen. Man könnte dies auch so aus­drücken, dass Ant durch unzu­rei­chende Offen­legung ver­sucht haben könnte, die inves­tie­rende Öffent­lichkeit auf diese Weise rasch über den Tisch zu ziehen.

Ange­sichts der Unsi­cherheit betreffend den Umfang der Last-Minute-Regelung war der Bör­sengang sicherlich zu hoch bewertet. Einige glauben, dass die Regu­lie­rungs­be­hörden gehandelt haben, um die Anleger vor einem plötz­lichen Absturz nach dem Bör­sengang zu schützen.

Die meisten Ana­lysten glauben, dass sich der Bör­sengang um “Monate” ver­zögern wird, wie die South China Morning Post meinte, und andere glauben, dass die Ver­schiebung ein halbes Jahr dauern wird.

Die Ver­zö­gerung wird Kon­se­quenzen haben. Die neuen Regeln Pekings werden dazu führen, dass Ant viel­leicht “weniger als die Hälfte von dem auf­bringen wird, was es jetzt ist”, wie ein Fonds­ma­nager in Schanghai der FT sagte.

Natürlich hätten Ant und die Regu­lie­rungs­be­hörden lange vor diesem Monat Mei­nungs­ver­schie­den­heiten aus­räumen müssen. Dass sie dies nicht getan haben, ist Aus­druck eines poli­ti­schen Systems, das unter Xi Jinping lau­nisch und unbe­re­chenbar gehandelt hat und sich in die falsche Richtung bewegte, um mehr Kon­trolle über die Märkte zu erlangen. Xi ver­langt abso­luten Gehorsam, etwas, was mit einem modernen Finanz­system unver­einbar ist.

Die Lehre daraus ist, dass Chinas Kom­mu­nismus und Moder­nität sich nicht mischen.

China hat diese Monat eine grosse Ameise (Ant) zer­quetscht, seine Märkte pul­ve­ri­siert und einmal mehr die wesent­liche Natur seines poli­ti­schen Systems offenbart.

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Gordon G. Chang ist der Autor von The Coming Col­lapse of China (“Der bevor­ste­hende Zusam­men­bruch Chinas”), ein Distin­gu­ished Senior Fellow des Gatestone-Instituts und Mit­glied seines Beirats.


Quelle: gatestoneinstitute.org