Fürst Metternich zu Haldenwang, Bildcollage

Gesin­nungs­schnüf­felei und staatlich befoh­lenes Denun­zi­an­tentum im Ver­fas­sungs­schutz unter Haldenwang

Jeder Ver­fas­sungs­schützer muss einen Eid auf das Grund­gesetz abgeben. Das genügte bisher. Aber unter dem neuen Prä­si­denten des Bun­des­amtes für Ver­fas­sungs­schutz ändern sich die Dinge rasant – und zwar nicht zum Bes­seren, wie die Ver­fas­sungs­schützer finden. Sie sollen zur neuen, Metternich‘schen Geheim­po­lizei aus­ge­bildet werden. Im Netz macht schon das Wort vom neuen „Mielke“ die Runde. Tat­sächlich scheint unser einst frei­heitlich-demo­kra­ti­scher Staat immer schneller in „DDR 2.0“ abzu­gleiten. 

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Im 19. Jahr­hundert ließ der gute Kaiser Franz seinem Staats­kanzler Klemens von Met­ternich freie Hand in der Restau­ration der poli­ti­schen Ver­hält­nisse in Europa. Von Met­ternich ver­folgte gna­denlos jeden Anders­den­kenden, seine Schnüffler der Geheim­po­lizei waren gefürchtet. Sein Motto: „Wir müssen den Reak­tionär als guten Men­schen sehen“ und alles Liberale war des Teufels und musste aus­ge­merzt werden. Es wurde ver­haftet und ein­ge­kerkert nach Belieben.

Die Demons­tranten, die auf den Kund­ge­bungen gegen die Corona-Maß­nahmen das Lied „Die Gedanken sind frei“ sangen, wissen gar nicht, dass das Lied als Wider­standslied unter der Knute der Zen­sur­maß­nahmen und Ver­haf­tungen der Karls­bader Beschlüsse 1819 populär wurde und gegen das „System Met­ternich“ gerichtet war.

Wiki­pedia schreibt:

„Vor allem seine poli­ti­schen Gegner, denen Met­ternich als alles domi­nie­rende Figur erschien, die quasi im Alleingang die Richtung der euro­päi­schen Politik bestimmte, prägten den Begriff Metternich’sches System, der bis heute als Inbe­griff von Ver­folgung und Unter­drü­ckung von Demo­kratie, Presse‑, Mei­nungs- und Ver­samm­lungs­freiheit gilt. Die Beschlüsse beinhal­teten vor allem Maß­nahmen gegen liberale und nationale Ten­denzen in der Bevöl­kerung (vor allem Stu­denten und Lehrer der höheren Bil­dungs­gänge) und die Straf­ver­folgung bekannter Libe­raler als soge­nannte Dem­agogen. So wurde zum Bei­spiel Friedrich Ludwig Jahn (‚Turn­vater Jahn‘) 1819 wegen des Auf­rufes zur natio­nalen Erhebung ohne Prozess fünf Jahre lang inhaftiert.

Pro­fes­soren, welche liberale Lehren ver­traten, wurden vom Dienst sus­pen­diert und durften im ganzen Deut­schen Bund keine neue Stelle ergreifen. Eine weitere Folge der Karls­bader Beschlüsse war die Zensur der Presse in allen Mit­glied­staaten des Deut­schen Bundes.“

Sehr bekannt aus dieser Zeit auch die Kari­katur „Der Denker-Club“, ein Schelm, wem die Masken in dem Bild irgendwie bekannt vor­kommen sollten:

Da sind wir heute wieder und es gibt noch einen drauf: Außerhalb und innerhalb des Ver­fas­sungs­schutzes sollen sich die Mit­ar­beiter gegen­seitig und ihre Freunde und Ver­wandten im pri­vaten Raum bespitzeln.

Dafür gibt es jetzt beim Ver­fas­sungs­schutz besondere Schu­lungen, die die Mit­ar­beiter für „Extre­mismus im öffent­lichen Dienst sen­si­bi­li­sieren“ sollen. Mit Abschluss­prüfung, für die man eine Urkunde bekommt, wenn man sie bestanden hat.

Diese Prüfung stößt innerhalb des Ver­fas­sungs­schutzes auf äußerstes Befremden. Wie ein ver­dienter Alt­ge­dienter unter Pseudonym dem „Focus“ anver­traute, wird die ganze Ver­an­staltung als Anleitung zur „reinen Gesin­nungs­schnüf­felei“ empfunden.

Der Focus-Informant gelte in deut­schen Sicher­heits­be­hörden als Spe­zialist in Sachen gefähr­licher Extre­misten. Er hatte es mit den richtig harten Typen und poten­ti­ellen und fak­ti­schen Selbstmord-Atten­tätern zu tun und ist einer der erfah­rensten Ermittler. Das, was ihn bei dieser Schulung erwartete, ver­grätzte ihn offenbar nach­haltig, so dass er den Schritt an die Presse und Öffent­lichkeit machte.

Die neue Linie unter Prä­sident Hal­denwang ist pri­mi­tivstes Denun­zi­an­tentum und Aus­horchen von Kol­legen und pri­vatem Umfeld in bester Stasi-Manier. Die Ver­fas­sungs­schützer sollen sich mit — so wörtlich – „kin­di­schen Schnüf­fel­fragen“ befassen. Eine davon: „Sie sind auf einer Party ein­ge­laden. Sie bekommen mit, dass der Gast­geber frem­den­feind­liche Witze macht. Wie reagieren Sie?“ Dreimal dürfen Sie raten, ob die Antwort „Ich lache mit!“ die richtige ist.

Freie Antwort gibt es nicht, die Prüf­linge können nur vor­ge­gebene Ant­worten ankreuzen. Und nur, wer min­destens 80 Prozent der Fragen richtig beant­wortet, besteht die Prüfung und erhält eine Urkunde. Wetten, dass die meisten dieser Urkunden ver­schämt in der Schublade verschwinden?

Ganze Abschnitte sind dem Ermitteln von Fehl­ver­halten und fal­scher Gesinnung der eigenen Kol­legen gewidmet, ein­schließlich der Frage an den Prüfling, ob er solches auch melden werde. Das ist wirklich frap­pierend. Die BfV-Kol­legen sollen sich unter­ein­ander aus­spio­nieren und ver­petzen! Und wehe, sie wären nicht bereit dazu! Das ist wirklich unglaublich.

Herr Prä­sident Hal­denwang hatte schon vor einem Jahr die BfV-Kol­legen auf­ge­fordert, even­tuelle AfD-Wähler im Kol­le­gen­kreis beim internen Sicher­heits­re­ferat zu melden. Es gibt keinen Zweifel, dass Prä­sident Hal­denwang alles dar­an­setzt, eine Säu­be­rungs­aktion im Ver­fas­sungs­schutz durch­zu­ziehen. Und mit der umstrit­tenen Schulung wird er es nicht bewenden lassen. Hal­denwang kün­digte bereits ein per­ma­nentes Prü­fungs­pro­gramm für alle Mit­ar­beiter an und zwar „von der Ein­stellung bis zum Ruhestand“.

Die Folge einer solchen Politik: Zuerst werden die, die mensch­lichen Anstand haben, sich unter­ein­ander ver­stän­digen, dass das nicht in Frage kommt. Und wer die Betriebs­petzen sind, das weiß mit Sicherheit sowieso schon jeder. Denen gegenüber wird man die Schotten luft­dicht machen. Die Atmo­sphäre in der Behörde wird zum Schneiden sein und ein­ge­schworene Bünd­nisse her­vor­bringen, wie das in solchen Ver­hält­nissen immer pas­siert. Die­je­nigen, die in ihrem Fach und ihrer Arbeit gut sind, werden abwandern. Die Älteren werden Dienst nach Vor­schrift machen, bei den Schu­lungen die gewünschten Ant­worten liefern, ansonsten in der Behörde nichts sehen und nichts hören und bei der ersten Gele­genheit in den Ruhe­stand wechseln. Die meisten Mit­ar­beiter werden ver­suchen, sich da raus­zu­halten und einen anderen Job zu finden oder sich blind, taub und stumm stellen. Neue Kol­legen dürften Man­gelware werden und schnell wieder gehen, wenn sie mensch­lichen Anstand besitzen. Nur die Waden­beißer und Petzen fühlen sich in so einem Umfeld noch wohl – werden aber irgendwann nur noch unter sich sein und sich gegen­seitig bespitzeln erpressen und melden. Dann haben sie sich gegen­seitig auch voll verdient.

Oder die Mit­ar­beiter des BfV wehren sich gemeinsam gegen diese repressive Politik im Haus und Herr Hal­denwang muss seinen Hut nehmen.