Ber­liner Mie­ten­deckel von Karlsruhe gekippt – Mieter und Stadt in Not

Lange hat es gedauert, aber nun liegt das Urteil vor. Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat in seinem Urteil den Ber­liner Mie­ten­deckel für ver­fas­sungs­widrig erklärt. Da der Bund 2015 schon eine Miet­preis­bremse beschlossen hatte, könne Berlin nicht ein eigenes Lan­des­gesetz beschließen. Die Gesetz­ge­bungs­be­fugnis liege hier aus­schließlich beim Bund, für eigene Lan­des­ge­setze sei deshalb kein Raum. 

Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat am Don­nerstag, den 15. April 2021, ent­schieden, dass das Gesetz zur Mie­ten­be­grenzung im Woh­nungs­wesen in Berlin (Mie­tenWoG Bln, sog. „Ber­liner Mie­ten­deckel“) ver­fas­sungs­widrig ist (Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt, Beschluss v. 15. April 2021 – 2 BvF 1/20 – 2 BvL 4/20 – 2 BvL 5/20). 284 Bun­des­tags­ab­ge­ord­neten der Union und der FDP und zwei Ber­liner Zivil­ge­richte hatten geklagt und Karlsruhe um Klärung gebeten.

Die bun­des­weite „Miet­preis­bremse“ (Gesetz zur Dämpfung des Miet­an­stiegs) sollte den Exodus der finan­ziell schwä­cheren Mieter aus den Städten ver­hindern, indem ein allzu schneller Miet­preis­an­stieg ver­hindert wird. Luxus­sa­nie­rungen und Wohn­raum­knappheit trieben die Miet­preise in immer höhere Sphären. Mit der „Bremse“ sollten Preis­sprünge von teil­weise bis zu 40 Prozent unmöglich gemacht werden. Konnte vorher ein Ver­mieter fast den Miet­preis nach Marktlage, Nach­frage und Angebot fest­legen und bekommen, sofern er einen zah­lungs­wil­ligen Mieter fand, darf er seit der Miet­preis­bremse bei Wie­der­ver­mietung einer Bestands­wohnung in solchen Regionen, die als „ange­spannter Woh­nungs­markt“ gelten, nur eine Miete fordern, die nicht höher liegt als die orts­üb­liche Miete plus 10 Prozent. Bestehende Ver­träge bleiben bestehen und dürfen auch nicht zum Zweck der Miet­erhöhung gekündigt werden.

Der Ber­liner Mie­ten­deckel sollte den rasanten Anstieg der Miet­preise in der Bun­des­haupt­stadt beschneiden. In bereits bestehenden Miet­ver­trägen musste die Miete für Woh­nungen, die vor 2014 gebaut worden sind, auf dem Stand der Miete des Stich­tages 18. Juni 2019 für fünf Jahre „ein­ge­froren“ oder gemindert werden. Auch bei Neu­ver­mie­tungen darf keine höhere Miete, als die auf den Stand vom 18. Juni 2019 fest­ge­legte, ver­langt werden. Unter bestimmten Bedin­gungen können Mieter in Berlin sogar eine Absenkung der Mieten ver­langen. Seit November 2020 mussten Ver­mieter Mieten, die mehr als 20 Prozent über der im Mie­ten­deckel bestimmten Grenzen lagen, absenken. Für Ver­stöße wurden Buß­gelder bis zu EUR 500.000 bestimmt.

1,5 Mil­lionen Woh­nungs­mieten wurden auf diese Weise von der rot-rot-grünen Regierung Berlins ein­ge­froren. Das betrifft laut Tages­schau neun von zehn Mietwohnungen.

Das Urteil aus Karlsruhe ist ein Schock für viele Mieter. Jetzt droht Nach­zahlung – und über die Jahre läppert sich da einiges zusammen. Für viele Ber­liner Mieter ist das nicht zu stemmen. Der Ber­liner Senat will ermittelt haben, dass grob 40.000 Mieter die Nach­zahlung gar nicht leisten können. Statt dass die Miete – wie geplant —  noch weiter abge­senkt wird, schlägt die Nach­zah­lungs­bombe ein. Eine Katastrophe.

Denn nur wenige Mieter haben sich ein Polster ange­spart, falls der Mie­ten­deckel gerichtlich wieder ein­kas­siert werden sollte.

„WELT AM SONNTAG liegt nun eine Schätzung des Senats für Stadt­ent­wicklung und Wohnen über die Zahl der mög­li­cher­weise betrof­fenen Haus­halte vor. Grundlage ist eine ange­nommene Gesamtzahl von 340.000 Mietern, die zwi­schen­zeitlich von einer Absenkung pro­fi­tiert haben dürften.“

Das ist ein gewal­tiger Brocken: Berlin hat eine Ein­woh­nerzahl von 3,762 Mil­lionen. Würde in jeder dieser betrof­fenen Woh­nungen nur ein Mensch wohnen, wäre das schon fast 10 Prozent der Bevöl­kerung. Geht man aber vor­sichtig von im Schnitt zwei Per­sonen pro Wohnung aus, sind es schon rund 20 Prozent der Ber­liner Bürger. Das sind keine gesell­schaft­lichen Rand­er­schei­nungen mehr. Können diese Mieter die Nach­zahlung nicht leisten und die nun wieder stei­genden Mieten auch nicht, hat die Stadt ein Problem.

Man geht beim Stadt­ent­wick­lungs­senat Berlins zurzeit davon aus, dass nur jeder zehnte betroffene Mieter in eine Notlage gerät. Dazu kommt aber noch das Problem der Neu­ver­mie­tungen nach 2019. Auch diese unter­liegen dem Mie­ten­deckel mit dem Mie­ten­stand von 2019. Die Ver­mieter haben aber – ein­gedenk der noch schwe­benden Ver­fas­sungs­klage — soge­nannte „Schat­ten­miet­ver­träge“ mit den Neu­mietern geschlossen. Für den Fall, dass das Ber­liner Gesetz von Karlsruhe als ver­fas­sungs­widrig erklärt wird, wird eine höhere Miete fällig. Es soll etwa 57.000 Neu­ver­mie­tungen seitdem gegeben haben.

Wenn man eben­falls davon ausgeht, dass zehn Prozent derer, die eine Schat­ten­miet­ver­ein­barung getroffen haben, finan­zielle Unter­stützung benö­tigen, beträfe das rund 5.700 Miet­ver­hält­nisse“, lautete es weiter in der Senats-Erst­ein­schätzung. „Ins­gesamt gehen wir also von rund 40.000 Ber­linern aus, die poten­ziell finan­zielle Unter­stützung benö­tigen könnten“, heißt es weiter.

Die Stadt will nun den in Not gera­tenen Mietern Unter­stützung zukommen lassen. Man rechnet hier mit acht Mil­lionen Euro, die das ver­schuldete Berlin dafür bereit­stellen muss.

Für die betrof­fenen Mieter ist es eine Hor­ror­meldung. Doch für die Stadt könnte es unter dem Strich  ein Vorteil sein. Denn in Berlin sorgte der Mie­ten­deckel dafür, dass die Eigen­tümer sich vor Reno­vie­rungen, Moder­ni­sie­rungen, teil­weise sogar vor teu­reren Repa­ra­turen weg­duckten. Noch schlimmer: Es wurde prak­tisch nicht mehr neu gebaut. Es lohnte sich einfach nicht. Ins­gesamt hat sich die Situation durch den Mie­ten­deckel eher ver­schlechtert. Zwar wurde der Mie­ten­deckel von den Ber­linern erst sehr begrüßt und als soziale Großtat gefeiert, die Aus­wir­kungen waren aber  — wie immer, wenn rot-rot-grüne Ideo­logen ohne Sach­ver­stand „gut“ sein wollen – unter dem Strich kein Segen.

Die Nach­teile zeigten sich bald.

Die güns­tigen Mieten führten dazu, dass die Mieter immobil werden. Wer so eine billige Wohnung in der Stadt hat, bleibt einfach in der Woh­nungen sitzen. Sogar Paare, die zusam­men­zogen, behielten gern die zweite Wohnung, denn man weiß ja nie. Dann wohnt eben ein Freund darin und über­nimmt die Miete unter der Hand. Familien, denen die Wohnung zu klein wird und die in den Ber­liner Außen­be­zirken ein Häuschen bauen oder mieten, behalten die Stadt­wohnung auch gern für Abende in der Stadt oder Gäste oder aus beruf­lichen Gründen. Man über­lässt sie teil­weise Bekannten, die gern dafür den sehr güns­tigen Preis zahlen, bis sie ihrer­seits etwas Pas­sendes gefunden haben. Es bildet sich also eine Art Mieten-Schwarz­markt, und die güns­tigen Woh­nungen sind auf dem Markt teil­weise gar nicht mehr zu bekommen.

Die Abneigung der Eigen­tümer, in das unren­table Objekt Geld zu inves­tieren, führt zur breiten Ver­schlech­terung der Immo­bi­li­en­sub­stanz. Die gute und gepflegte Immo­bilie bringt keinen Vorteil mehr. Viele Eigen­tümer können auch tat­sächlich kaum Rück­lagen für die Instand­haltung und Moder­ni­sierung bilden. Schon nach wenigen Jahren zeigte sich das Problem der her­un­ter­ge­wirt­schaf­teten Woh­nungen an den Klagen der Mieter.

Es wird nicht mehr gebaut. Die Rechts­un­si­cherheit und die geringen Mieten bieten keinen Anreiz für private und gewerb­liche Bau­tä­tig­keiten. In Berlin wurden fast keine neuen Woh­nungen mehr gebaut. Niemand inves­tiert bei ständig stei­genden Bau­preisen in unren­table Objekte. Damit ver­schärft sich aber die Woh­nungsnot und ver­stärkt die Immo­bi­lität der Mieter (s.o.).

Eigen­tümer werden um ihre Alters­vor­sorge oder Inves­tition gebracht: Betongold galt lange als ein kri­sen­festes Investment. Viele private Ver­mieter steckten ihre Erspar­nisse in Immo­bilien, um von dem Miet­ertrag die Rente auf­zu­bessern oder zu leben. Der Mie­ten­deckel bringt sie um die Früchte ihres Ersparten, in vielen Fällen ist er für kleine, private Ver­mieter ruinös: Wenn die erzielte Miete nicht aus­reicht, um die Instand­haltung und die Abzahlung eines Kredits zu finan­zieren, kann der Eigen­tümer insolvent werden oder muss ver­kaufen. Aber auch hier wird die Immo­bilie nicht mehr so viel an Erlös bringen, weil es wenig Inter­es­senten für die unren­tablen Gro­schen­gräber gibt.

Die Ein­woh­nerzahl Berlins geht sogar zurück. Der Mie­ten­deckel führt, wie sich zeigt, sogar dazu, dass Berlin Ein­wohner ver­liert. Die, die da sind, besetzen den bil­ligen Wohnraum. Und die, die kommen wollen, finden keinen. Berlin sta­gniert. Inno­vative Start-ups in Berlin Stadt werden wegen der Wohn­si­tuation unin­ter­essant. Kommen keine guten Leute, werden die Unter­nehmen aus Berlin weg­gehen. Dahin, wo es leichter ist, gut gepflegten Wohnraum für die neuen Mit­ar­beiter zu finden.

Dafür steigen dann die Mieten im Umland Berlins, wo der Mie­ten­deckel nicht gilt. Dort kommen in der Folge die Mieter und Familien in finan­zielle Schieflage, was unter dem Strich auch kein Vorteil ist.

Die Prime-Immo­bilien werden an Ver­mö­gende ver­kauft. Wer Immo­bilien-Sah­ne­schnitten besitzt und keine Lust auf Billig-Mieter hat, ver­kauft. Denn die Ver­kaufs­preise sind nicht geregelt, und so können Wohl­ha­bende die Häuser oder Woh­nungen zur Selbst­nutzung erwerben. Nor­mal­ver­diener können sich kaum einen Woh­nungskauf leisten. Oder nur dann, wenn die Wohn­sub­stanz her­un­ter­ge­wirt­schaftet ist und die Wohnung ver­schleudert wird. Jedoch: Dann sind wahr­scheinlich die Reno­vie­rungs­kosten zu hoch.

Ver­mieter lassen hoch­preisige Woh­nungen lieber leer stehen. Richtig gute und luxu­riöse Immo­bilien wurden teil­weise zur Miet­de­ckelzeit oft gar nicht ange­boten. Zu groß war die Gefahr, nie wieder einen ange­mes­senen Miet­preis zu erreichen, sitzt der Mieter erst einmal drin. Dann lieber ent­weder das Karls­ruher Urteil abwarten oder ver­kaufen, sagten sich viele Eigen­tümer. Selbst jetzt, wo der Miet­deckel nicht mehr gilt, sind die Miet­preise noch zu niedrig. Wenn der Ver­mieter jetzt einen Miet­vertrag abschließt, ist der Miet­preis nicht lohnend. Auch jetzt kann er nach Bun­des­gesetz die Miete nur sehr langsam und in kleinen Schritten erhöhen. Da wartet man lieber, bis der Markt ange­zogen hat und man höher ein­steigen kann.

Das wahre Problem Berlins lag von Anfang an im man­gelnden Wohnraum und unfä­higer Regierung. Was zu knapp ist, wird teuer. Das war schon immer so und wird auch immer so sein. Regle­men­tiert die Obrigkeit Preise, Angebot und Ver­träge, bildet sich ein grauer Markt. Jetzt, da das Mie­ten­deckel-Gesetz kas­siert ist, wird sich das wahre Ausmaß an Wohn­raumnot nach und nach zeigen. Bis aber Inves­toren wieder Ver­trauen in die welt­fremde, rot-rot-grüne Gut­mensch-Idylle fassen, dauert es noch. Von Berlins Regierung sind durchaus noch ein paar weitere „gut gemeint ist das Gegenteil von gekonnt“- Aktionen zu erwarten. Kein Investor bei Ver­stand ver­senkt seine Mil­lionen in eine Stadt, in der eine Laien-Schau­spiel­truppe von Regierung einen Bock nach dem anderen schießt.

Was uns bei einer rot-rot-grünen Bun­des­re­gierung ab November 2021 erwartet, das sehen wir hier auf dem Ver­suchs­ge­lände Berlin. Die Scha­dens­bilanz wird erschre­ckend sein. In allen Bereichen.