Deutschland ist derzeit ein Netto-Exportland von Strom: Im Jahr 2020 wurden 67 Terrawattstunden an Elektrizität ins Ausland geliefert, aber nur 48 Terrawattstunden importiert. Doch diese Bilanz wird sich in den kommenden Jahren dramatisch verändern. Denn Deutschland steuert wegen des gleichzeitigen Ausstiegs aus Kernkraft und Kohleverstromung im Zuge der Energiewende sehenden Auges auf eine Stromlücke zu. Die Folgen für Wirtschaft und Verbraucher werden gravierend sein.
Es wird immer offensichtlicher, dass die viel gepriesene Energiewende, also der Umstieg von konventionellen Energieträgern auf sogenannte erneuerbare Energien, in der Praxis sehr viel mehr Probleme bereitet als grüne Ideologen und Heile-Welt-Träumer wahrhaben wollen. In ihrem Netzentwicklungsplan Strom 2035 gehen die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB), denen die Verantwortung für die Infrastruktur der überregionalen Stromnetze obliegt, davon aus, dass die Abhängigkeit Deutschlands von Stromlieferungen aus dem Ausland in den nächsten Jahren deutlich zunehmen wird.
Man prognostiziert, dass der Stromverbrauch 2035 Tagesspitzenwerte von bis zu 106 Gigawatt erreicht. Sollte der Ausstieg aus Atomkraft und Kohle bis dahin im heute geplanten Umfang vollzogen sein, stünde hierzulande aber nur noch eine steuerbare weil wetterunabhängige konventionelle Kraftwerksleistung von rund 72 Gigawatt zur Verfügung. Den Rest müsste von den »Erneuerbaren« kommen, wobei Windkraft und Solar die wichtigsten alternativen Stromquellen sind. Sie hatten im ersten Halbjahr 2020 einen Anteil von 31 Prozent bzw. 12 Prozent am deutschen Strommix.
Doch was geschieht, wenn der Wind nicht (ausreichend) weht und die Sonne nicht scheint (z.B. bei Nacht), also eine sogenannte »Dunkelflaute« auftritt? In diesem Fall müssten 35 Gigawatt Strom netto aus dem Ausland importiert werden, um den errechneten Spitzenbedarf zu decken. Das entspricht etwa der Hälfte der heute in Deutschland benötigten Strommenge, die je nach Tageszeit zwischen 60 und 80 Gigawatt schwankt.
Möglicherweise muss aber noch sehr viel mehr Elektrizität eingekauft werden. Denn die in 2035 benötigten 72 Gigawatt aus konventioneller Stromerzeugung sollen – nach dem weitgehenden Ausstieg aus Kohle und Kernkraft – größtenteils von deutschen Gaskraftwerken produziert werden.
Voraussetzung ist natürlich, dass solche Anlagen überhaupt in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen. Genau das ist fraglich. Bereits heute müssten Dutzende neuer Gaskraftwerke als Backup für die alternativen Energieträger in Bau gehen, soll die Sicherheit der Stromversorgung in Deutschland trotz Energiewende gewährleistet bleiben. Das geschieht aber nicht, weil sich der Betrieb solcher Kraftwerke unter den aktuellen Marktbedingungen nicht rechnet. Dafür sind vor allem die strengen EU-Emissionsgrenzwerte verantwortlich. Die führen nicht nur zu höheren Baukosten für neue Kraftwerke, sondern machen es auch erforderlich, Altanlagen teuer nachzurüsten, was viele Betreiber nicht leisten wollen.
Hinzu kommt, dass Gaskraftwerke in Konkurrenz zu den hochsubventionierten erneuerbaren Energien stehen, die auch noch durch den im Erneuerbare Energien Gesetz festgelegten Einspeisevorrang privilegiert sind. Das bedeutet: Nur dann, wenn nicht genügend Öko-Strom zur Verfügung steht, kommen konventionelle Energieerzeuger zum Zug. Das aber senkt die Rentabilität von Gaskraftwerken, wobei die tatsächliche Stromproduktion und damit die Einnahmen für die Betreiber kaum zu kalkulieren sind.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass in den letzten Jahren viele Gaskraftwerke in Deutschland stillgelegt worden sind. Und selbst die noch bestehenden Kapazitäten von insgesamt rund 30 Gigawatt geraten durch die EU-Umweltgesetzgebung zunehmend unter Druck.
Dabei hat sich die Bundesregierung im Rahmen ihrer »Klimaschutzpolitik« viel vorgenommen. Neben der Umstellung unserer Stromproduktion auf alternative Energiequellen sollen auch die Wärmeerzeugung und der Verkehr elektrifiziert werden, was den Strombedarf beträchtlich erhöht. Doch der wird sich künftig nicht mehr zuverlässig decken lassen, wenn es an konventionellen Kraftwerken fehlt, um witterungsbedingte Engpässe abzupuffern.
Bereits 2022, wenn der letzte deutsche Atommeiler vom Netz geht, werde sich eine Stromlücke auftun, so die Experten von EUPD Research, einem internationalen Marktforschungs- und Beratungsunternehmen mit Schwerpunkt Erneuerbare Energien. Diese Lücke soll nach den Vorstellungen der Bundesregierung innerhalb des europäischen Stromverbundes durch Lieferungen aus dem Ausland geschlossen werden. Deshalb will man die grenzüberschreitenden Stromleitungen in den nächsten Jahren massiv ausbauen. Doch dieser Plan hat seine Tücken. Größter Stromlieferant Deutschlands ist Frankreich, das knapp 70 Prozent seines Stroms in 56 Kernkraftwerken erzeugt, die im Schnitt 35 Jahre alt sind. Auf Platz zwei folgen die Niederlande, die den größten Teil ihres Stroms mit Hilfe fossiler Energieträger und hier vor allem Gas erzeugen. Andere Lieferländer wie Polen und Tschechien wollen künftig verstärkt auf die Kernenergie setzen, um die europäischen Klimaziele zu erreichen. Werden es also am Ende Atomstrom aus Frankreich und Osteuropa sowie Gaskraftwerke in Holland sein, die den Erfolg der deutschen Energiewende sichern?
Davon abgesehen ist es eine beunruhigende Vorstellung, dass sich die größte Industrienation Europas im Zeichen der Energiewende von Strom-Importen aus dem Ausland abhängig machen muss, um seine Exportindustrie am Laufen zu halten. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass die Lieferungen ganz oder teilweise ausbleiben, wenn der Strom z.B. bei Extremwetterlagen in ganz Europa knapp ist und deshalb auf dem heimischen Markt der Ausfuhrländer benötigt wird. Je schneller der Ausbau witterungssensibler alternativer Energieträger wie Sonne und Wind auf dem Kontinent voranschreitet, desto mehr wächst diese Gefahr! Und die als Lösung schon seit Jahrzehnten in Aussicht gestellten Langzeitstromspeicher, die es erlauben würden, aus regenerativen Quellen erzeugten Strom als Reserve vorzuhalten, um künftigen Mehrbedarf auszugleichen, existieren nach wie vor nur in der Theorie.
Was noch sehr viel brisanter ist: Nach Berechnungen von EUPD wird der europäische Stromverbund bereits ab 2023 auch unter normalen Voraussetzungen nicht mehr in der Lage sein, die deutsche Stromlücke zu schließen, die dann bereits fast 100 Milliarden Kilowattstunden ausmachen wird. Soll heißen: Die Sicherheit der Elektrizitätsversorgung wird hierzulande schon in zwei Jahren nicht mehr gewährleistet sein. Deutschland droht eine Strom-Mangelwirtschaft, wie Henrik Paulitz in seinem gleichnamigen Buch aus dem Jahr 2020 darlegt. Selbst mehrtägige, großflächige Stromausfälle (Blackouts), die chaotische Zustände verursachen und zahlreiche Tote fordern würden, werden immer wahrscheinlicher.
Schon heute wird industriellen Großverbrauchern wie Aluminiumhütten, Walzwerken, Chemiebetrieben und Gießereien zeitweise der Strom abgestellt, wenn die erneuerbaren »Flatterenergien« nicht genügend Energie liefern und weder konventionelle Kraftwerke noch Elektrizitäts-Importe den Ausfall ersetzen können. Bislang sind von solchen Stromsperren nur sehr energieintensive Industrieunternehmen, nicht aber Privathaushalte betroffen. Doch das dürfte sich ändern. Denn wegen des Ausbaus der Öko-Energien bei gleichzeitigem Wegfall zuverlässiger konventioneller Kraftwerke und dem Fehlen geeigneter Stromspeicher werden die Netzschwankungen künftig deutlich zunehmen.
Doch anstatt eine Kehrtwende zu vollziehen und die defizitäre Energiewende grundlegend zu überdenken, sind hinter den Kulissen Planungen für die Rationierung von Strom im Gange. Im Dezember wurde ein 60-seitiges Arbeitspapier bekannt, für das eine Expertengruppe im Bundeswirtschaftsministerium verantwortlich zeichnet. Der Entwurf sieht im Kern vor, privaten Besitzern von Elektroautos und elektrisch betriebenen Wärmepumpen ohne Vorwarnung den Strom abzustellen, wenn in Spitzenzeiten eine Überlastung der Verteilernetze droht. Diskutiert wird auch, Verbrauchern die Möglichkeit zu geben, sich durch Sonderzahlungen von Stromrationierungen »freizukaufen«. Es droht künftig also eine soziale Spaltung der Gesellschaft auf dem Energiemarkt in solche Bürger, die sich eine durchgängige Versorgung mit Elektrizität leisten können und solchen, die wegen Zahlungsrückständen zumindest zeitweise auf Strom verzichten müssen. Schon heute wird hierzulande etwa 300.000 Haushalten im Jahr die Stromzufuhr von ihrem Versorger gekappt, weil sie ihre Rechnung nicht bezahlen können. Deren Zahl dürfte künftig noch deutlich zunehmen, denn wegen der völlig verkorksten Energiewende ist mit weiter steigenden Strompreisen in Deutschland zu rechnen, obwohl die schon jetzt die höchsten der Welt sind!
Mit einer Korrektur dieser wahnwitzigen, ideologisierten Energiepolitik ist zumindest in den nächsten Jahren nicht zu rechnen, ganz im Gegenteil. Glaubt man den aktuellen Wahlumfragen, werden die öko-sozialistischen Grünen nach der Bundestagswahl im Herbst als Koalitionspartner an der neuen Bundesregierung beteiligt sein, möglicherweise sogar den Kanzler stellen.
Es kann deshalb als sicher gelten, dass die »Energiewende« im Namen des Götzen Klimaschutz in der kommenden Legislaturperiode weiter forciert wird, unbeachtlich der gravierenden Folgen für Wirtschaft und Verbraucher in Deutschland!
Quelle: kopp-report.de
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