Wege aus der Wirt­schafts­krise — Was zu tun ist und was nicht

Nicht zum ersten Mal tun viele Regie­rungen das Gegenteil von dem, was nötig wäre, um die Welt­wirt­schaft aus der Krise her­aus­zu­führen. Das Rezept der Öster­rei­chi­schen Schule der Natio­nal­öko­nomie bleibt weithin ungehört. Dabei hat Murray Rothbard (1926 – 1995) anhand seiner pro­funden Analyse der Großen Depression schon her­aus­ge­ar­beitet, dass der Weg aus der Krise nicht in mehr, sondern in weniger Staats­aus­gaben und nicht in der Schaffung von mehr Liqui­dität besteht, sondern darin, einer mög­lichen Deflation ihren Lauf zu lassen. Ins­be­sondere kommt es nach Rothbard darauf an, nicht den Konsum anzu­reizen, sondern das volks­wirt­schaft­liche Spar­vo­lumen zu erhöhen.

(von Antony P. Mueller )

Schul­den­ma­cherei als Krisenpolitik

Kon­fron­tiert mit der als Folge der von der Politik ange­ord­neten Lock­downs bereits geschwächten Wirt­schaft, beginnen nun die Regie­rungen in den USA und Europa, ihren Volks­wirt­schaften einen wei­teren Schlag zu ver­setzen. Das bevor­zugte Mittel sind mehr Defi­zit­aus­gaben. In den Ver­ei­nigten Staaten kün­digte Prä­sident Biden ein Kon­junk­tur­pro­gramm in Höhe von 1,9 Bil­lionen Dollar an. Als ob das noch nicht genug wäre, legte der Prä­sident jüngst gleich noch einmal nach und kün­digte an, ein Infra­struk­tur­pro­gramm in der Höhe von drei Bil­lionen Dollar vorzubereiten.

Diese Summen würden in eine Wirt­schaft fließen, die bereits mit Liqui­dität über­schwemmt ist. In den letzten zwölf Jahren hat die ame­ri­ka­nische Zen­tralbank ihre Bilanz in drei großen Schritten erweitert, zunächst von 900 Mil­li­arden Dollar im Juli 2008 auf 2,1 Bil­lionen Dollar bis November 2008, dann von 2,8 Bil­lionen Dollar im November 2012 auf 4,5 Bil­lionen Dollar bis November 2014 und schließlich von 3,8 Bil­lionen Dollar im Sep­tember 2019 auf 7,7 Bil­lionen Dollar bis zum März 2021.

Zusammen mit den geld­po­li­ti­schen Impulsen kam es seit 2008 zu einem enormen fis­ka­li­schen Schub. Der öffent­liche Schul­den­quo­tient (US-Bun­des­ver­schuldung in Prozent des BIP) stieg von 62,6 Prozent im Jahr 2007 auf 100 Prozent im Jahr 2012 und hat 2020 die Quote von 107,6 Prozent erreicht.

Dennoch haben diese mas­siven fis­ka­li­schen und geld­po­li­ti­schen Kon­junk­tur­maß­nahmen nicht zu einem starken Wirt­schafts­wachstum seit der Krise von 2008 geführt. Der Trend der jähr­lichen realen Wachs­tums­raten zeigt weiter nach unten.

In der Eurozone ist es nicht besser bestellt. Wie in den USA prak­ti­ziert auch hier die Euro­päische Zen­tralbank (EZB) eine stark expansive Geld­po­litik, und die Regie­rungen ver­ab­schieden gigan­tische Aus­ga­ben­pro­gramme an „Wie­der­auf­bau­hilfen“.

Während in der ersten Dekade ihrer Existenz die Geld­po­litik der EZB noch relativ sta­bi­li­täts­ori­en­tiert war, hat sich das mit der Finanz­krise 2008 geändert. In der Finanz­krise 2008 kam es zum ersten großen Expan­si­ons­schub (siehe Abbildung 1).

https://tradingeconomics.com/euro-area/central-bank-balance-sheet

Als das erwartete höhere Wirt­schafts­wachstum aus­blieb, geriet die EZB in Panik und es kam, getrieben von Defla­ti­ons­furcht, zu einer erneuten mone­tären Aus­weitung, die noch stärker ausfiel als in den Jahren davor. Im Pan­de­miejahr 2020 brachen dann alle Dämme und die Geld­ex­pansion ging in den Steilflug über. Wie die Graphik (Abb. 1) zeigt, kam es bei jeder neuen Krise zu immer stär­keren expan­siven Maßnahmen.

Für die Euro­päische Union ist die Schaffung einer Schul­den­union inzwi­schen sehr nahe gerückt. Falls nicht das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt den geplanten Aus­gaben einen Riegel vor­schiebt, wird die Euro­päische Union zur Fis­kal­union mutieren. In Deutschland hat das Par­lament schon dafür gestimmt. Am 26. März 2021 hat der Deutsche Bun­destag „mit großer Mehrheit“ die gemeinsame Schul­den­auf­nahme der Euro­päi­schen Union für den Corona-Wie­der­auf­bau­fonds in Höhe von 750 Mrd. Euro rati­fi­ziert. Ins­gesamt sollen der EU bis Ende 2027 rund 1,8 Bil­lionen Euro zur Ver­fügung gestellt werden.

Aller­dings werden diese Pro­gramme genauso scheitern, wie bisher die ähn­lichen Poli­tiken gescheitert sind. Nach einer kurz­le­bigen Erholung wird die Wirt­schaft wohl wieder in einen Abschwung geraten. Nach einem solchen kurz­fris­tigen Wie­der­auf­leben der Kon­junktur wird die Lage danach jedoch schlimmer sein als zuvor. Anstatt aus der Sta­gnation her­aus­führen, ver­tiefen und ver­längern solche Kon­junk­tur­maß­nahmen die Krise.

Nicht Kapi­tal­verzehr, sondern Kapi­tal­ak­ku­mu­lation ist der Ausweg 

Um Wohl­stand zu schaffen, bedarf es anderer Poli­tiken. Man braucht Wirt­schafts­wachstum, das auf Kapi­tal­ak­ku­mu­lation basiert. Eine solche Aus­richtung ist ange­sichts der aktu­ellen Krise besonders dringlich, weil die ver­hängten Lock­downs den Kapi­tal­stock der Wirt­schaft ver­ringert und die welt­weiten Lie­fer­ketten unter­brochen haben.

In einer solchen Situation läuft die Anwendung des vul­gären Keyne­sia­nismus auf das Gegenteil dessen heraus, was beab­sichtigt ist. Eine der­artige Kon­junk­tur­po­litik, die auf mehr Geld und mehr Schulden gründet, wird lang­fristig die Krise ver­tiefen und ver­längern. Es gibt genügend Belege dafür, dass der soge­nannte fis­ka­lische Mul­ti­pli­kator der öffent­lichen Aus­gaben nicht wie ver­sprochen funktioniert.

Der richtige Weg wäre die Befreiung des Pri­vat­sektors von regu­la­to­ri­schen Beschrän­kungen und die Ver­min­derung der Steu­erlast. Eine solche Politik bereitet den Weg für eine solide wirt­schaft­liche Erholung. Anstatt die öffent­lichen Hilfs­pro­gramme aus­zu­weiten, muss der Unter­neh­mer­geist ange­feuert werden. Immer wieder neue geld­po­li­tische Kon­zepte und die Tricks des öffent­lichen Schul­den­ma­nage­ments werden nicht helfen. Der Schlüssel liegt in nach­hal­tigem Wirt­schafts­wachstum. Wenn Ein­kommen und die Beschäf­tigung steigen, sinkt die öffent­liche Schul­den­quote und die Gefahr einer höheren Preis­in­flation nimmt ab.

Der Ausweg aus dem Schla­massel ist die Anwendung des Rezepts, wie es von Murray Rothbard in seiner Analyse der Großen Depression ent­wi­ckelt wurde. In diesem Buch erklärt Rothbard, dass nicht mehr Staats­ver­schuldung der Ausweg aus einer Depression ist, sondern die Expansion des pri­vaten Sektors. Jüngste empi­rische Studien bestä­tigen diese These.

Nicht die Aus­weitung, sondern die Ver­rin­gerung des Staats­an­teils führt zu dau­er­hafter wirt­schaft­licher Expansion. Je mehr der öffent­liche Sektor schrumpft, desto mehr kann der private Sektor expan­dieren. Nicht mehr Staats­ver­schuldung treibt die Wirt­schaft an, sondern unter­neh­me­rische Akti­vität, die auf befreiten Märkten gedeiht.

Der private Sektor braucht keine Anreize, die über die Aus­sicht auf Gewinne hin­aus­gehen. Wenn die Gewinn­erwar­tungen steigen, weil sich die Bedin­gungen für die private Geschäfts­tä­tigkeit ver­bessern, werden die Inves­ti­tionen zunehmen. Es kommt zu mehr Beschäf­tigung und stei­gende Ein­kommen folgen. Höhere Gewinn­erwar­tungen führen zu Kapi­tal­in­ves­ti­tionen, und damit wird der Grund­stein für mehr Wirt­schafts­wachstum und eine höhere Pro­duk­ti­vität gelegt, was letztlich mehr Kauf­kraft der Bevöl­kerung ins­gesamt mit sich bringt.

Weniger Aus­gaben, mehr Erspar­nisse und Laissez-faire ist das Roth­bar­dische Rezept gegen die Krise. In seinem Buch America‘s Great Depression wendet Murray Rothbard die öster­rei­chische Theorie des Kon­junk­tur­zyklus an und prangert die Maß­nahmen an, die von der Roo­sevelt-Admi­nis­tration ergriffen wurden, um die Depression der 1930er Jahre zu bekämpfen. Roth­bards Rezept, aus dem Abschwung her­aus­zu­kommen, ist das Gegenteil von dem, was in der Ver­gan­genheit während der Großen Depression prak­ti­ziert wurde und dem, was heute getan wird (Tabelle 1).

 

Trotz aller gegen­tei­ligen Beweise über die tat­säch­lichen Gründe für die Große Depression, herrscht auf­grund der stän­digen Wie­der­ho­lungen in den Mas­sen­medien und den Schulen wei­terhin der Mythos, dass Roo­se­velts Wirt­schafts­po­litik das Land aus der Depression zog. Das Gegenteil ist der Fall. Roo­se­velts Inter­ven­tio­nismus ver­län­gerte und ver­tiefte die Depression. Anders als die Mythen der Keyne­sianer und Mone­ta­risten trugen weder expansive Fiskal- noch expansive Geld­po­litik dazu bei, die Wirt­schaft aus der Depression zu führen. Das Problem der Großen Depression der 30er Jahre war nicht ein Mangel an Nach­frage, sondern dass die Wirt­schafts­po­litik Roo­se­velts den Unter­neh­mer­geist unter­mi­nierte und das Ver­trauen in den Kapi­ta­lismus zerstörte.

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Genau dies geschieht auch heute in der Wirtschaftspolitik.

Inflation oder Deflation?

Eine schul­den­ge­triebene Erholung hat zwei mög­liche Folgen. Es kann vor­kommen, dass selbst große Anreize nicht zu einer Aus­weitung der Nach­frage führen. In diesem Fall führt die expansive Politik dazu, dass die Krise anhält, aber eine stei­gen­dende öffent­liche Schul­denlast her­vorruft, die zusätzlich das Wachs­tums­po­tenzial der Volks­wirt­schaft ver­ringert. Wenn jedoch die Kon­junk­tur­po­litik wie beab­sichtigt funk­tio­nieren sollte und die Wirt­schaft eine Erholung erfährt, wird diese wirt­schaft­liche Expansion durch eine höhere Preis­in­flation abge­brochen, da die Aus­weitung der Nach­frage ihre Ein­schränkung in unzu­rei­chender Kapa­zität findet.

Eine Kon­junk­tur­po­litik der Schulden- und Geld­men­gen­ex­pansion führt stets ins Desaster, das sollte man seit der Stag­flation der 70er Jahre wissen. Wenn Inflation und wirt­schaft­liche Sta­gnation zusammen auf­treten, kann eine aktive Wirt­schafts­po­litik nichts mehr ausrichten.

Zu einer Deflation kommt es, wenn das Finanz­system wegen über­höhter Schul­denlast zusam­men­bricht. Kre­dit­aus­fälle führen zur Kre­dit­ra­tio­nierung und es kommt zu einer Liqui­di­täts­ver­engung. Diese Deflation der Liqui­dität impli­ziert ein fal­lendes Preis­niveau – also zu dem, was im heu­tigen Sprach­ge­brauch „Deflation“ genannt wird.

Man kann dem Roth­bard­schen Rezept den Vorwurf machen, es sei „defla­to­risch“. Diese Anschul­digung ver­kennt jedoch, dass Inflation keinen dau­er­haften Ausweg dar­stellt. Vielmehr ist es so, dass umso höhere Kosten anfallen, je mehr die Politik eine recht­zeitige Anpassung ver­hindert. Wenn man wieder zu einer pro­spe­rie­renden Wirt­schaft zurück­kehren will, ist eine Deflation, die den Pro­duk­ti­vi­täts­fort­schritt wider­spiegelt, der richtige Weg. Im Unter­schied dazu werden weder die fis­ka­li­schen Aus­ga­ben­pro­gramme zur Ankur­belung des Wirt­schafts­wachstums noch die expansive Geld­po­litik anhal­tende Erfolge zei­tigen. 

Schluss­fol­gerung

Große Teile der Welt sind nicht wegen eines Ver­sagens der Markt­wirt­schaft, sondern wegen der Politik in eine schwere Wirt­schafts­krise gestürzt. Jetzt steht die Wirt­schafts­po­litik an einem Schei­deweg. Auf der einen Seite besteht die Ver­su­chung, eine Politik der Defi­zit­aus­gaben und der Geld­men­gen­ex­pansion zu ver­folgen. Der andere Ausweg wären mutige Wirt­schafts­re­formen zugunsten freier Märkte. Der Weg der Schul­den­po­litik führt in die Depression oder, wenn sie von Inflation begleitet wird, in eine Stag­flation. Der andere Weg würde ein unter­neh­mens­freund­liches Umfeld schaffen und auf den Unter­neh­mer­geist setzen, um Wirt­schafts­wachstum auf der Grundlage pri­vater Kapi­tal­in­ves­ti­tionen zu erzielen. Aller­dings besteht nur wenig Hoffnung, dass der richtige Weg ein­ge­schlagen wird. Es scheint so, dass es eine weitere Kata­strophe geben wird.

Dr. Antony P. Mueller (antonymueller@gmail.com) ist habi­li­tierter Wirt­schafts­wis­sen­schaftler der Uni­ver­sität Erlangen-Nürnberg und derzeit Pro­fessor der Volks­wirt­schafts­lehre, ins­be­sondere Makro­öko­nomie, an der bra­si­lia­ni­schen Bun­des­uni­ver­sität UFS (www.ufs.br), wo er am Zentrum für ange­wandte Wirt­schafts­for­schung und an deren Kon­junk­tur­be­richt mit­ar­beitet und im Dok­to­rats­pro­gramm für Wirt­schafts­so­zio­logie mit­wirkt. Er ist Mit­glied des Ludwig von Mises Institut USA, des Mises Institut Bra­silien und Senior Fellow des Ame­rican Institute of Eco­nomic Research (AIER). Außerdem leitet er das Web­portal Con­ti­nental Eco­nomics (www.continentaleconomics.com).

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Dr. Antony P. Mueller (antonymueller@gmail.com) ist habi­li­tierter Wirt­schafts­wis­sen­schaftler der Uni­ver­sität Erlangen-Nürnberg und derzeit Pro­fessor der Volks­wirt­schafts­lehre, ins­be­sondere Makro­öko­nomie, an der bra­si­lia­ni­schen Bun­des­uni­ver­sität UFS (www.ufs.br), wo er am Zentrum für ange­wandte Wirt­schafts­for­schung und an deren Kon­junk­tur­be­richt mit­ar­beitet und im Dok­to­rats­pro­gramm für Wirt­schafts­so­zio­logie mit­wirkt. Er ist Mit­glied des Ludwig von Mises Institut USA, des Mises Institut Bra­silien und Senior Fellow des Ame­rican Institute of Eco­nomic Research (AIER). Außerdem leitet er das Web­portal Con­ti­nental Eco­nomics (www.continentaleconomics.com).


Quelle: misesde.org