Blick auf die nordkoreanische Hauptstadt Pjöngjang. Bild: WIkimedia Commons, Laika ac, Bildlizenz: CC-BY-SA-2.0

Wenn ein Film pures Dynamit ist: Der Maulwurf — Under­cover in Nord­koreas ille­galen Atomwaffengeschäften

Ver­gesst Günter Wallraff, das Ibiza-Video ist ein Kin­der­garten-Film­projekt und James Bond ein Softie gegen das hier. Hier geht es um ein paar wirklich knall­harte Jungs, die mit dem Tod Tango tanzen … und irgendwie sogar Spaß daran haben. Der uner­schro­ckenste aller Under­cover-Fil­me­macher heißt Mads Brügger, und er ist Däne. Einem anderen Dänen, dem früh­ver­ren­teten Koch namens Ulrich Larsen, war es offen­sichtlich im Ruhe­stand zu lang­weilig. Er kon­tak­tierte Mads Brügger und unter­breitete ihm ein toll­kühnes Projekt á la: „Hallo Mads, hättest Du Lust Dein Leben auf‘s Spiel zu setzen und mit mir Under­cover die ille­galen Waf­fen­ge­schäfte Nord­koreas aus­zu­spio­nieren und eine Doku drüber zu machen?“ Nun, wer würde da schon nein sagen?

So ziemlich 99,9999% der Menschheit. Etwas Wahn­sin­ni­geres kann man kaum tun. Zehn Jahre lief das ganze Projekt. Das ZDF strahlte den Film in meh­reren Teilen aus, und er ist in der Mediathek zu finden. Der Plot geht so:

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Ulrich Larsen, der Koch, wanzt sich jah­relang geschickt an die dänische Depen­dance der inter­na­tio­nalen „Korean Fri­endship Asso­ciation“ (KFA) an. Ein Haufen von Hardcore-Mao­isten, meist geschei­terte Exis­tenzen, sie sich gegen­seitig für ihren kom­pro­miss­losen und daher unver­stan­denen Sozia­lismus-Kom­mu­nismus preisen, erscheinen in der Doku als ein „eher kläg­licher Haufen“. Sechs Jahre lang baut Larsen diese Ver­bindung aus und fügt sich in den weltweit ver­teilten Nord­korea-Fanclub ein. Er macht das gut. Er wird zum Ver­trauten des in diesen Kreisen pro­mi­nenten spa­ni­schen Ade­ligen Ale­jandro Cao de Benós, der Chef der KFA außerhalb Nord­koreas. Unter seiner Ägide steigt Larsen zum Skan­di­navien-Reprä­sen­tanten der KFA auf.

Larsen macht nun PR für Nord­korea. Sowas macht man heut­zutage mit Videos auf Youtube. Eine schlaue Idee, denn so kann er ganz unge­niert filmen. Sogar in Nord­korea selbst, was sonst noch kaum einem gelungen ist. Nach einiger Zeit erhält Larsen den ver­trau­lichen Auftrag, „Inves­toren“ zu finden, die Nord­koreas Exporte kaufen. Das Land braucht Devisen. Es geht um Drogen und Waffengeschäfte.

Brügger und Larsen erfinden dafür die Figur eines nor­we­gi­schen Ölmil­li­ardärs, der wie in einem bil­ligen Krimi, einfach nur Mr. James heißt. In Wahrheit heißt der Mann, den sie dafür anheuern, Jim Lat­rache-Qvortrup und ist ein Ex-Frem­den­le­gionär, Aben­teurer und recht pro­mi­nenter Kokain-Dealer in der Haute Volé Kopen­hagens — mit acht Jahren Knast-Erfahrung. Letzt­endlich aber ist er genau der richtige Mann. Gefahr ist seine Droge, und Angst kennt er nicht. Er wird auch in brenz­ligsten Situa­tionen nicht nervös. So einen Abge­brühten braucht man für diesen Job.

Also macht Koch Larsen den „Mr. James“ mit dem Spanier de Benós bekannt. Der genießt das Ver­trauen Kim Jong-Uns und soll dabei helfen, Nord­korea Devisen zu beschaffen, ohne die das unzu­gäng­liche Land kom­plett auf den großen Bruder China ange­wiesen ist, wenn es irgend­welche Geschäfte auf dem Welt­markt tätigen will.

Benós will Ein­druck machen. Er brüstet sich mit Insi­der­wissen darüber, wie Nord­korea um mehrere Ecken und mit­hilfe asia­ti­scher Mit­tels­männer und Unter­nehmen die inter­na­tio­nalen Sank­tionen unter­läuft, mit Drogen und Kriegs­gerät weltweit handelt und hohe Dol­lar­summen ein­fährt. Tat­sächlich kann de Benós den Kontakt zu hoch­ste­henden, korea­ni­schen Offi­zi­ellen her­stellen. In Korea werden sie mit großem Tamtam emp­fangen. Der dänische Koch Larsen droht zwi­schen­zeitlich sogar auf­zu­fliegen, doch irgendwie schaffen es die Männer, die Nerven zu behalten und es durchzuziehen.

Bei diesem Besuch wird auch gleich ein Vertrag zwi­schen dem vor­geb­lichen Öl-Mil­li­ardär Mr. James und der Korea Narae Trading Cor­po­ration geschlossen. Mr. James soll im Ausland eine Fabrik für Waf­fen­systeme und Metam­phet­amine finan­zieren. Obendrüber soll als Tarnung ein Luxus-Feri­en­resort mit eigener Lan­debahn errichtet werden. Das „Ausland“ heißt Uganda und die Fabrik soll auf bzw. unter einer Insel im Vic­to­riasee ver­steckt arbeiten. So kann Nord­korea dann unbe­merkt außerhalb seiner Grenzen im großen Stil Devisen erwirt­schaften. Die Behörden in Uganda bekommen einfach einen Haufen Geld auf den Tisch gelegt und stellen keine wei­teren Fragen. So war das geplant.

Dieser Vertrag wird in einem luxu­riösen, unter­ir­di­schen Bunker in einer grauen Beton­block-Vor­stadt Pjöng­jangs von hoch­ste­henden Offi­zi­ellen unter­zeichnet. Gegen diese Plat­ten­bauten wirkte selbst die damalige „DDR-Platte“ noch hübsch und hei­melig. Niemand würde darauf kommen, dass unter den trost­losen Beton­türmen pompöse Säle liegen, in denen nun Mr. James finstere Waf­fen­ge­schäfte unter­schreibt. Wie in einem plü­schigen Luxus­re­staurant dem Gast die Spei­se­karte gereicht wird, erhält Mr. James einen dicken Bestell­ka­talog, der statt Vor­speisen, Haupt­gängen und Des­serts nord­ko­rea­nische Pis­tolen, Pan­zer­fahr­zeuge und Mit­tel­stre­cken­ra­keten anbietet.

Erst, als später Mr. James dann in Stockholm die Pläne für das „Tou­rismus Resort“ auf der Insel erhält und das Geld für den Inselkauf fließen sollte, wurde den drei Drauf­gängern die Sache zu heiß, und sie zogen sich aus der Sache zurück, weil sie das sonst sicher nicht überlebt hätten.

Natürlich behauptete Nord­korea im Oktober 2020, nach der ersten Aus­strahlung der Doku, dass das Ganze eine reine Erfindung sei. Das alles sei nur eine Pro­duktion „feind­licher Kräfte“, um die Feiern zum 75järigen Jah­restag der regie­renden Arbei­ter­partei Nord­koreas am 10 Oktober 2020 zu unterminieren.

Schwedens und Däne­marks Außen­mi­nister baten kurz darauf in einer gemein­samen Erklärung die UN, die im Film doku­men­tierten Ver­let­zungen der Sank­tionen zu unter­suchen, schreibt die Nord­korea News am 12. Oktober 2020.

Dabei wird nicht viel her­aus­kommen. Es ist sowieso schon lange bekannt und publi­ziert, dass Nord­korea einen umfang­reichen, inter­na­tio­nalen Waf­fen­handel betreibt. In befreun­deten Ländern, wie Syrien, Jemen, Libyen, Ägypten, Burma, Kuba, dem Kongo, Pakistan, Sim­babwe und Iran, die allesamt mit den „west­lichen Werten“ nicht die besten Erfah­rungen gemacht haben, werden die Nord­ko­reaner mit offenen Armen emp­fangen, wenn man es auch nicht an die große Glocke hängt. Länder, die vom „Westen“ desta­bi­li­siert worden sind, finden bei den Nord­ko­reanern nicht nur Ver­ständnis und ein offenes Ohr, sondern auch qua­li­tativ gute Waf­fen­systeme zu erschwing­lichen Preisen, heißt es. Der „Westen“ macht es durch seine Desta­bi­li­sie­rungs­po­litik in diesen Ländern den Nord­ko­reanern leicht, ihre Geschäfte dort zu tätigen. Die „Underdogs“ tun sich dann eben zusammen. Das ist ein mensch­heits­altes Ver­halten und war schon vorher absehbar.

So berichtet die Welt schon 2009, dass eine Waf­fen­lie­ferung an den Iran gestoppt wurde. Die Ver­ei­nigten Ara­bi­schen Emirate brachten ein Schiff auf, das mit Bestimmung Iran eine Waf­fen­lie­ferung an Bord hatte, dar­unter auch Gra­nat­werfer. Die Waffen waren als „Maschi­nen­teile“ deklariert.

Bereits 2014 waren nord­ko­rea­nische Waffen ein Export­schlager für das Land. Sowohl kon­ven­tio­nelle als auch atomare Waffen ist das Land in der Lage zu bauen, und laut einem hohen Beamten des fran­zö­si­schen Außen­mi­nis­te­riums betragen die Exporte kon­ven­tio­neller Waffen und von Atom­ma­terial inzwi­schen ein Drittel der Devi­sen­ein­künfte Nordkoreas.

Zwei nord­ko­rea­nische Ein­heiten, Chalma‑1 und Chalma‑7 sollen in Syrien an der Seite der syri­schen Armee gekämpft haben, schrieb die BILD im März 2016. Im August 2013 wurde ein liby­scher Frachter auf­ge­griffen, der nord­ko­rea­nische Gas­masken, 3.000 Ladungen Munition und 1.400 klein­ka­li­brige Waffen nach Syrien liefern sollte.

Der Spiegel schreibt:
„Seoul — Der Fall sorgte im ver­gan­genen Jahr für Schlag­zeilen: Panama stoppte das nord­ko­rea­nische Fracht­schiff “Chong Chon Gang” im Pana­ma­kanal, weil an Bord unter Tau­senden Tonnen Zucker Rüs­tungs­güter ver­steckt waren — unter anderem Rake­ten­teile, zwei Flug­zeuge vom Typ MiG-21, mehrere Jet-Motoren und Munition aus Kuba. Die Waffen waren nicht dekla­riert. Havanna erklärte damals, sie sollten lediglich in Nord­korea repa­riert und anschließend zurück auf die Kari­bik­insel gebracht werden. Die Behörden ver­mu­teten jedoch Waffenhandel.“

Das Uno-Sank­ti­ons­ko­mitee ist mitt­ler­weile aktiv geworden. Koch Ulrich Larsen, einer der «Maul­würfe», wurde zu einem Infor­ma­ti­ons­aus­tausch ein­ge­laden. Er hat die Ein­ladung ange­nommen. Der Film­re­gisseur Brügger wird der Uno das umfang­reiche Film-Roh­ma­terial zur Ver­fügung stellen.

Im Nachgang zu der Doku­men­tation gibt Annie Machon, eine ehe­malige Agentin des Bri­ti­schen Geheim­dienstes MI5, ihre Ein­schätzung zu dieser Under­co­ver­aktion ab. Ich hatte vor mehr als zwölf Jahren die überaus span­nende Gele­genheit, Annie Machon ken­nen­zu­lernen, als wir ein langes Interview mit ihr über die Aktionen des MI5 gegen den Liby­schen Staatschef Muammar al Ghaddafi gedreht haben. Annie Machon war mitsamt ihrem Partner damals in eine sehr prekäre Lage geraten, und nur mit Glück ist sie heute frei und lebendig. Was sie so außerhalb des offi­zi­ellen Inter­views erzählte, war mehr als erhellend zu den dama­ligen Vor­gängen in Libyen.