Rente erst mit 69 – arbeiten bis in den Sarg?

Die Rentner sind eine Last. Die Ren­ten­kasse hat Pro­bleme, weil zu wenig junge Bei­trags­zahler zu viele Alte ernähren müssen. Und die unver­schämten Alten werden dreis­ter­weise auch immer älter und mun­terer. So geht das nicht, sagt die Regierung. Also bleiben nur zwei Mög­lich­keiten: Höhere Bei­trags­zah­lungen oder längere Arbeitszeit. Wetten, dass beides kommt?

Dass die Regierung auch gerne mal die Finger in die Ren­ten­kasse steckt und riesige Beträge abzieht, die dafür nicht gedacht sind und wofür die Bei­trags­zahler auch nicht zuständig sind, das wird non­chalant dabei weg­ge­lassen. Die Ren­ten­kasse blickt in ein 30-Mil­li­ar­denloch. Tat­sächlich muss mitt­ler­weile die Regierung immer öfter mit Steu­er­mitteln aus­helfen, weil im Prinzip dieses umla­ge­fi­nan­zierte System ja gar keine Eigen­mittel sind, sondern die heute aus­ge­zahlten Renten werden von den heute ein­zah­lenden Ren­ten­ver­si­cherten bezahlt.

Zum Ver­ständnis: Hier sind nicht die Bürger aus den neuen Bun­des­ländern gemeint, die heute aus der DRV ihre Renten beziehen. Sie haben ihre Renten in das damalige DDR-System ein­be­zahlt und das vor­handene Geld hat bei der Wie­der­ver­ei­nigung auch der nun gemeinsame Staat mit den Ver­pflich­tungen eben­falls über­nommen. Die Deut­schen, die in das DDR-System ein­be­zahlt haben, haben selbst­ver­ständlich das gleiche Recht auf ihre Rente.

Die Ber­liner Regierung ver­teilt aber gerne diverse Wohl­taten, wie zum Bei­spiel die Müt­ter­rente, und bedient sich dafür einfach aus der Ren­ten­kasse. Die DRV ist aber nur für die Zahlung der Renten an die Bei­trags­zahler da und nicht für alle mög­lichen Gruppen der Bevöl­kerung, die nie ein­ge­zahlt haben. Für solche – wie bei der Müt­ter­rente ja absolut rich­tigen und wich­tigen! – Zuwen­dungen müssen dann aber direkt Steu­er­mittel zur Ver­fügung gestellt und nicht einfach die Rück­lagen der Ren­ten­bei­trags­zahler geplündert werden, fordert Anneli Bun­tenbach, die Vor­stands­sit­zende der Deut­schen Ren­ten­ver­si­cherung (DRV).

Weitere „ver­si­che­rungs­fremde“ Leis­tungen sind zum Bei­spiel Renten für Kriegs­fol­ge­lasten, für Ver­folgte des NS-Regimes, Opfern des SED-Unrechts­staates, Aus­siedler, Erzie­hungs­zeiten und noch vieles andere mehr. Die Emp­fänger dieser Zah­lungen haben aber niemals in die Deutsche Ren­ten­kasse ein­ge­zahlt. So begründet und richtig die Zah­lungen an diese Gruppen sind, sie sind nicht Ange­le­genheit der Ren­ten­kassen. Die Regierung ver­schiebt hier ihre Wohl­ta­ten­zu­sagen in die Ren­ten­ver­si­cherung und hilft dann nur immer wieder mal aus, wenn die Ren­ten­kasse auf dem letzten Loch pfeift.

Bisher erbringt die DVR ihre Leis­tungen an die Rentner immer noch pünktlich, aber die riesige Lücke von über 30 Mil­li­arden wird aus den Bei­trags­geldern der Ein­zahler, nicht aus den dafür vor­ge­se­henen „Töpfen“ der Bun­des­re­gierung gezahlt – und das ist Betrug an den Ein­zahlern, sagte schon 2019 der Ren­ten­ex­perte von der Inter­es­sen­ge­mein­schaft „Senio­ren­auf­stand“, Reiner Heyse. Und er fügt hinzu: „Es ist so, dass es da schon immer eine Unter­de­ckung gab, dass also diese Auf­wendung von staat­licher Seite nicht in voller Höhe aus­ge­glichen wurde. Das wird von der Ren­ten­ver­si­cherung regel­mäßig errechnet und den Poli­tikern vorgehalten.“

Dann kommt dazu, dass die Ren­ten­kasse auch bei ARD und ZDF mit­be­zahlt. Diese Ange­stellten ver­dienen nicht nur sehr hohe Gehälter (durch­schnitt­liche Monats­ge­hälter von 9.400 €!), sondern erhalten auch exor­bi­tante Pen­sionen. Diese sind teil­weise durch Pen­si­ons­rück­stel­lungen der Sender gedeckt. Aber auch dort wurde 2018 bereits eine Deckungs­lücke von 2,9 Mil­li­arden €  fest­ge­stellt, die durch Rück­stel­lungs­auf­lösung vorerst geschlossen wurde, aber damit nur vor sich her geschoben wird. Dafür wollten die Öffentlich-Recht­lichen ja die Rundfunkbeitragserhöhungen.

Die FAZ schrieb 2016:
Die Betriebs­renten müssen bezahlt werden. Bei stark gesun­kenen Zinsen und damit gesun­kenen Erträgen aus dem ange­sparten Kapital ist das schwierig. Allein die ARD-Anstalten müssen in den kom­menden vier Jahren laut ihrer Finanz­planung knapp 1,4 Mil­li­arden Euro an Pen­sionen auszahlen.

Im Notfall, davon dürfen wir aus­gehen, wird auch hier die Deutsche Ren­ten­ver­si­cherung ein­springen müssen.

Deren „Zukunfts­fä­higkeit“ steht aus all den genannten Gründen auf wacke­ligen Beinen. Die Ren­ten­kom­mission der Bun­des­re­gierung berät sich und dis­ku­tiert die Anhebung des Ren­ten­ein­tritts­alters. Der Rat­geber „ein­fach­rente“ schreibt hierzu: „Eine Erhöhung des Ren­ten­alters auf bis zu 69 Jahre ist eine wirksame Option, um die Lücken der gesetz­lichen Rente nach­haltig zu finan­zieren. Doch viele Ver­si­cherte wollen nicht so lange arbeiten. Diese Lösungen ermög­lichen Ihnen, auch in Zukunft früher in den Ruhe­stand gehen.“ Die dann vor­ge­schla­genen Alter­na­tiven, wie man trotzdem in einem Alter in Rente gehen kann, wo man noch ein bisschen Spaß am Leben hat, sind die alt­be­kannten: Zusätz­liche Betrieb­liche Alters­vor­sorge und Private Alters­vor­sorge, was sich natürlich nicht jeder leisten kann.

Die Regierung möchte das „tat­säch­liche Ren­ten­ein­tritts­alter an die Regel­al­ters­grenzen heranführen“:

Mit einer Anhebung der Lebens­ar­beitszeit besitzt die Bun­des­re­gierung eine sehr wirksame Stell­schraube zur Ren­ten­fi­nan­zierung. Die Grundidee: Das Ren­ten­ein­tritts­alter ver­schiebt sich mit der stei­genden Lebens­er­wartung in Richtung Rente mit 69. Die volle Alters­rente wird aktuell mit 67 bezahlt, doch im Schnitt ver­ab­schieden sich die Ver­si­cherten aus dem Berufs­leben mit 64 Jahren. Der GDV meint dazu: ‚Wenn es gelänge, das tat­säch­liche Ren­ten­ein­tritts­alter an die Regel­al­ters­grenzen her­an­zu­führen, wäre bereits viel für den Arbeits­markt und Beschäf­tigung, die Sta­bi­li­sierung der Ren­ten­fi­nanzen sowie für die Ver­sorgung des Ein­zelnen gewonnen.”“

Die ARD-Tages­schau-Seite sorgt sich nun um die Rentner. Jeder Fünfte, also 20 Prozent der Senioren, stirbt schon vor dem 69sten Lebensjahr, sagt die Statistik.

Jetzt bereits liegt der Ren­ten­ein­tritt für die nach 1964 Gebo­renen bei 67 Jahren. Nach aktu­ellen Daten, so schreibt die ARD, erreichen 17 Prozent der Bevöl­kerung schon das 67ste Lebensjahr nicht, 14,4 Prozent nicht einmal 65 Jahre. Das ergab eine Anfrage der Links­fraktion. 2019 waren 19,8 Prozent aller Ver­stor­benen jünger als 69 Jahre.

Die Linken-Sozi­al­ex­pertin Sabine Zim­mermann hat es begriffen und sagt, so dass auch Klein-Fritzchen dieses kom­pli­zierte demo­gra­phisch-mathe­ma­tische Axiom ver­steht: „Die Zahlen sprechen eine deut­liche Sprache: Je höher das Ren­ten­alter, desto weniger Men­schen können jemals in den Genuss ihrer Rente kommen.“

Frau Zim­mermann betont auch den sozialen Aspekt: Da Men­schen mit geringem Ein­kommen kürzer leben, bedeute eine Anhebung des Ren­ten­alters “eine Ver­teilung von unten nach oben”. Dies sei “schlicht und einfach unsozial”. Deutschland brauche keine Dis­kus­sionen über eine noch weitere Anhebung des Ren­ten­alters, “sondern die Rückkehr zur Rente mit 65”, sagte die Vor­sit­zende des Senioren-Aus­schusses im Deut­schen Bundestag.

Ein Aspekt der ganzen Dis­kussion ist aber nicht stich­haltig, sondern wird als Fei­gen­blatt ange­führt. Die Lebens­er­wartung steigt eben nicht ständig. Sie sta­gniert und scheint sogar leicht rück­läufig zu werden. Das Problem liegt eher an man­gelndem Nach­wuchs: „Noch zu Anfang der 1970er Jahre haben etwa 30 Prozent der Frauen in Deutschland drei oder mehr Kinder zur Welt gebracht. Seitdem ist dieser Anteil nochmals deutlich auf derzeit etwa 16 Prozent gesunken. Die Mehrheit dieser Frauen hat drei Kinder, nur 4 Prozent haben vier oder mehr Kinder. Der Rückgang von Familien mit drei oder mehr Kindern ist, mehr noch als die rasche Ver­breitung dau­er­hafter Kin­der­lo­sigkeit, der maß­geb­liche demo­gra­fische Treiber für den Gebur­ten­rückgang in Deutschland und des immer noch nied­rigen Niveaus der Geburtenrate.“

Die Ein­kommen sind im Ver­hältnis zu den Lebens­hal­tungs­kosten nicht gestiegen. Konnte früher ein Ver­diener – meist der Vater – die Familie mit zwei bis vier Kindern ernähren und noch einen kleinen Urlaub finan­zieren, arbeiten heute meistens beide Eltern­teile, haben mehr­heitlich nur ein Kind (In Deutschland liegt die Gebur­tenrate bei 1,54 Kinder pro Frau, das bedeutet, die Bevöl­kerung schrumpft) und haben unterm Strich weniger Geld zur Verfügung.

Das ist das wahre Problem. Familien können sich kaum mehr als ein Kind leisten und die hohen Lebens­hal­tungs­kosten (ins­be­sondere Wohnraum, Steuern, Ver­si­che­rungen und Auto) erlauben keine Alters­rück­lagen. Die wenigen Kinder können die nötigen Ren­ten­bei­träge für die Alten kaum erwirt­schaften und werden auch kaum in der Lage sein, ihre Eltern mit­zu­ver­sorgen. Das Medi­an­ein­kommen liegt in Deutschland auf den untersten Plätzen innerhalb der EU. Das ist die Wahrheit, die man nicht sagt. Statt­dessen sollen die Alten arbeiten, bis sie ins Grab fallen. Das ist die optimale Aus­lastung des Nutzmenschen.