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Sarajewo-Kom­plott 1914: »Frei­maurer-Feind« Franz Fer­dinand! (1)

Erz­herzog Franz Fer­dinand d’Este war Thron­folger und Neffe Franz Joseph I., des öster­rei­chi­schen Kaisers und Apos­to­li­schen Königs von Ungarn und Kroatien aus dem Haus Habsburg-Lothringen.

Er hielt an den kon­ser­va­tiven Zielen der habs­bur­gi­schen Herr­scher­tra­dition fest, wollte jedoch Neue­rungen durch­führen. Dabei waren seine ange­strebten Reformen einzig auf die Auf­recht­erhaltung und Fes­tigung der Auto­rität des Herr­schers und damit der mon­ar­chis­ti­schen Ordnung abge­stellt, zu denen etwa die föde­rative Umge­staltung des mul­ti­na­tio­nalen Donau­staates gehörte. Dazu sollte das Sam­mel­surium dieser zehn, zumeist „unzu­frie­denen“ Völkern in eine Föde­ration auto­nomer Regionen ver­wandelt werden.

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Hin­ter­gründe: Am 14. November 1868 wurden Öster­reich und Ungarn offi­ziell zwei gleich­be­rech­tigte Staa­ten­ge­bilde. Zum einen Cis­leit­hanien, bestehend aus Nieder- und Ober­ös­ter­reich, Salzburg, Tirol, Vor­arlberg, Stei­ermark, Kärnten, Krain, Görz, Gra­diska, Istrien, Dal­matien, Böhmen, Mähren, Schlesien, Galizien und die Bukowina. Und zum anderen Trans­leit­hanien, bestehend aus Ungarn, Sie­ben­bürgen, Kroatien und Slo­wenien. Diesen beiden Staaten war Franz Joseph I. nicht nur mit Militär (Heer), Außen­po­litik und Finanzen ver­bunden, sondern auch mit dem Amt des Mon­archen: in Öster­reich als Kaiser, in Ungarn als König (der k(aiserlich) – k(öniglichen)-Monarchie).

Kurzum: Der Kaiser von Öster­reich war zugleich König von Ungarn.

Die öster­rei­chisch-unga­rische Doppel-Mon­archie war, wie bereits ange­deutet, ein Viel­völ­ker­staat, in dem die deutsch­spra­chige öster­rei­chische Bour­geoisie sowie der magya­rische (unga­rische) Adel eine bevor­zugte Stellung ein­nahmen. Obwohl die Slawen die Bevöl­ke­rungs­mehrheit stellten, wurden sie von der Gleich­be­rech­tigung aus­ge­schlossen. Auch andere Natio­na­li­täten wie die Tschechen (Böhmen), Slo­waken, Kroaten, Serben, Slo­wenen, Polen, Ruthenen, Rumänen und Ita­liener waren Staats­an­ge­hörige „zweiter Klasse“.

Kaiser Franz Joseph war seit 1867 nicht mehr ein abso­lu­tis­ti­scher, sondern ein kon­sti­tu­tio­neller Monarch. Trotz Reichsrat, wie die in zwei Kammern geteilte Volks­ver­tretung genannt wurde, war er noch Herr über die Außen­po­litik und die Armee. Dadurch wurde seine kai­ser­liche Auto­rität kei­neswegs gefährdet, denn selbst wenn der Reichsrat ein Gesetz beschloss, das er miss­bil­ligte, konnte er durch sein Veto die Geset­zes­kraft ver­weigern. Dennoch passte das demo­kra­tische Män­ner­wahl­recht, das 1907 in der öster­rei­chi­schen Reichs­hälfte galt, nicht zu seinen Mon­archie-Umbau-Plänen (im Mai 1907 hatte es die erste Reichs­ratswahl gegeben, bei der die Christ­lich­so­zialen 96 und die Sozi­al­de­mo­kraten 87 Sitze errangen).

Zunächst wartete Franz Fer­dinand, Autokrat und Zen­tralist, auf das Ableben Kaiser Franz Josephs, der zwi­schen­zeitlich in den Acht­zigern war und an der bestehenden poli­ti­schen Ordnung nichts ändern wollte. Der Thron schien für Franz Fer­dinand greifbar nahe. Bald konnte er die Herr­schaft ergreifen und in seiner Art Politik machen, die er sich als Ziel gesetzt hatte. Vor allen Dingen sollte die Mon­archie nicht noch mehr Macht ein­büßen, sondern gefestigt werden.

Die Vor­be­rei­tungen für den Mon­ar­chen­wechsel waren schon längst ange­laufen und die Pläne für den Reichs­umbau mit gigan­ti­schen Aus­maßen und real­po­li­ti­schen Erwä­gungen lagen zur Umsetzung bereit: Dazu gehörten die Stärkung der Zen­tral­gewalt der Krone, die Bre­chung der eth­nisch-unga­ri­schen Vor­herr­schaft und damit größere poli­tische Rechte für die nicht­un­ga­ri­schen Natio­na­li­täten (wie Kroaten, Slo­wenen und Rumänen) oder die Schaffung eines sla­wi­schen König­reiches (als Gegen­ge­wicht zu Ungarn).

Dem­entspre­chend ver­hasst war der Thron­folger bei den Magyaren und Belgradserben.

Wie erwähnt wollte Franz Fer­dinand den Slawen des Reiches ein Federal­statut gewähren, ähnlich dem, das die Ungarn bereits inne hatten.

Ein mili­tä­ri­sches Vor­gehen gegen die Serben kam für ihn dabei nicht in Frage. So schrieb er noch zwei Monate vor seiner Ermordung an den Kaiser: „Wir haben schon ein allzu großes Ter­ri­torium. Was für einen Vorteil könnte es bringen, ein Stück Ser­biens dem Reich anzu­gliedern?“ (Degrelle, S. 39).

So wie er von seiner Grund­ein­stellung eigentlich ein Pazifist war, sagte er doch einmal: „Man sagt immer ich sei für den Krieg. Das ist ganz unrichtig, das können sie überall sagen. Krieg kostet viel Geld und vielen das Leben. Ich will nur eine ach­tungs­ge­bie­tende Rüstung. Alle Staaten sind dazu gezwungen“ (Weis­sen­steiner, S. 212).

Auch der Buch­autor und Jour­nalist Frank Gerbert bescheinigt Franz Fer­dinand, dass dieser sich „fast als ein­ziger“ einem in der Füh­rungs­schicht der Donau­mon­archie (schon früher) erwo­genen „Prä­ven­tiv­krieg“ gegen Serbien wider­setzte (Gerbert, S. 12).

Vielmehr als Krieg strebte der Erz­herzog eine güt­liche Regelung mit den Serben an, was ihm jedoch Feind­se­lig­keiten der Kriegs­par­teien, also den Falken in Wien ein­brachte. Aber auch die Pan­sla­wisten, deren Ziel eine staat­liche Einheit aller sla­wi­schen Völker war, wollten keine dies­be­züg­liche Versöhnung.

Deshalb hatte sie kein Interesse daran, dass Franz Fer­dinand mit seinen Plänen jemals den Thron bestieg.

Dies­be­züglich schrieb Feld­mar­schall Conrad von Höt­zendorf, der ehe­malige Chef des Gene­ral­stabes der k. und k. öster­rei­chisch-unga­ri­schen Armee, in seinen mili­tä­ri­schen Erin­ne­rungen: „Viel­leicht hätte unter Franz Fer­dinand das alte Reich in einer neuen Form erblühen können. Die Öster­reich-Ungarn Treu­ge­sinnten hofften es; Öster­reichs Feinde fürch­teten es“ (Weis­sen­steiner, S. 230)!

Genauso war es.

Fort­setzung folgt!


Guido Grandt — Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Blog des Autors www.guidograndt.de