screenshot youtube

»Europa darf nicht in eine Schul­den­union abgleiten«: Finanz­mi­nister Öster­reichs fordert »solide Finanz­regeln« – Scholz schweigt vielsagend

Öster­reichs Finanz­mi­nister Gernot Blümel ist ent­setzt darüber, dass die EU-Finanz­mi­nister offen über eine Abschaffung zen­traler Sta­bi­li­täts­prin­zipien reden.

Während der Corona-Epi­demie waren die Schul­den­regeln im Euro-Raum aus­ge­setzt. In der Folge haben sieben Euro-Ländern eine Gesamt­ver­schuldung, die mehr als 100 Prozent über ihrer Wirt­schafts­leistung liegt; nur Luxemburg hält die Maas­tricht-Kri­terien ein. Nun sollen die Regeln wieder ein­ge­setzt werden – sollte man denken. Doch einigen EU-Finanz­mi­nistern gefällt die Idee, alles zu lassen, wie es ist. Darüber ist Öster­reichs Finanz­mi­nister, Gernot Blümel, entsetzt.

In einem Gespräch mit der Welt erläutert der Minister, dass mit dem Ende des Lock­downs zwar eine wirt­schaft­liche Erholung ein­ge­setzt habe, dass aber zugleich die Staats­fi­nanzen prak­tisch aller EU-Länder schwer belastet sind. Diese Belastung wirkt sich nur deshalb nicht gra­vierend aus, weil der Staat für seine Schulden prak­tisch keine Zinsen mehr an die Kre­dit­geber zahlt. Schul­den­machen kostet also erst mal nichts.

»Ich ver­stehe«, sagt Blümel, »wenn einige meiner Amts­kol­legen fordern, dass wir bei den Schul­den­regeln fle­xibler werden sollen.« Zugleich schränkt er mahnend ein: »Aber Europa darf nicht in eine Schul­den­union abgleiten. Schul­den­machen bleibt gefährlich, selbst bei Nied­rig­zinsen, und es ist gar nicht sicher, ob die Zinsen noch lange so niedrig bleiben werden.«

Das ist vor­sichtig for­mu­liert. In den USA liegt der Leitzins des Bun­desbank, Fed, zwar eben­falls bei 0 bis 0,25 Prozent – aller­dings hat die Fed erklärt, bei einer Infla­ti­onsrate von 2 Prozent den Satz zu erhöhen. Ihre Erwartung für 2021 liegt schon bei 2,5 Prozent. Tat­sächlich werden momentan aber 5 Prozent für rea­lis­tisch gehalten.

Gefragt, was an hohen Schulden so gefährlich sein, erklärt Blümel: »Wenn ich so stark über­schuldet bin, dass ich in schwie­rigen Zeiten keinen Spielraum habe, gegen­zu­steuern, dann habe ich ein Problem, egal wie niedrig die Zins­sätze sind.« Und Krisen gab es in den ver­gan­genen Jahren mehr als genug. »In den ver­gan­genen 20 Jahren hatten wir drei große Wirt­schafts­krisen«, führt Blümel als Beleg an: »Zuerst nach dem Platzen der Dotcom-Blase, dann die Finanz- und Wirt­schafts­krise, und dann kam Corona.« Anders als deutsche Poli­tiker wie Finanz­mi­nister Olaf Scholz weiß sein Kollege aus Öster­reich: »Nach diesen Erfah­rungen zu sagen, wir müssen unsere Finanzen nicht mehr in Ordnung bringen, weil die Zinsen so niedrig sind, das ist blau­äugig und kurzsichtig.«

Trotzdem, so der Minister, habe er »den Ein­druck, Länder wie Frank­reich und Italien würden am liebsten die Maas­tricht-Regeln abschaffen.« »Das ist mora­lisch und öko­no­misch bedenklich.« Wie gesagt, es ist nur ein Ein­druck, denn bisher hat niemand eine Abschaffung der Kri­terien von Maastrich gefordert.

Indes, Blümel kennt seine Pap­pen­heimer. »Aber das steckt doch hinter der Dis­kussion«, sagt er offen. »Mich erinnert das an die Debatte über den Wie­der­auf­bau­fonds vor einem Jahr.« Der Fond zur Unter­stützung in der Corona-Krise wurde flugs zu einem Ein­stieg in die Schul­den­union umge­münzt. »Erst mit nach­voll­zieh­baren Argu­menten und dem Verweis auf Soli­da­rität für ein Projekt zu werben«, erläutert Blümel, »um dann im Hin­ter­grund die eigent­liche Ideo­logie vor­an­zu­treiben, das ist nicht aufrichtig.«

Nun sucht Öster­reich nach Gleich­ge­sinnten. Blümel hat bereits einen Brief an seine EU-Kol­legen ver­schickt in denen er fordert, »dass die Fis­kal­regeln grund­sätzlich nach der Krise wieder wie bisher gelten und eine bud­getäre Nor­ma­li­sierung statt­findet, um die Sta­bi­lität und das Wachstum in Europa zu sichern.« Die Ver­schul­dungs­quoten der Staaten müssten »relativ zum Brut­to­in­lands­produkt mittel- und lang­fristig wieder sinken«.

Aus einigen Ländern kamen pos­itiive Reak­tionen, sagt Blümel. Gefragt, welche Länder das seien, hält er sich mit Rück­sicht auf die Länder, die noch nicht geant­wortet haben, zurück. Aller­dings deutet er an, dass skan­di­na­vische und bal­tische Staaten ähnlich dächten. Auch die Nie­der­lande gelten als Kri­tiker einer unge­hemmten Verschuldung.

»Wie hat Ihr deut­scher Amts­kollege Olaf Scholz auf Ihren Brief reagiert?«, will die Welt wissen. »Bisher haben wir von Deutschland noch keine kon­krete Rück­meldung.« Zuletzt wird Blümel deutlich: »Wenn Merkel jetzt die Schul­den­regeln aufgibt, ist das ein schwarzer Tag für Europa.«


Quelle: freiewelt.net