Seit dem 1. Juli gilt in Deutschland ein neues Grunderwerbssteuergesetz. Die Neuregelung besagt, dass in Fällen, wo mehr als 90 Prozent der Anteile einer Wohnungsbaugesellschaft übernommen, also gekauft werden, die Grunderwerbssteuer anfällt. Das Wohnungsunternehmen Vonovia beabsichtigt aber nicht 90 Prozent der Wohnungsgesellschaft „Deutsche Wohnen“ zu erwerben. Damit ist schlicht und einfach eine Steuerhinterziehung juristisch nicht gegeben. Es gibt keine „legale Steuerhinterziehung“. Die Frage, warum das alles passiert, warum die Gesetzesneuregelung, ist eine ganz andere.
Die Vonovia rollt nun ihren Plan aus. Erstens kauft sie weniger als 90 Prozent von dem Unternehmen „Deutsche Wohnen“. Zweitens kauft Vonovia nicht die Häuser, sondern die Aktien von „Deutsche Wohnen“. Das ist ein Unterschied, Vonovia kauft Anteile des Unternehmens. Die Gesetzesneuregelungen waren angekündigt worden, und man hat bei Vonovia offensichtlich schlicht abgewartet, was dabei herauskommt und dann ein paar fähige Juristen darangesetzt, das Ganze abzuklopfen und eine unangreifbare Strategie zu entwerfen.
Vonovia kauft seit mehr als fünf Jahren laufend Wohnungen auf. Nicht nur in Deutschland, auch in Frankreich, Schweden und Österreich. Mit der de facto Einverleibung des „Deutsche Wohnen“ Konzerns erklimmt Vonovia den Platz eins der europäischen Immobilienkonzerne. Die geplante Fusion wurde am letzten Dienstag verkündet. Ein besseres Image wird dem Konzern das nicht bringen. Er ist bei seinen Mietern nicht gut angesehen. Es gehe nur um Profitmaximierung und die Wohnungen seien oft in einem schlechten Zustand und überteuert.
Berichte darüber gibt es genügend. So schreibt der Spiegel schon 2018:
„Wer sich ansieht, wie Vonovia mit Mietern in Berlin, Hamburg, Dresden, Hannover, Potsdam, Konstanz, Köln, Magdeburg oder Witten umgeht, stößt auf die immergleichen Vorwürfe. Die Kosten steigen, die Rechnungen sind undurchsichtig und plausible Erklärungen liefert Vonovia oft nicht. (…) Wer nach dem Ursprung der Gewinnmaschine fragt, wird vielleicht an der Frankfurter Börse Antworten finden. Dort glänzt der Dax-Konzern Vonovia seit Jahren mit rasantem Wachstum. Seit dem Börsengang im Jahr 2013 ist der Aktienkurs um 148 Prozent gestiegen.“
Während die Kaltmiete dem Konzern nicht viel Gewinnmarge bringt, sind es die ständig steigenden Nebenkosten, die das Geld erwirtschaften. Denn Vonovia beauftragt dafür keine ortsansässigen Handwerker, was ja einen positiven Effekt für die Umgebung hätte. Vonovia hat diverse Tochterfirmen, um alle denkbaren Arbeiten zu erledigen, die in die Nebenkosten einfließen. Der Gewinn bleibt bei Vonovia und nicht bei ortsansässigen Handwerkern, und der Konzern kann auch vollkommen frei bestimmen, wie oft und welche Arbeiten gemacht und den Mietern in Rechnung gestellt werden. Wird dann noch etwas weniger sorgfältig gearbeitet, als das bei freien Handwerkern üblich ist … wer will sich bei wem darüber beschweren?
Die Mieter sind nicht glücklich: „
Viele beklagen, dass alles prima funktioniert habe, bis zu dem Zeitpunkt, als Vonovia vielen Betrieben vor Ort kündigte und selbst übernahm. Von da an seien die Leistungen schlechter geworden und die Kosten gestiegen — teilweise in großen Sprüngen. So auch bei Gerd Stimmelmaier und seinen Mitstreitern der Wohnanlage in Neuried bei München. Dort kletterten die allgemeinen Stromkosten um mehr als 40 Prozent, die Kosten für den Winterdienst verdreifachten sich. In einer anderen Wohnanlage in Dresden stiegen die Kosten für die Pflege der Außenanlagen um 70 Prozent. Ebenfalls in Dresden und auch in einer Hamburger Wohnanlage wurde der Winterdienst um 1900 Prozent teurer, die Kosten für den Hauswart erhöhten sich in drei Jahren um 135 Prozent. Auch in einer Wohnanlage in Witten war es der Winterdienst, der mehr als 70 Prozent teurer wurde. In der Magdeburger Helmholtzstraße stiegen die Müllgebühren für Vonovia-Mieter um 164 Prozent, die Wassergebühren um fast 60 Prozent und die Kosten für Beleuchtung um 223 Prozent.“
Besonders in Berlin war Vonovia die bestimmende Marktmacht auf dem Mietwohnungsmarkt. Dem Konzern gehören bisher zirka 415.000 Wohnungen in Deutschland, Österreich und Schweden. Die „Deutsche Wohnen“ hat insgesamt 155.000 Wohnungen in ihrem Bestand, davon befinden sich nicht ganz 40.000 in Berlin. Der neu entstehende Vonovia/Deutsche Wohnen-Konzern wird also allein durch seine Marktanteile und die Tatsache, dass auch keine „Restkonkurrenz“ mehr zwischen den beiden Platzhirschen auf dem Wohnungsmarkt mehr besteht „einen erheblichen Einfluss auf das Mietgefüge“ erhalten, wie Matthias Bernt vom Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung die Lage einschätzt.
Gleichzeitig will der neue Konzern 20.000 Wohnungen für etwa zwei Milliarden Euro an das Land Berlin verkaufen. Welche Wohnungen das sein werden, ist unbekannt. Man darf davon ausgehen, dass es nicht die bestgepflegtesten Filetstücke sein werden. Es dürfte dann wieder einmal dem Land Berlin obliegen, auf Steuerzahlerkosten die Wohnimmobilien grundzusanierieren.
Die Zeit formuliert in einem Kommentar zu diesen Vorgängen, die zwar juristisch regelkonform nach dem neuen Gesetz ablaufen das, was viele denken. Was den profitgierigen Wohnraumkonzernen erlaubt ist, davon können Privatleute nur träumen:
„Zum Vergleich: Familien, die – wenn sie überhaupt dazu in der Lage sind – eine Wohnung in Berlin kaufen, müssen in der Regel den Großteil ihrer Ersparnisse dafür einsetzen. Sie verschulden sich mit einem Immobilienkredit und müssen dann auf einen Schlag – je nach Kaufpreis – außerdem noch zehntausende Euro Grunderwerbsststeuer zahlen. (…) Den Immobilienkredit dürfen sie noch nicht einmal für die Finanzierung der Steuer verwenden, sondern müssen dafür weiteres Eigenkapital in die Hand nehmen oder einen teuren Ratenkredit aufnehmen. Und die meisten Familien kaufen eine Immobilie, um selbst darin zu wohnen und nicht, um damit Gewinne zu machen.“
Der Zeit-Kommentator Tina Groll spricht dabei auch an, was schon lange schwärt und Wasser auf die Mühlen der Linken und Grünen bei ihren Forderungen nach Enteignung der Wohnungskonzerne ist, nämlich dass ein übermächtiger Konzern, der Vonovia nun wird, praktisch unbeeindruckt sein Profitmaximierungskonzept ausbauen kann — zu Lasten der Mieter und zu Lasten der Bausubstanz, des Stadtlebens, des Mietspiegels, der Familien und der Stadtentwicklung.
Das Problem ist, dass hier eine Verstaatlichung die Absicht ist. Dabei würden zwar die Wohnungen nicht besser verwaltet, allerdings weniger profitgierig. Wird aber erst einmal eine Enteignung und Verstaatlichung möglich, wird es nicht bei Vonovia bleiben, so sehr man das anfangs auch beteuern mag. Die gesetzlichen Voraussetzungen sind dann da und werden ständig ausgeweitet, bis jeder private Vermieter, der sich ein Mietshaus als Altersvorsorge zusammengespart hat, auf der Hut sein muss, dass es keine Mieter-Beschwerden wegen Mängel oder zu hoher Miete gibt. Wo der Staat die rechtlichen Voraussetzungen zur Einmischung geschaffen hat, nutzt er sie früher oder später aus.
Vor allem, wenn er Geld braucht. Man darf nicht vergessen, dass bereits die rechtlichen Voraussetzungen einer Vermögensabgabe vom wissenschaftlichen Dienst des Bundestages geprüft worden sind – und unter bestimmten Bedingungen bejaht wurden.
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