Vera Lengsfeld: Von Rind­vie­chern, Drähten und Covid

Vor zwei Tagen erreichte mich eine E‑Mail eines meiner Unter­stützer, der mir darin einen Text seines 15-jäh­rigen Sohnes zur Ver­öf­fent­li­chung anbot. Ich finde diesen Text auch mit Blick auf das jugend­liche Alter des Autors durchaus beachtlich und komme dieser Bitte gerne nach:

(von Gast­autor Julius Schwarzer)

Von Rind­vie­chern, Drähten und Covid

Es war Wochenende, und eigentlich hatte ich mal aus­schlafen wollen. Aber irgendwas hatte mich geweckt. Erst dachte ich, es wären wieder die Tauben gewesen, die direkt vor meinem Gau­ben­fenster im Apfelbaum gurrten, aber dann hörte ich ein schnar­rendes Geräusch und wusste, dass es diesmal einer von unseren Zaun­kö­nigen geschafft hatte, mich aus dem wohl­ver­dienten Schlaf zu holen. Wenn ich nun schon einmal munter war, so wollte ich den kleinen Stö­ren­fried wenigstens auch sehen. Vor­sichtig nahm ich das Kissen aus der Gaube, welches ich dort rein­ge­stopft hatte, damit mich die Mor­gen­sonne nicht störte, und für ein paar kurze Momente sah ich tat­sächlich den kleinen Kerl, wie er auf dem Reetdach herum hopste. Es waren immer so abge­hackte abrupte Bewe­gungen, wie bei einem sto­ckend lau­fenden Film. Dazu der kurze auf­rechte Schwanz und das immer geschäftig auf­ge­regte Gebaren. Irgendwie fand ich diesen Vogel immer lustig. Es gefiel mir auch, dass er im Winter nicht in den Süden flüchtete, sondern sich hier durch die kalten Monate biss – so wie wir ja auch, die wir fest­ge­nagelt durch immer absurdere Regeln in immer engere Käfige gesperrt wurden. Plötzlich war der Zaun­könig weg. Ich hätte nicht einmal sagen können, in welche Richtung er ver­schwunden war, so schnell huschte er davon.

Ich dachte, wenn ich nun schon einmal wach bin, könnte ich auch auf­stehen und einen Spa­ziergang machen. Die Sonne lugte bereits durch die Sträucher und auch wenn es wieder mal den bei uns so häu­figen Wind hatte, schreckte mich das nicht. Eher im Gegenteil, denn so würden keine Tou­risten unterwegs sein und ich hätte die frühe Stunde für mich allein.

Ich zog mich also an und machte mich schnur­stracks auf den Weg zum Deich, vorbei am kleinen Strom­häuschen, über ein altes Stück Zaun und dann entlang des Weges zur Furt, die es hier einmal vor Urzeiten gegeben hatte. Kurz vor dem Deich pas­sierte ich die große Kuh­weide auf der die Rinder komi­scher­weise allesamt dicht an dicht direkt am Zaun standen. Sie wirkten unruhig und schienen auf irgendwas zu warten. ‚Denen gefällt wohl ihre Weide nicht mehr‘, dachte ich bei mir und erin­nerte mich an den Spruch, dass das Gras auf der anderen Seite des Zauns immer grüner erscheinen würde. Nun, in dem Fall stimmte das sogar, denn wo die Kühe gerade standen war alles mat­schig, während es nur einen Meter weiter knie­hohes saf­tiges Grün gab. Ein Schwarm Stare flog heran, spielte eine Weile über den Kühen und rauschte dann davon. Als wäre dies eine Art Signal gewesen, setzten sich plötzlich einige Kühe in Bewegung. Sie drehten sich weg vom Zaun und stampften los in Richtung der gegen­über­lie­genden Seite der Weide. Gut und gerne 1000 Meter waren es, bis man dort den Kop­pelzaun erreichte. Die Schritte wurden schneller und schneller. Schon mussten die ersten Kälber in Galopp fallen, um mit­halten zu können. Das Stampfen der Hufe wurde immer lauter. Dazwi­schen gab es die Rufe von Tieren, die scheinbar fragen wollten „Ey Leute, was ist denn bloß los? Wieso fangen wir an zu rennen?“ Das Trampeln wurde immer lauter, wie ein großes Rau­schen. Es erin­nerte an einen Sturm. Schließlich galop­pierte die gesamte Herde. Es kam ein Graben, einige Tiere wollten abbremsen, wurden jedoch von den Nach­fol­genden wei­ter­ge­drängt. Ich sah, wie min­destens eine Kuh stürzte und dabei zwei oder drei andere mitriss. Das Trampeln war nun zu einem Orkan ange­schwollen. Ich dachte nur ‚Wahnsinn!‘ und war froh, dass diese Lawine nicht auf mich zuraste. Wie ein ein­ziges gewal­tiges Untier tobte das Ganze auf den gegen­über­lie­genden Zaun zu. Ein dünner Draht, mehr nicht. Ich war mir sicher, dass diese tosende Urgewalt durch­brechen würde. Was sollte dieses bisschen Plas­tik­leine, umhüllt von etwas Metall mit schwachem Strom drauf denn schon bewirken. Doch plötzlich, nur wenige Meter vor dem unschein­baren Kabel, kam die Herde fast schon abrupt zum Stehen.

Ich stand da und konnte es nicht fassen. Ein paar der Kühe muhten. Es klang als würden sie nun fragen: „Und warum haben wir so einen Quatsch gerade gemacht?“ Andere Kühe ant­worten und für mich klang es nicht nach eine Erklärung, sondern eher nach einem: „Keine Ahnung, erklär du es mir!“

Ich musste irgendwie an diese dumme Covid-Hys­terie denken, die immer irr­wit­zi­geren Masken‑, Test- und Abstands­regeln. Nichts davon hatte wis­sen­schaftlich irgend­einen Sinn – jeden­falls nicht im Lichte einer ehr­lichen und pra­xis­ori­en­tierten Wis­sen­schaft. Ich dachte an die vielen Toten durch die Impfung. Men­schen, die ohne diesen Wahnsinn alle noch leben könnten. Ich dachte an die Stiko und ihre aber­witzige Emp­fehlung, nun auch noch Kinder zu impfen und das obwohl bekannt war, dass gesunde Kinder von Covid nicht nur nichts zu befürchten hatten, sondern dass sie auch keinen ein­zigen Men­schen gefähr­deten. Irgendwo hatte ich die Zahlen gelesen. Während von 1,7 Mil­lionen Men­schen nur ein ein­ziges Kind mit (nicht unbe­dingt an) Covid gestorben war, so waren bei den kli­ni­schen Tests zu den Impf­stoffen bei jedem 9ten Kind schwere Neben­wir­kungen auf­ge­treten. Und dies betraf nur die sofort sicht­baren Schäden, und es war klar, dass hier noch Einiges zu erwarten sein würde. Ich dachte an die Impf­fa­na­tiker in unseren Schulen, die uns trotzdem wie Vieh „durch­impfen“ lassen wollten und dies als „gute Tat“ und unsere „ver­dammte Pflicht für die Gemein­schaft“ bezeich­neten. Ich dachte an die Blut­krankheit in unserer Familie, die Ver­zweiflung meiner Eltern, und ich hatte Angst. Nicht um mich, sondern um meine jün­geren Geschwister.

Wann würde dieser Wahnsinn enden?

Wo ist der dünne Draht, der die Rind­viecher in den vor­deren Reihen zum Stehen bringt? Wann kommt sie, diese magische Grenze, ab der einfach keiner mehr Lust zu diesem dummen Galopp hat und die Herde einfach stehen bleibt – ganz gleich, ob da noch ver­einzelt einige Dummkühe „Weiter! Weiter!“ muhen?

Ich bin mitt­ler­weile oben auf dem Deich ange­kommen, von wo aus ich die gesamte Weide über­blicken kann. Ganz in der Nähe des Grabens liegt ein ein­zelnes Kalb auf dem Boden und bewegt sich nicht mehr. Eine Kuh steht daneben und stupst es immer wieder an. Dieser Anblick macht mich sehr, sehr traurig.

Ich wünschte mir fliegen zu können, grad wie der kleine Zaun­könig vorhin vor meinem Fenster. Ich würde einfach davon­hu­schen. Nein, nicht weg, sondern raus aus diesem schreck­lichen Leben, diesem Wahnsinn, dieser kom­plett durch­ge­knallten Gesell­schaft, der ich absolut rein gar nichts schulde, denn sie hat mir meine Jugend, ja viel­leicht sogar mein Leben zerstört.


Vera Lengsfeld — Erst­ver­öf­fent­li­chung auf dem Blog der Autorin www.vera-lengsfeld.de