Die Gespräche zur Bildung einer neuen Regierungskoalition sind in vollem Gange. Zu bereden gäbe es viel: steigende Preise, Meinungsfreiheit im Netz oder den Zustand der deutschen Wirtschaft zum Beispiel. Schlagzeilen macht derzeit aber eher ein anderes Thema, nämlich der Umgang mit der Droge Cannabis. Pünktlich zum Start der Sondierungen meldet sich SPD-Politiker Karl Lauterbach zu Wort und fordert die Legalisierung. Seine Äußerungen wurden quer durch die Medienlandschaft aufgegriffen. Kommt nun eine Kehrtwende in der Drogenpolitik?
Das sind die Positionen der Parteien
Denkbar wäre eine solche Entwicklung jedenfalls, zumal wenn die Union bei der Regierungsbildung außen vor bleibt. Denn die Konservativen geben sich in dieser Hinsicht skeptisch. Ganz anders FDP und Grüne, die schon seit längerem auf eine Legalisierung drängen. Sie halten die Politik der Prohibition für gescheitert und fordern den Verkauf in lizenzierten Fachgeschäften. Dies soll nach ihren Aussagen den Jugendschutz verbessern und notwendige Qualitätsstandards ermöglichen. Ganz so weit möchte die SPD aktuell noch nicht gehen. Sie befürwortet offiziell Modellprojekte für die regulierte Abgabe an Erwachsene. Dazu sollen auch begleitende Angebote zur Prävention und Beratung gehören. Eine vollständige Legalisierung ist also nicht über Nacht zu erwarten. Erste Schritte hin zu einer Lockerung sind aber wahrscheinlich. Wie genau sie ausfallen, hängt vom Ausgang der Koalitionsverhandlungen ab.
Welches Verhandlungsergebnis ist zu erwarten?
Vorbilder für einen solchen Richtungswechsel beim Cannabis gibt es genug. Mehrere europäische Länder erlauben schon jetzt mit gewissen Einschränkungen den Anbau sowie den Besitz für den Eigengebrauch. Wer zum Beispiel in Spanien Kryptonite Samen kaufen und damit ein paar Pflanzen heranziehen möchte, kann das unter bestimmten Bedingungen legal tun. Deutschland könnte einen ähnlichen Weg gehen. Insbesondere die Problematik von verunreinigtem Cannabis ließe sich auf diese Weise lösen. Außerdem würde dieser Schritt die Strafverfolgungsbehörden entlasten. Denn Polizei und Staatsanwaltschaft setzen derzeit noch erhebliche Ressourcen ein, um geringfügige Verstöße gegen das Betäubungsmittelrecht zu verfolgen. Allerdings gibt es viele Länder, die deutlich weiter gehen. So erlauben Kanada, Uruguay und einige Bundesstaaten der USA auch den Verkauf von Cannabis in Geschäften. Und in Holland wird diese Praxis zumindest geduldet.
Langfristige Entwicklung
Viele Beobachter rechnen damit, dass auch Deutschland irgendwann den Handel mit fertigen Cannabisprodukten legalisiert. Dafür spricht insbesondere das große wirtschaftliche Potential der Branche. Ein System von lizenzierten Verkaufsstellen würde nicht nur zahlreiche Arbeitsplätze schaffen. Eine Abgabe nach dem Vorbild der Tabaksteuer dürfte sich auch für den Fiskus als lukrative Einnahmequelle erweisen. Aktuell regt sich vor allem in der SPD noch Widerstand gegen eine solche Lösung. Wenn sich eine vorsichtige Lockerung als erfolgreich erweist, dürften aber viele Abgeordnete ihre Position überdenken. Somit ist durchaus denkbar, dass noch in dieser Legislaturperiode die vollständige Legalisierung erfolgt. Ist das nicht der Fall, dürfte das Thema spätestens bei der Bundestagswahl 2025 wieder auf den Tisch kommen.
Rund vier Jahre nach der Legalisierung von medizinischem Cannabis könnten nun die Weichen für eine weitere Lockerung des Betäubungsmittelrechts gestellt werden. Ob es soweit kommt, hängt vor allem vom politischen Willen bei Grünen und Liberalen ab. Starker Widerstand aus der SPD-Fraktion könnte das Vorhaben aber weiterhin zu Fall bringen.