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Insider-Whist­le­b­lo­werin: „Facebook und Instagram schadet Kindern, und Mark Zuckerberg schert es nicht“ (+Video)

Eltern wissen ein Lied davon zu singen: Sobald ihr Kind, meistens Mädchen im Teen­ager­alter, ihren eigenen Instagram-Account auf­machen, geht das Drama los. Dort sehen die Mädchen in diesem stark foto-las­tigen und text­armen sozialen Medium, wie die Stars und Sternchen, aber auch ganz normale junge Frauen und Mädchen allesamt ger­ten­schlank, durch­trai­niert, makel­loser Teint, per­fektes Make-Up und schicke Kla­motten, mehr oder weniger ange­zogen, immer aber in selbst­be­wussten, sexy Posen rei­hen­weise die Seiten füllen. Und dann sehen sie in den Spiegel, und das ist der Anfang ihrer Ess­stö­rungen, ihres Fit­ness­wahns und stun­den­langem Feilen an ihrem Aus­sehen, an Kör­per­formen, Haaren und Gesicht. Nicht wenige werden mager­süchtig, sogar Sui­zid­ge­danken sind häufig.

Eine Anhörung im Kon­gress. Eine schlanke Blondine, End­drei­ßi­gerin, sitzt vor dem Mikrofon, vor ihr nur wenige Blätter als Notizen. Ruhig und sachlich und auf den Punkt beant­wortet sie die Fragen der Sena­toren. Es ist ein schwarzer Tag für Mark Zuckerberg, der mit seinem sozialen Netzwerk „Facebook“ und dem Foto­portal „Instagram“ stein­reich geworden ist. Nicht nur, dass seine eigenen Tech­niker vor Kurzem das gesamte Netzwerk in die Grütze gefahren haben und Stunde um Stunde auf beiden Platt­formen gar nichts mehr ging. Die Kund­schaft war sauer, und der Verlust der Wer­be­ein­nahmen war astro­no­misch. Machte aber auch gleich­zeitig klar, wie viel Profit Facebook und Instagram mal so eben in ein paar Stunden einfährt.

Jetzt steht Herr Zuckerberg auch noch unter viel gefähr­li­cherem Beschuss: Frances Haugen ist die Blondine, die etwa zwei Jahre bei Facebook arbeitete und nun darüber aus­packt, was sie da so erlebt und beob­achtet hat. Facebook steht seit langen in der all­ge­meinen Kritik, aber Frances Haugen kann detail­liert von internen Abläufen berichten und fordert den Kon­gress auf, ein­zu­schreiten. Ihr Appell, dass Facebook den Profit über die Men­schen stellt, erreicht aus­nahms­weise einmal die gemeinsame Unter­stützung der Demo­kraten und der Repu­bli­kaner. Es sieht ganz danach aus, dass die Aus­sagen der jungen Frau Herrn Zuckerberg in Schwie­rig­keiten bringen könnten.

Einer­seits ist es ja zu begrüßen, dass Facebook und Instagram in ihren übelsten Aus­wüchsen gebremst werden. Ande­rer­seits wissen wir: Hat sich die Politik einmal eines so mäch­tigen Ein­fluss­nehmers wie Facebook und Instagram bemächtigt, wird immer mehr und mehr geregelt, zen­siert, befohlen, benutzt. Es könnte leider auch das Ein­fallstor für Bevor­mundung, Über­wa­chung (noch mehr als jetzt schon) und Zen­sie­rerei werden.

Ande­rer­seits scho­ckieren die Ein­blicke, die Frances Haugen gewährt, schon ziemlich: Der Druck, dem Teenager aus­ge­setzt sind, um in Punkto Aus­sehen und Geltung, Likes und Dis­likes per­fekte Auf­füh­rungen zu liefern ist so groß, dass manche jungen Men­schen ihre Gesundheit dafür rui­nieren. Sie richten den Haupt­au­genmerk ihres jungen Lebens auf ihre Prä­sen­tation und ihren Erfolg bei dem gna­den­losen Instagram und ver­nach­läs­sigen voll­kommen viel wich­tigere Dinge des Lebens. Besonders Mädchen, so Frau Haugen, ent­wi­ckeln auf­grund der Instagram-Ideal-Typen eine hand­feste Ess­störung. Junge Männer über­bieten sich im Muckis-Zeigen, domi­nante Posen ein­nehmen oder Kampf­sport­fotos posten. Sie sind aber in der Unterzahl im Ver­gleich mit den Mädchen auf dem Instagram-Jahr­markt der Eitelkeiten.

Dabei ist ja bekannt, dass die großen „Vor­bilder“, die gefei­erten „Influencer“ ihre Bilder mit einer auf Instagram her­un­ter­zu­la­denden Retu­schier-Software, dem Instagram-Filter, ihre Bilder oft extrem auf­hüb­schen. Da ver­schwinden Speck­röllchen. Pickel, und Uneben­heiten. Wes­pen­taillen und kna­ckige Popos lassen Bar­bie­puppen wie Mutters dicke Putzfrau daneben aus­sehen. Haare werden glänzend, wellig und füllig, wo eigentlich zer­bleichte Stroh-Nester zauseln. Augen werden pup­penhaft größer, Wimpern länger, Lippen voller. Der Teint makellos, wo vorher Puber­täts­pickel blühten. Die beiden Bilder unten sind von der­selben Dame. Das „gefil­terte“ in beiden Fällen links, rechts die grausame Wahrheit.

Es gibt Videos auf Youtube, die auf­decken, wie die Stars oder berühmten „Influencer“ ihre Fotos  fäl­schen, ein­schließlich der schon abstrusen Über­trei­bungen.  Das ist in dem Video (unten) auch bei Justin Biber gut zu sehen. Er hat ordentlich Puber­tätsakne, aber seine Fotos sehen ganz anders aus – und die „nor­malen Jungs“ fühlen sich wie mie­fende Mülleimer.

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Bis­weilen auch mit sehr eigen­wil­ligem Humor gewürzt, wenn man Jesus als Erfinder des Instagram ‑Filters vorstellt:

„Eine kaum bekannte Tat­sache ist, dass Jesus den Instagram-Filter erfunden hat“ (Youtube-Screenshot)

Kein Wunder, dass Jugend­liche Min­der­wer­tig­keits­pro­bleme bekommen, wenn sie über­se­xua­li­sierte, per­fekte Schau­fens­ter­puppen-Men­schen sehen. Jedes  Dritte Mädchen im Teen­ager­alter hat durch Instagram ein schlech­teres „Kör­perbild“ von sich selbst, haben zwei Studien fest­ge­stellt, die von Facebook selbst in Auftrag gegeben wurden.

Darin wurden Nut­ze­rinnen und Nutzer unter anderem dazu befragt, wie sie sich fühlten und welchen Ein­fluss Instagram auf ihr Befinden habe. ‚Wie­derholt fanden die For­scher des Unter­nehmens heraus, dass Instagram für einen beträcht­lichen Pro­zentsatz von jungen Nutzern schädlich ist, ins­be­sondere für Mädchen im Teen­ager­alter‘, schreiben die Jour­na­listen. Sechs Prozent der US-Nutzer hätten auf­grund der Plattform sogar schon einmal Sui­zid­ge­danken gehegt. Und generell würden viele Nut­ze­rinnen Instagram als Grund nennen, weshalb es ihnen schlecht ginge und sie sich unat­traktiv fühlten.“

Frances Haugen spricht in der Kon­gress-Anhörung von den haus­in­ternen Studien, in der klar erkennbar werde, sagt sie, dass diese fal­schen Schön­heits­ideale Gift für die jungen Leute sind. Dass sie sich krank hungern, krank trai­nieren, sich für ihre Körper schämen, schwere psy­chische und phy­sische Schäden davon­tragen, massive Kom­plexe bis zur sozialen Dys­funktion ent­wi­ckeln. Aber Herr Zuckerberg, den sie per­sönlich dafür ver­ant­wortlich macht, weil er wider bes­seres Wissen diesen Psycho-Krieg gegen junge Frauen laufen lässt, stelle eben den Profit über die Menschen.

Das nächste ist die Angst vor den Kom­men­taren. Wer schon ein ange­schla­genes Selbst­be­wusstsein hat, kann sich hier, auf diesen Platt­formen den Blatt­schuss bei gehäs­sigen her­ab­set­zenden Kom­men­taren holen, wenn er oder sie so erscheint, wie Gott ihn oder sie eben schuf. Wer kennt denn schon die realen Fotos der per­fekten Celebrities?

Eine weitere Infor­mation der Whist­le­b­lo­werin aus dem Herzen des Zuckerberg-Impe­riums lässt auf­horchen: Frau Haugen spricht ganz deutlich an, dass der „Newsfeed“, also die Nach­richten, die Facebook und Instagram als aller­erstes zeigen, wenn man sich dort ein­loggt. Solche Mel­dungen machen auch Yahoo oder Web.de, sobald man auf die Start­seiten geht. Nur sind das die Nach­richten aus dem Main­stream und für alle gleich, die auf die Start­seite auf­ploppen, während Facebook offenbar einen ganz eigenen Algo­rithmus hat, welche Nach­richten für welchen Nutzer erscheinen … und welche nicht. Facebook ver­stecke ganz gezielt „wichtige Infor­ma­tionen vor der Öffent­lichkeit“ beschuldigt die ehe­malige Mit­ar­bei­terin den Social-Media-Giganten. „Das Problem ist das Design des Algo­rithmus“, sagt sie – und dass nur Facebook wisse, wie und nach welchen Kri­terien die Feeds der Nutzer per­sönlich zuge­schnitten würden.

Erinnert sich jemand an den Cam­bridge Ana­lytica-Skandal? Die bri­tische Daten­schutz­be­hörde ICO hat ihre Ermitt­lungen in diesem Fall abge­schlossen. Der Fall bleibt eine der wich­tigsten Ent­hül­lungs­ge­schichten des Jahr­zehnts und Facebook steckt mit­tendrin. Die Mar­ke­ting­firma Cam­bridge Ana­lytica hatte die Daten von 87 Mil­lionen Facebook-Nutzern benutzt und für psy­cho­lo­gi­sches Pro­filing ein­ge­setzt. Die mit ihnen irgendwie – auch über mehrere Sta­tionen —  ver­bun­denen Nutzer auf Facebook erhielten dann pas­sende Infor­ma­tionen und Nach­richten, neue Ver­net­zungen mit Trump-Unter­stützern usw., um dem US-Prä­si­dent­schafts­kan­di­daten Donald Trump zum Wahlsieg zu ver­helfen. Orches­triert hatte das Trumps Mann für solche „Dark Ope­ra­tions“, Steve Bannon. Die Ermitt­lungen ergaben zwar, dass der Effekt dieser Mag­gelei mit den Nut­zer­daten bei weitem nicht so groß war, wie es sich anfangs dar­stellte, als die ganze Sache aufflog. Dennoch ist es immer noch ein von den Daten­struk­turen in  Facebook ermög­lichter Skandal:

Der zu dem Zeit­punkt noch bei der Uni­ver­sität Cam­bridge ange­stellte For­scher Alexandr Kogan ergau­nerte den Daten­schatz für Cam­bridge Ana­lytica, indem er Facebook vor­spielte, sie für wis­sen­schaft­liche Zwecke zu sammeln. Er hatte eine App für die Dritt­an­bie­ter­plattform in dem Sozialen Netzwerk ent­wi­ckelt. Über das Per­sön­lich­keitsquiz „thi­sisy­our­di­gi­talife“ konnte er nicht nur die Daten der Nutzer:innen, sondern auch all ihrer Facebook-Kon­takte sammeln, ohne das diese es auch nur mit­be­kommen hätten. (…)
Nicht nur die von Kogan berech­neten psy­cho­gra­phi­schen Profile der Facebook-Nut­ze­rinnen gehörten dazu, sondern auch sämt­liche Likes und die Social Graphs der Betrof­fenen, also die Abbildung all ihrer sozialen Bezie­hungen in dem Netzwerk.
Dass Facebook dieses Tor zu den Daten seiner Nutzer:innen für App-Entwickler:innen über­haupt so weit auf­ge­lassen hatte, ist ein zen­trales Element des Skandals. Schließlich hatte der Konzern etliche interne War­nungen über einen flo­rie­renden Schwarz­markt mit den Nutzer:innendaten viel zu lange igno­riert und Dritt­an­bieter auf seiner Plattform über­haupt nicht kon­trol­liert. Bis heute hat Mark Zuckerberg sein Ver­sprechen an den US-Senat nicht ein­gelöst, weitere Daten­ab­flüsse an andere App-Entwickler:innen trans­parent auf­zu­ar­beitenn. Und bis heute weigert sich Facebook, anders als Twitter und Google, Micro­tar­geting im poli­ti­schen Kontext ein­zu­schränken.“
 

Eine so aus­ge­buffte Beein­flussung, die für die Nutzer über­haupt nicht zu erkennen ist, ist genauso wirksam wie amo­ra­lisch. Facebook hat nichts dazu­ge­lernt und will es auch gar nicht.