Die gesamte Lieferkette ist ein Chaos, so auch bei Getreide, Obst und Gemüse. Wir nehmen das Überangebot in unseren Supermärkten als selbstverständlich hin. Dass das meiste aus dem Ausland kommt, sollte mittlerweile jedem Verbraucher klar sein. Während Europa Raps aus dem 18.000 km entfernten Australien importiert, importiert Italien für sein Pasta Hartweizen aus dem etwa 7.000 km entfernten Kanada, dem weltweit größten Produzenten von Hartweizen. Seit Mai 2021 leidet Kanada unter einer Hitzewelle, die durch exzessive historische Dürren angeheizt wurden. Das nordamerikanische Land gehört nicht nur bei Weizen, zu den wichtigsten Exporteuren der Welt, sondern auch bei Gerste. Aufgrund der extremem Hitze und Dürre gibt es in Kanada zu wenig Weizen und somit keine Pasta in Italien. Nicht einmal während des 2. Weltkriegs gab es derartige Lieferengpässe bei Getreide wie jetzt.
Und solange Nahrungs‑, Futtermittel- und Kraftstoffhersteller um die gleichen Agrarrohstoffe konkurrieren, bleibt die Sicherung der Nahrungsmittelversorgung eine Herausforderung, die durch den Klimawandel und die damit verbundenen unberechenbaren Wetterbedingungen zusätzlich erschwert wird. Mittlerweile werden Lebensmittel um die ganze Welt gekarrt, ob Obst und Gemüse oder auch Fleisch. Und auch Getreide kommt längst aus fernen Ländern, Pestiziden inklusive. Wer weiß wirklich noch, woher die Produkte kommen, die der Verbraucher in seinem Einkaufswagen legt? Viele Lebensmittel haben bereits einen langen Weg hinter sich, bevor sie in den Regalen landen. Doch kommt es in diesen Ländern zu einer Dürre oder Überschwemmungen, führen die Ernteeinbrüche zu einer Gefährdung der Lebensmittelversorgung und zu einer enormen Preissteigerung. Diese Situation wird auch gern von Betrügern genutzt. Da auch viele Bio-Produkte aus fernen Ländern kommen, tragen sogar Produkte aus China das EU-Biosiegel, obwohl es sich gar nicht um Bio handelt. Und während Europäer Tomaten aus China bekommen zerstören italienische Tomaten dank Ausbeutung und durch Subventionen den australischen Markt.
Hersteller warnen: Keine italienische Pasta mehr ab Anfang 2022?
Es gibt kaum Getreide für die Nudelherstellung. Das betrifft vor allem die Unternehmen in Italien. Hauptgrund: der Klimawandel.
Italiens Pastahersteller machen sich Sorgen um mögliche Engpässe bei den Getreide-Lieferungen. Wegen des starken Rückgangs bei der Getreideproduktion in Kanada in diesem Sommer würden in Italien ab Anfang 2022 Probleme mit der Nudelherstellung drohen, warnte Giuseppe Ferro, Geschäftsführer des drittstärksten italienischen Pastahersteller Molisana. Das Unternehmen verarbeitet 220 Tonnen Weizen pro Tag.
Pastahersteller seien nicht nur mit zunehmenden Getreidepreisen konfrontiert. Die Schwierigkeiten betreffen auch die Beschaffung des Rohstoffs, beklagte Ferro im Interview mit der Mailänder Wirtschaftszeitung „Sole 24 Ore“. Das Problem liegt in Kanada, dem weltweit stärksten Produzenten von Hartweizen. Aktuell ist die Produktion dort von 6,5 auf 3,5 Millionen Tonnen gesunken.
Manitoba-Bauern nennen die Dürre, die „schlimmste, die sie je gesehen haben“
Kanada ist das zweitgrößte Land der Welt. Riesige Mähdrescherkolonnen und gigantische Felder, das ist das Bild, das viele von Kanada haben. Saskatchewan ist mit 44 Prozent des kanadischen Ackerlandes die „Kornkammer“ Kanadas. Sie grenzt im Westen an Alberta und im Osten an Manitoba. Doch die „Kornkammer“ Kanada leidet unter einer schrecklichen Dürre. Und nicht nur Kanadas Vollweizenproduktion leidet, sondern auch die Tiere. Die Farmer haben nicht mal Futter, um die Tiere zu ernähren.
Ausgetrocknete Böden und rekordhohe Temperaturen in Kanadas westlichem Erntegürtel haben die landwirtschaftlichen Erträge eines der größten Weizenexportländer und der größten Rapsanbaunation der Welt stark reduziert. Die Dürre hat Müller und Bäcker gezwungen, mehr für Sommerweizen zu bezahlen, und die Rapspreise auf Rekordhöhen getrieben. Statistics Canada schätzte im diesjährigen ersten Bericht über die Pflanzenproduktion die Vollweizenernte auf 22,9 Millionen Tonnen, 35 % weniger als im Vorjahr.
„Ich denke, Käufer auf der ganzen Welt haben bereits große Veränderungen vorgenommen“, sagte Brian Voth, Präsident von IntelliFARM, einem Beratungsdienst für Landwirte. „Es muss viel rationiert werden.“
Lieferengpässe Nudeln
In Deutschland führte die Pandemie im Frühjahr 2020 zu Hamsterkäufen. Besonders beliebt waren dabei haltbare Lebensmittel wie zum Beispiel Nudeln. Analysten schätzen den Pro-Kopf-Nudelabsatz 2020 auf 10,3 Kilogramm pro Kopf – also fast 21 Packungen á 500 Gramm.
.In Deutschland sind Nudeln ohnehin sehr beliebt. Doch während der Pandemie ist die Nachfrage nach italienischem Pasta explodiert. Auf dem Pasta-Weltmarkt spielen die großen italienischen Konzerne eine gewichtige Rolle. Konzerne wie Barilla oder De Cecco produzieren jedes Jahr mehr als 3,2 Millionen Tonnen Nudeln. Über 50 Prozent davon gehen in den Export.
„Die Gefahr ist, dass kleinere Pastahersteller ohne Getreide bleiben. Nicht einmal während des Zweiten Weltkriegs fehlte so viel Weizen„, beklagte Ferro, sein Unternehmen verarbeitet 220 Tonnen Weizen pro Tag. Seine Sorgen teilen weitere Pastaproduzenten in Italien.
Vier Konzerne dominieren den Im- und Export der benötigten Agrarrohstoffe!
Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und die Louis Dreyfus Company. Die große Marktmacht ermöglicht den ABCD-Konzernen, die Weltagrarmärkte zu beeinflussen und bei der Aushandlung von Preisen ihre enorme Verhandlungsmacht gegenüber Erzeugern auszuspielen.
Immer weniger und größere werdende Konzerne weiten ihre Kontrolle über Landwirtschaft und Ernährung aus – zulasten von Kleinbauern und der regionalen Lebensmittelversorgung. Ein stark konzentrierter Bereich ist der Welthandel mit Agrarrohstoffen: Mittlerweile kontrollieren diese vier Großkonzerne – die berühmte ABCD-Gruppe rund 70% des Welthandels mit Agrarrohstoffen. Weizen, Mais und Soja sind die drei wichtigsten globalen Handelsgüter.
Der Flächenanteil von Deutschland an der Gesamtfläche der EU liegt bei 8,1 Prozent. Den größten Anteil der Landfläche der EU nimmt Frankreich mit 14,6 Prozent, gefolgt von Spanien mit 11,4 Prozent ein. Wenn man bedenkt, dass Deutschland der größte Fleischproduzent der Welt nach China ist und die der Anbau von Mais für Bioenergie stetig zunimmt, sollte einem spätestens jetzt bewusst werden, dass Deutschland seine Bürger nicht ernähren kann, es sei denn, es handelt sich um Fleisch.
Getreide wird an der Börse gehandelt
Dass Getreide an der Börse als Rohstoff gehandelt wird, verschweigt man lieber. Denn so mancher Landwirt beteiligt sich selbst an dieser „Spekulation“.
Die größte Terminbörse für Weizen ist die Chicago Board of Trade (CBOT). In Deutschland kann man unter anderem Weizen an der Terminbörse in Hannover handeln.
Vor allem das Klima spielt beim spekulativen Handel mit Weizenarten eine große Rolle. Dürre und Überflutungen können zu Ernteausfällen und größeren Marktpreisschwankungen führen.
Wie der Verband der Getreide‑, Mühlen- und Stärkewirtschaft (VGMS) am 02.09.2021 in Berlin warnte, verliert die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln aus der Region im hart umkämpften europäischen Lebensmittelmarkt immer mehr an Wettbewerbskraft.
Immer mehr Investoren legen ihr Geld in einem Weizenfeld an. Bedeutet, dass nicht nur mit Ackerland spekuliert wird, sondern an den Börsen auch mit Getreide. In den vergangenen Monaten sind die Getreidepreise an der Börse weltweit gestiegen. Nicht nur die berühmte ABCD-Gruppe profitiert, sondern auch reiche Investoren.
Immer mehr Länder, Nahrungsmittelkonzerne, Banken und Investmentfonds pachten langfristig Ackerland, sogar in den afrikanischen Entwicklungsländern. Weltweit steigen die Agrarpreise. Vor allem Raps und Weizen stehen hoch im Kurs, aber auch Reis und Mais bringen sichere Rendite. Von diesem Geschäft wollen viele profitieren. Konzerne, Banken, Investmentfonds und sogar Länder wie China und Saudi Arabien sichern sich weltweit gigantische Anbauflächen, um dort Lebensmittel für den Weltmarkt oder im Falle Chinas für den Eigenbedarf anzubauen. Experten schätzen, dass allein in den vergangenen Jahren zwischen 22 und 50 Millionen Hektar Land in Afrika, Asien und Lateinamerika an ausländische Investoren veräußert wurde. Das entspricht fast der Hälfte der Anbaufläche von ganz Europa.
Backwaren werden teurer
Solange Nahrungs‑, Futtermittel- und Kraftstoffhersteller um die gleichen Agrarrohstoffe konkurrieren, bleibt die Sicherung der Nahrungsmittelversorgung eine Herausforderung, die durch den Klimawandel und die damit verbundenen unberechenbaren Wetterbedingungen zusätzlich erschwert wird. Genau das erleben wir zurzeit weltweit.
Es gibt seit 10 Jahren einen enormen Anstieg der weltweiten Maisproduktion und zwar für die Produktion von Biokraftstoffen. Ein Grund ist die Subventionierung des Energiemaises. Auf Grund der knapper werdenden Anbauflächen steigen die Pachtpreise. Die Fläche zum Anbau von Energiepflanzen für Biogas beträgt in Deutschland inzwischen schon Millionen Hektar, was ca. ein Zwölftel der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche in Deutschland ausmacht.
Nicht nur für Nudeln braucht es Weizen, sondern auch für Brot. Deutschland exportiert nicht nur Weizen, sondern importiert auch. Im Jahr 2020 wurden rund 3,96 Millionen Tonnen Weizen nach Deutschland eingeführt.
Ein Wahnsinn: Da werden Lebensmittel um die ganze Welt gekarrt, ob Obst und Gemüse oder auch Fleisch
Containerprobleme in Häfen führen zu Rekordverzögerungen. Hafenschließungen durch den Ausbruch vom Virus auf der Exportseite sowie Kapazitätsprobleme auf der Importseite tragen dazu bei, dass Schiffe in rekordverdächtigen Warteschlangen stecken bleiben. Schiffe kommen manchmal mit wochenlanger Verspätung in den geplanten Häfen an. Allein Ende August warteten vor den Häfen von Los Angeles und Long Beach mehr als 40 Containerschiffe vor dem Hafen, um anzulegen. 90% der Schiffe, die Häfen anlaufen, mussten ankern und warten, bevor ein Liegeplatz frei wird. Coronabedingte Störungen in großen chinesischen und vietnamesischen Häfen haben auch in diesem Teil der Welt zu langen Warteschlangen von Schiffen geführt. Auch Reedereien meiden bestimmte Häfen lieber in ihren Fahrplänen.
Lieferengpässe sowie Kostensteigerungen bei zahlreichen Rohstoffen – die Situation ist extrem besorgniserregend
Die Obsternte in Griechenland, Nord-Mazedonien und Frankreich wird voraussichtlich nur 40 Prozent einer Normalernte betragen, wie der europäische Verband der obst- und gemüseverarbeitenden Industrie (PROFEL) in Brüssel mitteilt. Auch die Ernten in Spanien und Italien sind stark bedroht.
Wer weiß wirklich noch, woher die Produkte kommen, die der Verbraucher in seinem Einkaufswagen legt? Weintrauben aus Afrika, Spargel aus Peru oder Spargel in Gläsern aus China. Auch der Apfel reist global, und da Fleisch billig in Brasilien produziert wird, landet es weltweit auf den Tellern. Rund 50 000 km stecken in einem durchschnittlichen Einkaufswagen. Kaufen Sie Bananen, kommen diese von Dole und werden meist in Costa Rica angebaut. Bevor sie in den Discountern günstig angeboten werden, haben sie meist eine 12 – 18 tägige Schiffsreise hinter sich.
Und nicht nur die Pastaherstellung in Italien droht zusammenzubrechen, sondern auch die verarbeitende Industrie sprechen bereits von einem Totalausfall. Rohwarenbestände aus der letztjährigen Ernte sind nahezu überall weitestgehend aufgebraucht.
Von einem Tag auf den anderen werden Lieferketten unterbrochen, denn genau dort, wo Obst und Gemüse, aber auch Getreide für Europa angebaut wird, gefährden Wetterextreme die Ernten. Nicht einmal während des 2. Weltkriegs gab es derartige Lieferengpässe bei Getreide wie jetzt.
Netzfrau Doro Schreier
Quelle: netzfrauen.org
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