Corona bald vor den Arbeitsgerichten?

Müssen Richter einige Lan­des­fürsten zurück­pfeifen? — Fik­tiver Ablauf einer kom­menden Gerichtsverhandlung

Die „Experten“ und ihre will­fäh­rigen Poli­tiker haben versagt. Die Impfen-impfen-impfen-Stra­tegie und die These der Her­den­im­mu­nität haben sich in der Praxis nicht bestätigt. Auch ohne vor­han­denen Impf­stoff war die Lage vor einem Jahr besser als jetzt, obwohl die Herde so ziemlich alles mit sich machen ließ. Ich wusste es zwar als medi­zi­ni­scher Laie auch nicht besser, maßte mir das aber auch nicht an, wie es unsere „Spit­zen­po­li­tiker“ tun. Aber sie lernen anscheinend nichts dazu. Wenn „voll­ständig geimpft“ nicht zum gewünschten Erfolg führte, dann müsse eben noch voll­stän­diger geimpft werden. OK, viel­leicht hilft es diesmal, die Hoffnung stirbt zuletzt.

Wer noch nicht „ver­impft“ ist, solle nun zwangs­ge­impft werden – jeden­falls in Gesund­heits­be­rufen. Denn die Kom­men­ta­toren in den Sen­de­an­stalten und Zei­tungs­häusern behaupten, die „Impf­ver­wei­gerer“ hätten die jetzige Situation zu ver­ant­worten. Der Chef­re­dakteur der Badi­schen Zeitung Politik hetzt sogar, „Die Mehrheit hat ihn (den Zustand) einer Min­derheit der Unbe­lehr­baren zu ver­danken“. Wenn das keine Volks­ver­hetzung ist – aber die Medien dürfen das. Und die Politik hängt ihr Denken in den Wind und handelt ent­spre­chend der Gehirn­wäsche durch die Mei­nungs­macher. Nehmen wir nun als Bei­spiel einen Fall aus meiner Ver­wandt­schaft. Eine Kran­ken­schwester wartet auf die Zulassung eines bestimmten, nicht gen-basierten Impfstoffs.

Der Kran­ken­haus­träger glaubt, dieser Kran­ken­schwester kün­digen zu müssen, weil der Gesetz­geber die Impfung nur mit markt­üb­lichen Spritzen vor­schreibt, weshalb sie noch keinen Stich hat. Der Arbeit­geber ist fair und ermahnte die Beschäf­tigte, sich schnellstens impfen zu lassen, ansonsten eine Kün­digung erfolgen müsse, bzw. ein Rück­tritt vom Arbeits­vertag, weil die Beschäf­tigte die ver­ein­barte Arbeits­leistung nicht erbringen dürfe. Der Gesetz­geber erlaube das nicht mehr ohne Anti-Corona-Spritze. Der Arbeit­geber wird sich ver­mutlich auf § 313 BGB Störung der Geschäfts­grundlage berufen. Hier ein Kom­mentar zur Rolle von Corona im zivilen Ver­trags­recht, was aber auch im Arbeits­ver­hältnis ein­schlägig ist. Ebenso auf § 314 BGB Kün­digung aus wich­tigem Grund und § 323 BGB Rück­tritt vom Arbeits­vertrag sind relevant. Ein anderer Arbeits­platz kann der Arbeit­geber nicht anbieten, obwohl die Kran­ken­häuser ersticken in Doku­men­ta­tions- und Verwaltungspflichten.

Dieser und viele andere Fälle werden vor den Arbeits­ge­richten landen. Deshalb wird hier nun eine fiktive Ver­handlung durch­ge­spielt:

Der Anwalt der Klä­gerin würde bestreiten, dass seine Man­dantin eine besondere Gefahr für andere Beschäf­tigte und Pati­enten dar­stelle. Die Klä­gerin werde pflicht­gemäß täglich (negativ) getestet und trage die gleiche Schutz­kleidung wie andere. Sie könne andere noch weniger anstecken, als es die Geimpften des Hauses tun, die weniger streng oder über­haupt nicht getestet würden. Auch die Pati­enten würden vor der Auf­nahme getestet und infi­zierten sich, wenn über­haupt, mit Kran­ken­haus­keimen, kaum mit Corona. Schon gar nicht durch regel­mäßig getestete Unge­impfte wie die Mandantin.

Weiter: Die Wahr­schein­lichkeit, dass die Klä­gerin jemand anstecke, sei quan­ti­tativ geringer als die Anste­ckungs­wahr­schein­lichkeit durch die 80 Prozent geimpfter Kol­le­ginnen und Kol­legen, die genauso poten­zielle Viren­träger wie sie sein könnten. Durch den nicht regle­men­tierten 2G-Zutritt zu Sport, Kultur, Gast­stätten, Festen und vielem mehr, kam und komme es zu Anste­ckungen innerhalb der Gruppe der Geimpften. Die Nicht­ge­impften würden nach den 2G-Ver­an­stal­tungen dann von den­je­nigen Teil­nehmern ange­steckt, die sich dort infi­ziert haben könnten.

Die behauptete Annahme, dass die 20 Prozent erwachsene Nicht­ge­impfte wie die Klä­gerin eine Infek­ti­ons­gefahr für das Kran­kenhaus und die Umwelt dar­stellten, sei geringer als sie der Quote von einem Fünftel ent­spreche. Das Frei­zeit­ver­halten von Unge­impften und der Klä­gerin sei bereits so stark ein­ge­schränkt, dass sie nur noch arbeiten, ein­kaufen und daheim sein könnten. Die Klä­gerin halte trotzdem ihre Arbeits­leistung nicht zurück, sagt der Anwalt, obwohl ent­spre­chend einer Wahr­schein­lich­keits­rechnung die meisten der Coro­na­pa­ti­enten durch Geimpfte ange­steckt würden. Ohne die Arg­lo­sigkeit der Geimpften gäbe es weniger als die Hälfte Coro­na­pa­ti­enten und keinen Pfle­ge­not­stand im Krankenhaus.

Die Ver­fügung des Gesetz­gebers und ent­spre­chenden Anordnung des Kran­ken­hauses, dass die Klä­gerin nur geimpft arbeiten dürfe, sei eine will­kür­liche und sit­ten­widrige Vor­schrift, die rechts­un­wirksam sei. Sie sei weder mit dem Ver­ur­sa­cher­prinzip, noch mit dem Gleich­be­hand­lungs­gebot, noch mit höher­ran­gigem Recht zu ver­ein­baren, würde der Anwalt der Klä­gerin abschließend vortragen.

Die fast sprachlose Beklag­ten­an­wältin würde wohl in der Sache kaum gegen den schlüs­sigen Sach­vortrag des Klä­ger­an­walts ankommen und sich hierauf beschränken: Hier sitze ich, ich kann nicht anders als ent­ge­gen­zu­halten, der Gesetz­geber lasse dem Arbeit­geber keine andere Wahl als die Trennung vom unge­impften Pfle­ge­per­sonal. Die Frage sei lediglich, ob über­haupt eine förm­liche Kün­digung erfor­derlich sei und nicht schon alleine auf­grund des BGB der Arbeits­vertrag als auf­ge­hoben gelte. Eine ver­hal­tens­be­dingte Kün­digung komme nicht infrage, weil die Kran­ken­schwester sich dienstlich nichts habe zuschulden kommen lassen.

Der Arbeit­geber bedauere das alles, weil er mit der Kran­ken­schwester zufrieden sei und nicht wisse, wie er sie ersetzten könne. Ein Ver­gleich, die Kran­ken­schwester bis zur Impfung bezahlt frei­zu­stellen und sich das Gehalt wie bei Qua­rantäne und Kurz­arbeit ersetzen zu lassen, werde wegen Aus­sichts­lo­sigkeit nicht wei­ter­ver­folgt. Poli­tiker stünden erfah­rungs­gemäß nicht für das gerade was sie tun.

Die Arbeits­richter hätten in der Vor­be­spre­chung die Auf­fassung ver­treten, die Sache sei eigentlich klar sei und zögen sich zur Beratung zurück. Und kämen zum Ergebnis, egal, wie wir ent­scheiden, die Anwälte würden Sprung­re­vision bean­tragen. Oder spä­testen in der nächsten Instanz würde ein Vor­la­ge­be­schluss an den EuGH erwirkt werden. „Möge der Kelch an uns vor­über­gehen, den die Lai­en­spiel­schar Lan­des­re­gierung an uns wei­ter­ge­reicht hat“, würden sie wohl denken. Das Gericht würde den Gerichtssaal wieder betreten und die Meinung ver­treten, dass eigentlich beide Seiten Recht hätten. Der Jura­student im Zuhö­rerraum würde einen (uner­laubten) Zwi­schenruf machen, „Sie können doch nicht beiden Recht geben!“ Auf eine Rüge ver­zichtend würde der Vor­sit­zende Richter ant­worten; „Und Sie haben eben­falls Recht“.

Das Schöne an einer Gerichts­ver­handlung ist, dass kein Medi­en­ver­treter schul­meis­terlich solche Sach­vor­träge ver­hindern kann, allen­falls anschließend sinn­ent­stellt darüber berichten. Und je nach Ausgang des Ver­fahrens das Gericht loben oder in der Luft zer­reißen, wie es gute Unsitte unter den Bes­ser­wissern ist. „Auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand“, lautet eine Rede­wendung. Seien wir gespannt, ob sich unsere Corona-Herr­schaften der Gerichts­barkeit aus­setzen werden, oder sich von ratio­nalen Argu­menten wie hier über­zeugen lassen.

Belassen es die Norm­geber bei der Fokus­sierung auf die paar Unge­impften als neue Sün­den­böcke, lässt sich die Epi­demie mit Sicherheit nicht erfolg­reich bekämpfen, allen­falls die Per­so­nalnot im Gesund­heits­be­reich ver­schärfen. Diese gehören eigentlich vor Gericht gestellt!

*Der Autor war von jungen Jahren an mit dem Arbeits- und Sozi­al­recht befasst. Zuerst als Betriebsrat, Gesamt­be­triebsrat, später als Rechts­se­kretär, ehren­amt­licher Arbeits­richter, zuletzt als Lan­des­ar­beits­richter. Mit dem Aus­scheiden aus dem Berufs­leben war dieses Amt auf­zu­geben – die Kom­petenz als Arbeits­rechtler blieb.

—————————————

Dieser Artikel erscheint auch auf der Web­seite des Autors