Hacker­an­griffe auf Arzt­praxen – sen­sible Pati­en­ten­daten in Gefahr

Wir sind auf dem Weg in eine digitale Dik­tatur: glä­serner Bürger, glä­serner Patient. Im Gesund­heits­wesen ist ein lau­fender Betrieb ohne digitale Infra­struktur inzwi­schen undenkbar. Das macht die Medizin ver­wundbar für Cyber­an­griffe, immer öfter ver­schaffen sich Kri­mi­nelle Zugang zu sen­siblen Pati­en­ten­daten. Kürzlich hat die Kas­sen­ärzt­liche Bun­des­ver­ei­nigung (KBV) vor zuneh­menden Hacker-Angriffen gewarnt, die Bedrohung von IT-Sys­temen im Gesund­heits­wesen steige ständig. Zwi­schen 2017 und 2019 ist eine von 25 Arzt­praxen min­destens einmal Opfer von Cyber-Angriffen geworden, Apo­theken sind noch öfter betroffen, ebenso Kli­niken und auch Firmen, die ent­spre­chende Software anbieten. 

Anfang November wurde der hes­sische Praxis-Software-Anbieter Medatixx Opfer einer solchen Attacke, knapp ein Drittel der nie­der­ge­las­senen Medi­ziner in Deutschland nutzen die Software des Unter­nehmens. Medatixx konnte nicht aus­schließen, dass Daten geklaut wurden und empfahl seinen Kunden dringend, unver­züglich die Pass­wörter zu ändern. Wie laufen solche Cyber-Attacken ab? Viren werden in Umlauf gebracht und ver­schlüsseln die Daten auf dem Com­puter, so dass die Mit­ar­beiter keinen Zugriff mehr auf Pati­en­ten­daten haben. Oft ver­langen die Täter für die Ent­schlüs­selung ein Lösegeld, das kann den Pra­xis­alltag vor­über­gehend fast lahm­legen und bedeutet Kosten für IT-Experten, die das System wieder in Gang bringen müssen. 2016 kata­pul­tierte ein Cyber-Angriff das Lukas-Kran­kenhaus in Neuss zurück in die ana­logen 1990er-Jahre: Sämt­liche Systeme mussten her­un­ter­ge­fahren werden, Befunde von Hand geschrieben, Rönt­gen­bilder von Boten in die Abtei­lungen gebracht, Ope­ra­tionen abgesagt und das Kran­kenhaus zeit­weise von der Not­fall­ver­sorgung abge­meldet werden. Eine Woche dauerte es, bis die ersten Systeme wieder hoch­ge­fahren werden konnten. Das Bei­spiel zeigt, wie abhängig die Medizin mitt­ler­weile von einer funk­tio­nie­renden digi­talen Infra­struktur ist.

„Bisher haben wir jedes Kran­kenhaus innerhalb von 30 Minuten geknackt.“, sagt der IT-Sicher­heits­experte und Profi-Hacker Michael Wiesner. Inzwi­schen checkt er ver­mehrt Arzt­praxen und sagt, es gebe oft Sicher­heits­lücken in Hard- und Software und unsi­chere Pass­wörter. Offen­kundig unter­schätzten viele Ärzte das Risiko eines Hacker-Angriffs, so Wiesner. Kri­mi­nelle könnten auch vor Ort eine Netzwerk-Wanze plat­zieren oder per Fern­zu­griff in das System ein­dringen. Wer sich und die Daten seiner Pati­enten schützen möchte, muss viel Aufwand betreiben: das Betriebs­system muss ständig aktua­li­siert werden, um mög­liche Sicher­heits­lücken zu schließen, sonst kann auch der Kon­nektor zum Problem werden – das ist die Hardware, die in den Arzt­praxen die Ver­bindung zwi­schen Pra­xis­system und Tele­matik-Infra­struktur herstellt.

Vor zwei Jahren hatte ich darüber berichtet, dass diese Kon­nek­toren offenbar Kin­der­krank­heiten haben. Ver­mutlich wurden viele in Deutschland falsch instal­liert. Es sind Fälle doku­men­tiert, in denen die Service-Mit­ar­beiter den Rechner ohne Viren­schutz und Firewall ans Internet ange­schlossen hatten. So konnte man von außen auf intimste Daten zugreifen. Doch nicht nur die Kin­der­krank­heiten des Kon­nektors machten vielen Ärzten Sorgen, die von einer Zwangs-Digi­ta­li­sierung sprachen. Das erste und größte Problem ist die Miss­achtung der Rechte aller Pati­enten“ schrieb Dr. Markus Fischer 2019 auf heise online: „Schlimm genug, was für ein Schrott für viel Geld ange­schafft wird. Aber noch schlimmer ist, dass das kri­mi­nelle Regime uns erpresst, bei der Daten­heh­lerei mit unseren(!) Pati­en­ten­daten mit­zu­wirken. Unser Recht auf infor­ma­tio­nelle Selbst­be­stimmung wird einfach bei­sei­te­ge­schoben. Da ist eine kri­mi­nelle Ver­bre­cher­bande am Werk!“ Der Artikel, den ich damals im Netz fand, wurde inzwi­schen übrigens gelöscht.

In Ländern, in denen Gesund­heits­daten bereits zentral gespei­chert werden, gibt es immer wieder Pannen. 2018 wurden im Stadt­staat Sin­gapur die Gesund­heits­daten von 1,5 Mil­lionen Men­schen gestohlen. Die Hacker kopierten Daten­sätze mit den Namen,
der natio­nalen Iden­ti­fi­ka­ti­ons­nummer, der Adresse, dem Geschlecht, der eth­ni­schen Zuge­hö­rigkeit und dem Geburts­datum von Pati­enten, die sich zwi­schen dem 1. Mai 2015 und dem 4. Juli 2018 einer Klinik hatten behandeln lassen. Was aus den Daten wurde, ist nicht bekannt. „Per­so­nen­be­zogene Daten sind im Internet bares Geld wert., sagt der Kölner Ober­staats­anwalt Markus Hartmann. „Medi­zi­nische Daten sind insoweit wert­voller als andere Daten, weil, meine Kre­dit­karte kann ich sperren lassen, meine Bank­daten kann ich ver­ändern, auch sonstige Pass­wörter und ähn­liches kann ich ändern. Aber meine medi­zi­ni­schen Daten sind unver­än­derbar. Das heißt, diese Daten sind wirklich kon­stante, sehr per­sön­liche Infor­ma­tionen, die jederzeit miss­braucht werden können.”, sagte Marco Preuss, Leiter des euro­päi­schen For­schungs- und Analyse-Teams der IT-Sicher­heits­firma Kas­persky Lab in einer Sendung der SWR-Sendung Report Mainz über Hacker­an­griffe auf Gesund­heits­daten. Wenn das die Pati­enten wüssten…

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https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/128901/Cyberattacke-auf-Medatixx-Aerzte-sollen-Passwoerter-aendern?rt=13acd63832c1cd9acb5b427d51a358a5

file:///C:/Users/MeinPC/Dropbox/Mein%20PC%20(DESKTOP-28HAI01)/Downloads/publikation—aerztezeitung—cyberangriffe-auf-praxen-data.pdf

https://epa.gesundheitsdaten-in-gefahr.de/category/gematik/

https://www.bzb-online.de/sept18/bzb918_16.pdf

https://www.swr.de/report/krankenakten-im-visier-von-hackern-wie-gut-sind-arztpraxen-und-krankenhaeuser-geschuetzt/-/id=233454/did=23249614/nid=233454/1qulr2v/index.html

www.weihrauchplus.de