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Nano­tech­no­logie in der Antike

Nano­tech­no­logie, die fas­zi­nie­rende Welt des Aller­kleinsten, wird gerne als die Tech­no­logie des 21. Jahr­hun­derts bezeichnet – doch die Geschichte zeigt, dass diese fort­schritt­liche Tech­no­logie auch schon in der Antike Ver­wendung fand.

(von Frank Schwede)

Berühm­testes Bei­spiel dafür ist der Lycurgus Kelch, der noch heute eines der tech­nisch anspruchs­vollsten Glas­ob­jekte der Antike ist. Doch es gibt noch eine ganze Reihe weitere ver­blüf­fende Bei­spiele, etwa in der Kos­metik oder bei der Her­stellung antiker Schwerter.

Das Alter des Lycurgus Kelch wird auf 1600 Jahre geschätzt. Man ver­mutet, dass er irgendwann im 4. Jahr­hundert nach Christus in Alex­andria gefertigt wurde. Das filigran auf­wendig gear­beitet Gefäß zeigt die Geschichte von König Lycurgus, der die Anhänger des Gottes Dyo­nisos ver­folgte und aus Rache von den Göttern in den Wahnsinn getrieben wurde.

Die Legende sagt, dass Lycurgus unter anderem seinen Sohn tötete, weil er ihn für eine Weinrebe hielt – das Symbol Dyo­nisos. Der Kelch ist bis heute eine geheim­nis­volle wie fas­zi­nie­rende Hand­werks­kunst geblieben, weil er dazu in der Lage ist, wie ein Cha­mäleon seine Farbe zu wechseln.

Unter nor­malen Licht­ver­hält­nissen prä­sen­tiert sich das Gefäß seinem Betrachter in einem matten Jadegrün – wird es aber von innen oder von hinten beleuchtet, wechselt es seine Farbe in ein sattes, durch­schei­nendes Blutrot.

Möglich wird dieser Effekt durch die Ein­bettung kleiner Gold- und Sil­ber­par­tikel in das Glas. Als bri­tische For­scher die Frag­mente durch ein Elek­tro­nen­mi­kroskop betrach­teten, stellten sie zu ihrem Erstaunen fest, dass der Durch­messer der Par­tikel auf fünfzig Nano­meter redu­ziert wurde.

Die Größe ent­spricht in etwa einem Tau­sendstel eines Salz­korns. Die genauen Unter­su­chungs­er­geb­nisse wurde in dem 2015 erschienen Fachbuch Carbon Nanotube Rein­forced Com­po­sites zusam­men­ge­fasst.

Viele Wis­sen­schaftler bezweifeln bis heute, dass in der Antike bereits das Wissen über fort­schritt­liche Nano­tech­no­logie bekannt war, weshalb sie ver­muten, dass der Effekt durch Zufall erzielt wurde.

Aktuelle Unter­su­chungen haben jedoch gezeigt, dass es bei weitem nicht aus­reicht, Glas einfach Gold und Silber hin­zu­zu­fügen, um  diesen ein­zig­ar­tigen opti­schen Effekt zu erreichen – das erfordert sehr viel Sorgfalt und vor allem Fachwissen.

Die Par­tikel weisen eine gleich­mäßige Größe von rund siebzig Nano­meter auf. Dieses Arbeits­ver­fahren ist damals wie heute eine große Her­aus­for­derung. Das ent­steht nicht rein zufällig.

Eine genaue Analyse, die Auf­schluss über den Her­stel­lungs­prozess liefern könnte, ist noch nicht möglich, ohne das Material zu zer­stören. Dennoch sind sich die Wis­sen­schaftler der Studie The Cup of Lycurgus – Roman Nano­tech­nology sicher, dass es sich hier um ein sehr kom­pli­ziertes tech­ni­sches Ver­fahren handelt, das mög­li­cher­weise viele Jahr­zehnte in Anspruch nahm.

Gang Logan Liu von der Uni­ver­sität von Illinois in Urbana-Cham­paign sagt dazu: „Die Römer wussten, wie man Nano­par­tikel her­stellt und ver­wendet, um schöne Kunst zu schaffen.“

High-Tech 300 n. Chr.

Der Lycurgus Kelch ist aber nicht das einzige Bei­spiel antiker Nano­tech­no­logie. Schwerter aus soge­nanntem Damas­zener Stahl aus Damaskus, aus der Zeit 300 n. Chr., sind für ihre Leich­tigkeit und für besonders scharfen Kanten bekannt. Unter­su­chungen haben gezeigt, dass diese beson­deren Eigen­schaften auf Koh­len­stoff-Nano­röhrchen und darin ein­ge­schlos­senen Fäden aus Eisen­carbid beruhen.

Marianne Reibold von der Uni­ver­sität Dresden hat zusammen mit anderen For­schern diese alten Schwerter unter die Lupe genommen, genauer gesagt unter ein hoch­auf­lö­sendes Transmissions-Elektronenmikroskop.

Die Wis­sen­schaftler kamen dabei zu dem Ergebnis, dass der hier ver­wen­deten Schmie­de­technik eine sehr kom­pli­zierte, ther­mo­me­cha­nische Behandlung des Stahls zugrunde liegt, bei der der Stahl immer wieder auf bestimmte Tem­pe­ra­turen gebracht, geschmiedet und wieder abge­kühlt werden muss.

Reibold ist sich sicher, dass die Schmie­de­meister in der Antike durch lang­wie­riges Aus­pro­bieren unter­schied­licher Methoden tat­sächlich Nano­struk­turen zustande brachten, die zu einer beson­deren Fes­tigkeit führten. Mitt­ler­weile arbeitet man auch in der Flug­zeug­tech­no­logie mit diesem Verfahren.

Griechen und Römer nutzten Nano­tech­no­logie auch, um grauen Haaren wieder ihre ursprüng­liche Farbe zurück­zu­geben. Mit einer ein­fachen Paste aus Bleioxid und Löschkalk gelang es ihnen, winzige Kris­talle aus dunklem Blei­sulfid in den Haaren zu erzeugen. Schon nach wenigen Tagen färbten sich die hellen Haare wieder dunkel.

Fran­zö­sische Wis­sen­schaftler sind diesem Geheimnis auf die Spur gekom­menen, als sie im Labor helles Haar nach einem antiken Rezept in einem Gemisch aus je einem Teil Bleioxid und Cal­ci­um­car­bonat legten. Die For­scher waren ver­blüfft, dass die win­zigen Kris­talle schon vor mehr als zwei­tausend Jahren mit ganz ein­fachen che­mi­schen Mitteln erzeugt werden konnten.

Eine genaue Analyse hat schließlich ergeben, dass sich in den Haaren schwarze Blei­sulfid-Nano­par­tikel mit einer Größe von rund 4,8 Nano­metern gebildet hatten. Ein Großteil dieser Par­tikel hatte sich im Haar­innern zu jeweils 200 Nano­meter großen Kris­tallen formiert.

Anders als noch in der Antike sind Nano­ar­tikel heute aus dem Alltag nicht mehr weg­zu­denken – auch wenn viele mit dem Begriff noch immer nichts anfangen können. Nano­ma­terial befindet sich inzwi­schen in und auf nahezu allen Pro­dukten unseres täg­lichen Lebens.

Pflanzen schützen sich mit Nanotechnologie

Ob Son­nen­cremes, Zahn­pasta oder Wand­farben. Selbst in der Natur finden wir Nano­ma­terial, etwa in Vul­kan­asche, Ziga­ret­ten­rauch oder in Abgasen von Die­sel­fahr­zeugen – denn auch Fein­staub ist nichts anderes als Nanomaterial.

Nano­teilchen, abge­leitet aus dem Grie­chi­schen Nanos (Zwerg)  sind die Dimension der Atome und wurden erst vor rund vierzig Jahren dank des Ras­ter­tun­nel­mi­kro­skops (RTM) ent­deckt. Ein Nano­meter (nm) ent­spricht dem Mil­li­ardstel Teil eines Meters. Im Ver­gleich: Hundert Nano­meter passen tausend Mal in den Durch­messer eines Haares.

Während der Mensch erst anfängt, den Nano­be­reich zu begreifen, ist uns die Natur schon ein ganzes Stück weit voraus. Nehmen wir bei­spiels­weise die Pflan­zenwelt. Die Blätter der Lotus­blüte bleiben selbst dann makellos rein, wenn sie von Schlamm umgeben sind.

Ermög­lichen tun dies Nano­kris­talle, die sich auf den Blättern befinden. Sie ver­kleinern die Kon­takt­ober­fläche zwi­schen Schmutz­tropfen und Blatt so weit, dass selbst kleinste Tropfen abperlen. Mitt­ler­weile macht sich auch die Beklei­dungs­in­dustrie bei der Her­stellung soge­nannter Regen­funk­ti­ons­kleidung diesen Effekt zu Nutze.

Wie wir sehen können, ist die Nano­tech­no­logie mitt­ler­weile zu einem der inno­va­tivsten Zweige der modernen Wis­sen­schaft geworden, weil sie alle Natur­wis­sen­schaften zusam­men­führt und alle Dis­zi­plinen mit­ein­ander verknüpft.

Was wir aber nicht ver­gessen dürfen, ist die Tat­sache, dass nur der Begriff Nano­tech­no­logie aus der Neuzeit stammt, nicht die Her­stel­lungs- und Ver­fah­rens­weise selbst, die sehr alte Wurzeln hat, wie wir anhand der oben genannten Bei­spiele sehen können.

Das zeigt, wie wenig wir doch in Wahrheit über die Antike wissen.

Bleiben Sie aufmerksam!


Quelle: pravda-tv.com