screenshot youtube

Führen „Moses-Imp­fungen“ uns aus der Pandemie?

Kret­schmann emp­fiehlt Imp­fungen unter Berufung auf Moses — Moses wählte einen noch län­geren Marsch zum Ziel als Mao 

(von Albrecht Künstle)

„Das Impfen ist der Moses, der uns aus dieser Pan­demie her­aus­führt“, dozierte Minis­ter­prä­sident Win­fried Kret­schmann auf dem Grünen-Par­teitag zu seiner „Pan­demie bibli­schen Aus­maßes“. So jeden­falls zitierten die Zei­tungen den Minis­ter­prä­si­denten im Ori­gi­nalton. Er selbst traut sich diese Führung ange­sichts der beschä­menden Corona-Situation in Baden-Würt­temberg wohl nicht mehr zu. Sein Ländle wartet mit der höchsten 7‑Tage-Inzidenz der „alten Länder“ auf, und mit immer weniger Kran­ken­haus­betten. Deshalb ruft er Moses als Retter, der sein Volk aus der Gefan­gen­schaft der Israe­liten führte. Damals waren sie im fremden Ägypten der Willkür der Pha­raonen aus­ge­setzt. Schon das unter­scheidet den dama­ligen Got­tesmann vom heu­tigen Möch­tegern-Moses Kret­schmann: Heute gilt die Willkür nicht Fremden, sondern dem eigenen Volk. Hat sich Kret­schmann eigentlich überlegt, wen er da als Pro­blem­löser bemüht?

Moses führte sein Volk auf einem sehr langen Umweg zum Ziel, dem ver­heißene Land; die wenigsten über­lebten den Marsch. Nur kurz zu einigen his­to­ri­schen Daten: Es waren damals weder 603 550 „wehr­fähige Männer“, wie das 4. Buch Mose über­liefert, erst­recht keine 2,5 Mio. mit ihren Familien, sondern ca. 40 000 Israe­liten, die sich mit ihrem Moses auf den Weg machten. Und dieser führte sie nicht auf dem eini­ger­maßen direkten Weg von 400 km nach Kanaan. Er bog mit ihnen nach dem spek­ta­ku­lären Durch­queren des nörd­lichen Aus­läufers des Roten Meeres (Schilfmeer) rechts ab bis fast zur Süd­spitze der Halb­insel Sinai, dann nach Nordost zum Golf von Akaba.

Dort drehte er eine „Ehren­runde“ Richtung Nord­nordwest von einigen hundert Kilo­meter, bis er endlich den rich­tigen Weg ins gelobte Land fand. Nach ca. 1200 km in 40 Jahren kam er mit nicht mehr vielen seiner Israe­liten an, obwohl es ein Noma­denvolk und die Wüste gewohnt war (die Heilige Familie war schlauer, die nahm den direkten Weg). Erst dort erholte sich sein Völkchen und setze sich mit seinen 12 Stämmen fest. Moses war einer der wenigen Über­le­benden. Wer etwas mehr wissen will, siehe Wie viele Israe­liten wan­derten durch die Wüste?

Soll ein solcher Irrweg tat­sächlich als Vorbild für Kret­sch­manns Impf­of­fensive dienen? Wohin will uns dieser Minis­ter­prä­sident eigentlich führen und vor allem mit wie vielen Opfern? Oder wählte er dieses Bei­spiel in der Erwartung, dass er die Sache wie einst Moses über­stehen wird, auch wenn ein großer Teil seines Volkes dabei auf der Strecke bleibt? Oder will er damit für die Dritt­impfung werben, weil Moses auch einen dreifach langen Weg ein­schlug? Natürlich nicht, es war wohl einer seiner vielen geis­tigen Aus­flüge ins Nirwana. Eine weitere Kost­probe dieser Woche: Bei einem Interview im SWR sprach er vom „Abimpfen“, der Stiche in die Oberarme, was Asso­zia­tionen wie „Abstechen“ wecken könnte. Aber seien wir froh, dass Kret­schmann als eins­tiger Anhänger von Mao nicht diesen als Retter für sein Volk bemühte.

Nach Moses gab es noch einen wei­teren „Langen Marsch“ in der Geschichte, den von Mao: „… Grün­dungs­le­genden der Volks­re­publik: der „Lange Marsch“. Denn von den mehr als 80.000 Mann – lediglich 35 Frauen sollen unter ihnen gewesen sein – erreichten nach einem Jahr im Oktober 1935 nur 8.000 Yan’an, das Rück­zugs­gebiet im abge­le­genen Shaanxi im Nord­westen Chinas. Gemäß Maos These ‚Die Nie­derlage akzep­tieren, heißt den Sieg vor­be­reiten‘ wurde die Fluchtburg zur Keim­zelle der Herr­schaft der Kom­mu­nisten über China.“ (WeLT).

Aber anders als Mao will Kret­schmann die Nie­derlage in der bis­he­rigen Coro­na­po­litik des impfen, impfen, impfen nicht akzep­tieren und mit erst­recht impfen siegen. Hier schließt sich der Kreis. Mao war wie Trotzki in Russland ein Ver­fechter der „per­ma­nenten Revo­lution“. Einer solchen hat Kret­schmann nach seiner KBW-Zeit wohl abge­schworen, aber worin liegt der Unter­schied zum per­ma­nenten Impfen? Die voll­stän­digere Dritt­impfung nach den zwei vor­aus­ge­gan­genen voll­stän­digen Imp­fungen soll ja nicht der letzte Stich sein. Gegen die Grippe reichte bisher eine Impfung im Jahr.

Kret­schmann macht nicht nur Fehler hin­sichtlich seiner Wortwahl und Ver­gleiche. Wie anders ist sonst zu erklären, dass er neben dem bay­ri­schen Frontmann Söder das strengste Epi­demie-Regime führt, mit seinen stren­geren Maß­nahmen immer wieder vor­prescht, aber trotzdem die schlech­testen Erfolge vor­zu­weisen hat. Es ist Zeit, dass er das Zepter in andere Hände gibt. Nach dem von Kret­schmann bemühten Alten Tes­tament gab es in der Zeit von Mose in Ägypten zehn Plagen. Da haben wir es in Baden-Würt­temberg noch richtig gut: hier gibt es nur zwei, eine kleine und eine große Plage. Die kleine ist, dass wir ein schlechtes Hoch­deutsch sprechen. Über die große darf sich jeder selbst Gedanken machen.

———————————–

Dieser Artikel erscheint auch auf der Web­seite des Autors