screenshot youtube

Wie mit Kli­ma­pro­jekten die Schul­den­bremse aus­ge­hebelt wird

Seit kurzem wird in Deutschland über die Ver­fas­sungs­mä­ßigkeit einer zusätz­lichen staat­lichen Kre­dit­auf­nahme in Höhe von 60 Mil­li­arden Euro dis­ku­tiert. Die Kre­dit­auf­nahme ist umstritten, weil Deutschland eine ver­fas­sungs­mäßige Schul­den­bremse hat. Die Schul­den­bremse begrenzt die Mög­lichkeit des Staates, sich zu ver­schulden und zwingt ihn in nor­malen Zeiten zu einem aus­ge­gli­chenen Haushalt. In Not­zeiten jedoch erlaubt die Schul­den­bremse Aus­nahmen und höhere Defizite, um die Notlage zu bekämpfen. So ist es nicht ver­wun­derlich, dass zur Bewäl­tigung der Coro­na­krise enorme Summen an Schulden auf­ge­nommen wurden.

(von Philipp Bagus)

Die Bun­des­re­gierung will einen Gesetz­entwurf vor­legen, der eine nicht genutzte Kre­dit­auf­nah­me­er­mäch­tigung in Höhe von 60 Mil­li­arden Euro aus dem letzten Haus­haltsjahr in einen Son­der­fonds “Energie- und Kli­ma­fonds” über­führt, obwohl die Kli­ma­aus­gaben an sich nicht von der Schul­den­bremse aus­ge­nommen wären. Die Argu­men­tation zur Begründung der Ver­fas­sungs­mä­ßigkeit des Plans ist rein keyne­sia­nisch. Die Befür­worter argu­men­tieren, dass der Staat inves­tieren oder ent­spre­chende Sub­ven­tionen bereit­stellen muss, um im Zuge der Coro­na­krise private Inves­ti­tionen zu akti­vieren. Die Aus­gaben sollen die Wirt­schaft ankurbeln. Auf diese Weise sollen Ein­kommen und Arbeits­plätze gerettet oder gesi­chert werden. Und wenn es schon ein keyne­sia­ni­sches Kon­junk­tur­pro­gramm zur Über­windung der Coro­na­krise geben muss, warum dann nicht die Steu­er­gelder für “grüne Pro­jekte” aus­geben? Dann wären es auch sinn­volle Pro­jekte, so die Befür­worter. Grüne Aus­gaben zur Bewäl­tigung einer Notlage – wer sollte da dagegen sein?

Staat­liche Inves­ti­tionen zur Bewäl­tigung der Coronakrise

Lassen Sie uns die keyne­sia­nische Begründung zur Umgehung der deut­schen Schul­den­bremse dis­ku­tieren. Im Falle des vor­lie­genden Gesetz­ent­wurfs werden die zusätz­lichen Staats­aus­gaben durch eine höhere Ver­schuldung von 60 Mil­li­arden Euro finan­ziert. Die Euro­päische Zen­tralbank und das euro­päische Ban­ken­system werden diese Schulden aller Vor­aus­sicht nach mone­ta­ri­sieren (d.h. die Geld­menge wird steigen). Die neue Kauf­kraft wird es der deut­schen Regierung ermög­lichen, von Pro­duk­ti­ons­fak­toren zu pro­fi­tieren und sie für Kli­ma­pro­jekte ein­zu­setzen. Diese von der Regierung absor­bierten Pro­duk­ti­ons­fak­toren stehen somit nicht mehr für alter­native Pro­jekte zur Ver­fügung. Mit anderen Worten: Eine Kauf­kraft von 60 Mil­li­arden Euro wird der Zivil­ge­sell­schaft ent­zogen und steht nicht mehr für pri­vat­wirt­schaft­liche Pro­jekte zur Verfügung.

Die zusätz­lichen Aus­gaben in Höhe von 60 Mil­li­arden Euro treiben die Preise der Pro­duk­ti­ons­fak­toren in die Höhe. Die Pro­duk­ti­ons­fak­toren werden teurer, als sie es ohne die zusätz­lichen Staats­aus­gaben wären. Dadurch steigen die Kosten für private Unter­nehmen, die höhere Löhne, Ener­gie­preise und andere Kosten zahlen müssen. Pro­jekte, die bei nied­ri­geren Kosten für Energie, Löhne und andere Input­fak­toren ren­tabel gewesen wären, werden dank der zusätz­lichen Staats­aus­gaben in Höhe von 60 Mil­li­arden Euro nicht mehr ren­tabel sein.

Folglich gibt es mehr staatlich gewollte Pro­jekte und weniger pri­vat­wirt­schaft­liche Pro­jekte. Die direkten Nutz­nießer sind die Unter­nehmen, die durch die staat­liche För­derung begünstigt werden. Die Ver­lierer sind die Unter­nehmer, die ihre Pro­jekte auf­grund der höheren Kosten nicht mehr rea­li­sieren können, und ihre poten­zi­ellen Kunden. Den sicht­baren Pro­jekten, die durch die Sub­vention gefördert werden, stehen ver­hin­derte, nicht sichtbare Pro­jekte gegenüber. Die geför­derten Kli­ma­pro­jekte werden sichtbar sein, die ver­hin­derten Pro­jekte werden unbe­kannt bleiben.

Am wich­tigsten ist, dass die zusätz­lichen Staats­aus­gaben den Unter­nehmen, die mit der Coro­na­krise zu kämpfen haben, nicht helfen werden. Stellen Sie sich einen Restau­rant­be­sitzer vor, der wegen 2G+ und anderer Ein­schrän­kungen Umsatz­ein­bußen hin­nehmen muss. Es nützt ihm über­haupt nichts, dass irgendein Kli­ma­projekt sub­ven­tio­niert wird. Was er braucht, ist die Abschaffung der Corona-Beschrän­kungen. Oder stellen Sie sich ein Unter­nehmen vor, das Pro­bleme mit der Lie­fer­kette hat. Mikro­chips kommen nicht an, weil sie in chi­ne­si­schen Häfen nicht in Con­tainer ver­laden werden. Dieses ange­schlagene Unter­nehmen pro­fi­tiert auch nicht von der Sub­ven­tio­nierung grüner Pro­jekte. Die Kli­ma­pro­jekte bringen die benö­tigten Mikro­chips ja nicht. Im Gegenteil, wenn diese neuen grünen Pro­jekte in Gang kommen, werden sie wahr­scheinlich genau die gleichen Pro­duk­ti­ons­fak­toren nach­fragen, die das ange­schlagene Unter­nehmen benötigt, u.a. Mikro­chips. Der Engpass wird größer, ebenso wie der Preis der Pro­duk­ti­ons­fak­toren, die das ange­schlagene Unter­nehmen benötigt.

Aus wirt­schaft­licher Sicht gibt es keinen Zusam­menhang zwi­schen zusätz­lichen Staats­aus­gaben und der Über­windung der wirt­schaft­lichen Folgen des Corona-Not­stands. Öffent­liche Inves­ti­tionen und Sub­ven­tionen sind weit davon ent­fernt, nach­haltige private Inves­ti­tionen aus­zu­lösen, sondern schrecken diese ab, indem sie die Kosten für die Unter­nehmen erhöhen. Statt in private, von den Ver­brau­chern gewünschte Pro­jekte fließen die Mittel zunehmend in staatlich gewünschte und geschützte Pro­jekte. Um das selbst­ge­steckte Ziel des Gesetz­ent­wurfs zu erreichen und Deutschland schnell auf einen nach­hal­tigen Wachs­tumspfad zu bringen, wäre es sinn­voller, die Staats­aus­gaben und Steuern zu senken. Dadurch würden der Pri­vat­wirt­schaft Res­sourcen zur Ver­fügung gestellt, die derzeit vom Staat abge­griffen werden.

Darüber hinaus wäre eine umfas­sende Libe­ra­li­sierung hilf­reich. Eine weit­rei­chende Dere­gu­lierung würde Pro­jekte ermög­lichen, die derzeit durch Restrik­tionen ver­hindert werden, und würde für einen kräf­tigen Auf­schwung sorgen. Allein die Auf­hebung der Corona-Beschrän­kungen würde helfen, das Wachstum ganz ohne Not­ver­schuldung anzukurbeln.

Staat­liches Res­sour­cen­ma­nagement und Verbraucherpräferenzen

Nun könnte man argu­men­tieren, dass es wichtig ist, dass der Staat ent­scheidet, welche Pro­jekte mit den ver­füg­baren Pro­duk­ti­ons­fak­toren durch­ge­führt werden und welche Branchen flo­rieren und welche nicht. Dies bedeutet, dass die Ver­braucher nicht mehr über die Ver­wendung der Res­sourcen (in Höhe von 60 Mil­li­arden Euro) ent­scheiden können, wie es in einer Markt­wirt­schaft der Fall wäre. In einer Markt­wirt­schaft ver­suchen die Unter­nehmer, die drin­gendsten Bedürf­nisse der Ver­braucher zu anti­zi­pieren und ihre Res­sourcen ent­spre­chend zu ver­teilen. Die Unter­nehmer kon­kur­rieren mit ihren Kon­kur­renten um den besten Einsatz der Res­sourcen zur Befrie­digung der Ver­brau­cher­be­dürf­nisse, um immer bessere Pro­dukte zu immer nied­ri­geren Preisen her­zu­stellen. Wenn sie erfolg­reich sind, werden sie mit Gewinnen belohnt. Wenn sie scheitern, erleiden sie Verluste.

In einer Plan­wirt­schaft hin­gegen ent­scheiden Poli­tiker und Büro­kraten, wie die Res­sourcen ein­ge­setzt werden und welche Pro­jekte sich lohnen. Dies führt zu Anreiz- und Infor­ma­ti­ons­pro­blemen. Poli­tikern und Büro­kraten fehlt der Anreiz, effi­zient im Interesse der Ver­braucher zu handeln. Büro­kraten setzen nicht ihr eigenes Kapital ein, um Gewinne zu erzielen und Ver­luste zu ver­meiden, sondern ver­wenden das Geld der Steu­er­zahler. Poli­tiker haben nur die nächste Wahl im Kopf. Sie sind vom Markt­wett­bewerb abge­schottet, der die Markt­teil­nehmer zu Inno­vation und Spar­samkeit zwingt.

Hier bestellen!

Neben dem Anreiz­problem wiegt das Wissens- oder Kal­ku­la­ti­ons­problem noch schwerer. Aus der unend­lichen Zahl der denk­baren Pro­jekte, die mit den ver­füg­baren Mitteln durch­ge­führt werden könnten, sollten die­je­nigen aus­ge­wählt werden, die für die Bürger am drin­gendsten oder wich­tigsten sind. Der Wett­bewerb ist ein Ent­de­ckungs­prozess, der dieses Wissen darüber, was am drin­gendsten ist, dyna­misch über Markt­preise erzeugt. Im Gegensatz dazu ent­scheiden Poli­tiker die Frage der wich­tigsten Pro­jekte (in diesem Fall “grüne Pro­jekte”) nach ihren Prä­fe­renzen, also will­kürlich. Nach Friedrich A. von Hayek kann der Glaube, der Staat wisse am besten, wo zu inves­tieren sei, als fatale Ein­bildung bezeichnet werden.

Impli­ka­tionen für die Staats­schul­den­krise und den Euro

Alle EU-Mit­glieds­staaten – viele in grö­ßerem Umfang als Deutschland – emit­tieren neue Schulden, die von der Euro­päi­schen Zen­tralbank auf­ge­kauft und mone­ta­ri­siert werden. Da im inner­eu­ro­päi­schen mone­tären Umver­tei­lungs­prozess der­jenige Staat im Nachteil ist, der sich weniger ver­schuldet als die anderen Mit­glieds­staaten, könnte man meinen, dass nun Deutschland an der Reihe sei, sich zu verschulden.

Es liegt jedoch in der Ver­ant­wortung Deutsch­lands, mit gutem Bei­spiel vor­an­zu­gehen. In der Eurozone hat Deutschland mit seiner Abneigung gegen Inflation und Defizite die Finanz­po­litik der anderen Staaten gebremst. Zuge­geben, die deutsche Bremse war mal mehr, mal weniger erfolg­reich. Aber sie war immer da. Wenn die deutsche Bremse für die Staats­de­fizite in der Eurozone weg­fällt, wenn Deutschland selbst zu Tricks greift, um fis­kal­po­li­tische Regeln zu umgehen, sich aktiv auf einen Schul­den­wettlauf ein­lässt und seine Auto­rität ver­liert, besteht die Gefahr, dass Staats­aus­gaben, Staats­de­fizite und Inflation in der Eurozone (noch mehr) außer Kon­trolle geraten.

Die deutsche Aus­stiegs­option aus dem Euro – wenn nicht explizit, so doch zumindest implizit – hat die süd­lichen Mit­glied­staaten dis­zi­pli­niert, sie in gewissen Grenzen gehalten und damit – para­do­xer­weise – den Zusam­menhalt der Eurozone ermög­licht. Damit diese bescheidene Dis­ziplin fort­be­stehen kann, muss eine Aus­stiegs­option für Deutschland aus dem Euroraum glaub­würdig bleiben. Ein deut­scher Aus­tritt aus dem Euroraum kann aber nur dann rea­lis­tisch bleiben und poli­tisch ver­teidigt werden, wenn Deutschland nach­weisen kann, dass es sich an die fis­kal­po­li­ti­schen Regeln gehalten und die Defizite mini­miert hat, während die anderen Staaten genau das nicht getan haben. Deutschland könnte dann den Aus­tritt aus dem Euro mit dem Wunsch nach einer sta­bi­leren Währung begründen. Eine Währung, wie sie innerhalb des Euro­raums nicht möglich ist. Wenn Deutschland hin­gegen den Weg des Nach­trags­haus­halts geht, 60 Mil­li­arden Euro neue Schulden und den Schul­den­wettlauf ver­ur­sacht, dann funk­tio­niert diese Argu­men­tation nicht mehr und die Tür des Aus­tritts schließt sich.

Fazit

Die Erhöhung der deut­schen Staats­aus­gaben mildert die wirt­schaft­lichen Folgen der Coro­na­krise nicht, wie keyne­sia­nische Öko­nomen behaupten. Im Gegenteil, sie redu­ziert die Mittel, die für echte Pri­vat­in­itia­tiven zur Ver­fügung stehen. Außerdem trägt sie zum Schul­den­wettlauf in der Eurozone bei und gefährdet damit die Zukunft der gemein­samen Währung. Statt Kon­junk­tur­pro­gramme und Schulden zu machen, sollte die Regierung Steuern und Aus­gaben senken und Beschrän­kungen abschaffen, um das Wirt­schafts­wachstum zu fördern.

Dieser Artikel erschien erst­malig am 19. Januar 2022 unter dem Titel Germany’s New Green Sti­mulus Plan Won’t Save Their Economy auf der Website des Mises Institute, Auburn, Alabama (US).

———————————————–

Philipp Bagus ist Pro­fessor für Volks­wirt­schaft an der Uni­ver­sidad Rey Juan Carlos in Madrid. Zu seinen For­schungs­schwer­punkten Geld- und Kon­junk­tur­theorie ver­öf­fent­lichte er in inter­na­tio­nalen Fach­zeit­schriften wie Journal of Business Ethics, Inde­pendent Rewiew, Ame­rican Journal of Eco­nomics and Sociology u.a.. Seine Arbeiten wurden aus­ge­zeichnet mit dem O.P.Alford III Prize in Liber­tarian Scho­larship, dem Sir John M. Temp­leton Fel­lowship und dem IREF Essay Preis. Er ist Autor eines Buches zum islän­di­schen Finanz­kollaps (“Deep Freeze: Island’s Eco­nomics Col­lapse” mit David Howden). Sein Buch “Die Tra­gödie des Euro” erscheint in 14 Sprachen. Philipp Bagus ist ist Mit­glied des wis­sen­schaft­lichen Bei­rates des “Ludwig von Mises Institut Deutschland”. Hier Philipp Bagus auf Twitter folgen. Im Mai 2014 ist sein gemeinsam mit Andreas Mar­quart geschrie­benes Buch “WARUM ANDERE AUF IHRE KOSTEN IMMER REICHER WERDEN … und welche Rolle der Staat und unser Papiergeld dabei spielen” erschienen. Zuletzt erschienen, eben­falls gemeinsam mit Andreas Mar­quart: Wir schaffen das – alleine!


Quelle: misesde.org