Der stille Tod eines EU-Irrwegs

Viel­leicht erinnern Sie sich noch an die Zeit vor ungefähr zehn Jahren. Schon damals waren sowohl die Bun­des­re­gierung als auch die EU-Kom­mission fest ent­schlossen, die Welt vor dem Kli­ma­wandel zu retten. Und als schlimmen Kli­ma­killer hatten regie­rende Poli­tiker der dama­ligen Zeit die Glüh­birne aus­ge­macht. Dieses schlimme preis­werte Leucht­mittel ver­schwende Energie, hieß es allent­halben, denn 95 Prozent würden ja gar nicht fürs Licht ver­braucht, sondern ent­fleuche durch Wärme. Deshalb sollte die hei­mische warme Lich­terwelt auf das kalte und weniger Strom ver­brau­chende Licht neuer Kom­pakt­leucht­stoff­lampen umge­stellt werden.

(von Peter Grimm)

Diese Kom­pakt­leucht­stoff­lampen zählen zu den Queck­silber-Nie­der­druck­lampen, aber unter diesem Namen konnten die Her­steller sie zuvor weder dem Ver­braucher noch der Politik als för­de­rungs­würdig ver­kaufen. Unter dem Label „Ener­gie­spar­lampe“ gelang das immerhin teil­weise. Zwar ließen sich die Ver­braucher trotz des Ver­spre­chens gerin­geren Strom­ver­brauchs und län­gerer Lebens­dauer kaum zum kalten Licht ver­führen, aber dafür waren die großen Leucht­mit­tel­her­steller bei Poli­tikern umso erfolgreicher.

Für die Pro­du­zenten der häus­lichen Licht­quellen warf die klas­sische Glüh­birne einfach zu wenig Gewinn ab. Sie war preiswert her­zu­stellen und es gab viele Her­steller. Keine bequeme Markt­si­tuation, wenn man hofft, mit anderen, teu­reren Leucht­mitteln mehr ver­dienen zu können. Die großen Leucht­mit­tel­her­steller waren seit dem berühmten Glüh­bir­nen­kartell von 1924 gewohnt, den Markt – höflich for­mu­liert – mit Absprachen zu gestalten. Damals ging es u.a. um die Absprache, die Laufzeit einer Glüh­birne auf 1000 Stunden zu begrenzen und Wett­be­werber, die sich daran nicht hielten, aus dem Markt zu drängen. Das war ein jahr­zehn­telang erfolg­reiches Modell.

Nach der Jahr­tau­send­wende könnte nun die Politik die unwil­ligen Ver­braucher zum Kauf der unge­liebten Kom­pakt­leucht­stoff­lampen nötigen. Und etliche Poli­tiker ließen sich für für die För­derung der „Ener­gie­spar­lampe“ auch prompt einspannen.

„Glüh­birne aus Europa verbannen“

Kurz nachdem Aus­tralien im Jahr 2007 ein Verbot klas­si­scher Glüh­birnen verfügt hatte, machten sich auch deutsche und euro­päische Poli­tiker für sel­biges stark. Ganz vorn mit dabei war der damalige deutsche Umwelt­mi­nister. „Kli­ma­schutz: Gabriel will Glüh­birne aus Europa ver­bannen“, titelte spiegel.de sei­nerzeit und berichtete:
„‘Der Standort Europa kann sich eigentlich keine Pro­dukte mehr leisten, die wie her­kömm­liche Glüh­birnen einen Effi­zi­enzgrad von nur fünf Prozent auf­weisen‘, zitierte die Zeitung ‚Bild am Sonntag‘ vorab aus einem Brief Gabriels an EU-Umwelt­kom­missar Stavros Dimas. […] 

Studien zufolge könnten etwa 25 Mil­lionen Tonnen Koh­len­dioxid pro Jahr ver­mieden werden, wenn in Haus­halten und in der Dienst­leis­tungs­branche die her­kömm­lichen Glüh­birnen durch die Ener­gie­spar­lampen ersetzt würden. Gabriel schlug vor, über die Richt­linie für das Öko­design ent­spre­chende euro­pa­weite Stan­dards vorzuschreiben.

In Brüssel läuft Gabriel offene Türen ein: Auch der EU-Umwelt­kom­missar Stavros Dimas will mehr Ener­gie­spar­lampen. ‚Wir prüfen derzeit, ob ein EU-Standard für umwelt­freund­liche Lampen machbar ist‘, sagte Dimas dem Nach­rich­ten­ma­gazin ‚Focus‘. Das Glüh­bir­nen­verbot in Aus­tralien sei sehr interessant.“

Kri­tiker dieses Verbots fanden weniger Gehör, denn die Senkung des Ener­gie­ver­brauchs und der Beitrag zur „Kli­ma­rettung“ schlug schon damals poli­tisch fast alles. Da war es egal, welche öko­lo­gi­schen und gesund­heit­lichen Belas­tungen und Risiken durch die „Ener­gie­spar­lampe“ drohen, obwohl sie von vorn­herein auf der Hand lagen. Der Umstand, dass die pro­pa­gierten Kom­pakt­leucht­stoff­lampen zu den Queck­sil­ber­dampf-Nie­der­druck­lampen zählen, lässt das größte Problem erahnen. Die Bürger sollten sich poten­tiell gif­tigen künf­tigen Son­dermüll in die Fas­sungen schrauben statt dies­be­züglich voll­kommen unbe­denk­licher Glüh­birnen. Die eigentlich vor­ge­schriebene Art der Ent­sorgung war voll­kommen lebens­fremd. Es war klar, das viele der queck­sil­ber­hal­tigen Lampen im nor­malen Hausmüll landen würden.

Kaum ein deut­licher Warnhinweis

Auch die gesund­heit­lichen Risiken, falls eine der Queck­sil­ber­leuchten daheim zu Bruch geht, wurden her­un­ter­ge­spielt. Wie gefährlich es sein kann, wenn eine akti­vierte leuch­tende „Ener­gie­spar­lampe“ zer­bricht und für maximale Aus­breitung des ent­hal­tenen Queck­silbers sorgt, war kaum irgendwo einen deut­lichen Warn­hinweis wert. Den Fall eines auf diese Weise mit Queck­silber ver­gif­teten Kindes zeigt der nach zehn Jahren immer noch sehens­werte Doku­men­tarfilm Bulb Fiction, der auch nach­zeichnet, wie der EU-Beschluss zum Glüh­bir­nen­verbot zustande kam und wie sich bei­spiels­weise Green­peace in die Lob­by­arbeit der Leucht­mit­tel­her­steller ein­spannen ließ. (Der Film ist in ganzer Länge hier auf vimeo zu sehen, mehr über den Film hierhier und hier).

Bekanntlich trat im Jahr 2012 die letzte Stufe des Glüh­bir­nen­verbots in Kraft, den eben­falls warm leuch­tenden Halo­gen­lampen blieben noch ein paar Jahre Gna­den­frist. Das warme Licht schwand, aber es ver­schwand nicht.

Nach den EU-Vor­stel­lungen von damals wären heute wohl fast alle euro­päi­schen Woh­nungen mit künf­tigem Son­dermüll bestückt. Die Zumutung, dass sich die Obrigkeit anmaßte, den Bürgern vor­zu­schreiben, wie sie ihr Heim zu beleuchten haben, wurde in den Fol­ge­jahren durch die tech­nische Ent­wicklung abge­mildert. Die Glüh­birne war ver­boten und die Queck­sil­ber­dampf­lampen waren unge­liebt. Viel­leicht hätten viele Ver­braucher über die Gefahren des Queck­silbers noch hinweg gesehen, aber der Umstand, dass die teu­reren Lampen nicht nur schlech­teres Licht aus­strahlten, sondern oft auch recht lange brauchten, um über­haupt richtig hell zu werden, störte selbst die Gut­wil­ligsten. Das eröffnete LED-Lampen eine große Chance. Ins­be­sondere seit es den Her­stellern gelang, Glüh­birnen mit LED-Leucht­fäden her­zu­stellen, die auch eini­ger­maßen warmes Licht liefern konnten.

Für richtige Warm­licht­lieb­haber sind das zwar immer noch allen­falls schlechte Kom­pro­misse, die Lampen sind auch viel teurer als Glüh­birnen und ver­ur­sachen mehr Müll, dennoch stoßen sie mitt­ler­weile auf breite Akzeptanz. Queck­silber muss sich dank dieses Angebots niemand mehr in die Fassung schrauben und trotz Verbots werden sogar immer noch Glüh­birnen und Halo­gen­lampen gehandelt.

Abkehr vom Irrweg auf leisen Sohlen

Still­schweigend fand der Begriff „Ener­gie­spar­lampe“ meist nur noch Anwendung auf die in der Tat spar­sa­meren LED-Leuchten. Weil die Queck­sil­ber­dampf­lampen am Markt gegen das LED-Licht massiv ver­loren, hielt sich die Ver­breitung der Son­dermüll-Lampen zum Glück in Grenzen und somit werden sich wohl auch die Folgen ihrer zunächst erzwun­genen Ver­breitung hof­fentlich in Grenzen halten. Die Ver­ant­wort­lichen für die einstige Fehl­ent­scheidung sollte es freuen.

Fehl­ent­scheidung? Wer sagt denn hier, dass der von der EU damals auch auf deut­sches Betreiben hin ein­ge­schlagene Leucht-Pfad ein Irrweg war? Viel­leicht haben Sie davon noch gar nichts gehört? Das wäre kein Wunder. War der Weg zur Durch­setzung der Kom­pakt­leucht­stoff­lampe noch von laut- und bild­starker Öffent­lich­keits­arbeit auf Kosten der Steu­er­zahler begleitet, erfolgte die Abkehr von diesem Weg auf leisen Sohlen. Zumindest für meine Wahr­nehmung zu leise, denn mich über­raschte es, letzte Woche im Deutsch­landfunk solche Sätze zu hören:

„Nachdem 2012 die Glüh­birne ver­boten wurde, trat die soge­nannte ‚Ener­gie­spar­lampe‘ ihren Sie­geszug an. Damit ist es nun vorbei. Die letzten dieser Lampen werden von der EU im Jahr 2023 aus dem Verkehr gezogen, weil LED-Leuchten deutlich ener­gie­spa­render sind und die alten ‚Ener­gie­spar­lampen‘ Queck­silber enthalten.“

Ein Blick ins Netz über­raschte mich dann noch mehr. Diese Neu­igkeit war gar keine, sie wurde nur recht unauf­fällig ver­meldet. Bereits vor vier Jahren hieß es bei­spiels­weise eben­falls im Deutsch­landfunk:

„Ab sofort sind auf­grund der EU-Queck­sil­ber­ver­ordnung zunächst alle Her­stel­lungs­ver­fahren mit Hilfe von Queck­silber als Kata­ly­sa­toren verboten.

Ab Ende 2018 sollen dann Kom­pakt­leucht­stoff­lampen oder Queck­sil­ber­dampf­lampen weder pro­du­ziert noch ein- oder aus­ge­führt werden dürfen.“

Und am 1. Sep­tember des letzten Jahres gab es dann die Meldung:

„Ener­gie­spar­lampen dürfen ab heute in der EU nicht mehr in den Handel gebracht werden. Rest­be­stände dürfen ver­wendet und noch 18 Monate abver­kauft werden.“

Im Deutsch­landfunk Kultur bilan­zierte der Licht­planer Peter Andres zutreffend:

„Man hat die Leute wirklich betrogen. […] Man hat zer­brech­liche Gefäße mit dem gif­tigsten aller nicht­ra­dio­ak­tiven Stoffe. Man hat das nicht dazu gesagt und ris­kiert, dass viele Leute diese Lampen wegwerfen.“

Still­schweigend werden die einst pro­pa­gierten Lampen, zu deren Kauf die Bürger durch Verbot anderer Leucht­mittel gedrängt werden sollten, nun selbst ver­boten, weil sie gif­tiges Queck­silber ent­halten. Dass dies bei Licht­quellen, die Queck­sil­ber­dampf-Nie­der­druck­lampen heißen, der Fall sein könnte, konnte vor zehn Jahren natürlich kein Ver­ant­wort­licher wissen. Es ging schließlich um die Klimarettung.

Viel­leicht sollte man – wegen des Queck­silbers lieber im Außen­be­reich – jetzt irgendwo zur Erin­nerung eine der nun auch für die EU ganz offi­ziell zu gif­tigen Leuchten in eine Fassung schrauben und das Licht anschalten. Einfach zur Erin­nerung, dass die Obrigkeit nicht immer recht hat und die Bürger in ihrem per­sön­lichen Lebens­be­reich besser eigen­ver­ant­wortlich entscheiden.

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https://www.achgut.com/artikel/der_stille_tod_eines_eu_irrwegs


Quelle: energie-klima-energie.eu

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