„Inflation“ ist in aller Munde. Sehr schnell wird mit dem Finger auf die angeblichen die Verursacher gezeigt. Es heißt dann, das Klima sei schuld oder die Knappheit der Rohstoffe oder der Krieg. Es wird auch behauptet, die „Inflation“ steige wegen höherer „Kosten“. Man merkt anscheinend nicht, dass man auf die Scheinerklärung hereinfällt, steigende Preise mit steigenden Preisen zu erklären, da man nicht beachtet, dass Kosten auch Preise sind.
(von Dr. Antony P. Mueller)
Preisinflation
Der Begriff „Inflation“ wird falsch verwendet. Die genaue Bedeutung von „Inflation“ ist die Ausweitung der Geldmenge. Zu sagen, dass die Inflation steigt, ergibt keinen Sinn, weil sich der Begriff auf ein Volumen bezieht, das Geldvolumen, das sich ausdehnen (aufblasen) oder zusammenziehen (schrumpfen) kann. Wenn man über das Preisniveau spricht, sollte man den Begriff „Preisinflation“ bevorzugen, um den Anstieg der Preise von der Geldinflation zu unterscheiden, mit der die Expansion Geldmenge gemeint ist.
Bliebe das monetäre Gesamtvolumen konstant, würde der Anstieg eines bestimmten Preises zu einer Einschränkung der Nachfrage führen oder durch das Sinken anderer Güterpreise ausgeglichen werden.
Die allgemeine Höhe der Preise ist von den Verhältnissen der Einzelpreise zueinander zu unterschieden. Der handelnde Mensch richtet sein wirtschaftliches Handeln an den relativen Preisen aus, wozu auch das eigene Einkommen als Bezugspunkt zählt. Dass einzelne Güter sich entweder durch reduziertes Angebot oder steigende Nachfrage verknappen, geschieht andauernd im Wirtschaftsprozess. Es sind gerade diese Veränderungen, die die Grundlage des unternehmerischen Handelns sind und Gewinn und Verlust bei Unternehmen bestimmen. Diese relativen Preisänderungen sind nicht die Ursache einer allgemeinen Preisinflation. Bliebe das monetäre Gesamtvolumen konstant, würde der Anstieg eines bestimmten Preises zu einer Einschränkung der Nachfrage führen oder durch das Sinken anderer Güterpreise ausgeglichen werden.
Preisinflation, verstanden als anhaltender genereller Anstieg der Preise hat monetäre Ursachen. Zur Preisinflation kommt es, wenn die monetären Ausgaben insgesamt schneller steigen als die Gesamtproduktion. Ein Überschuss der Geldausgaben gegenüber der Veränderung der Produktion und somit dem Angebot an Gütern und Dienstleistungen führt dazu, dass die Güter generell teurer werden. Es tritt eine monetär verursachte Verknappung der Güter ein, obwohl die Produktion gar nicht gesunken sein muss.
Geldmenge
Wie kommt so ein Überschuss der Geldausgaben zustande? Dies führt zur Frage nach den verursachenden Faktoren. Es gibt nicht nur eine Güterproduktion, sondern auch eine Geldproduktion. Geld wird zum einen als sogenanntes „Basisgeld“ von der Notenbank geschaffen. Aber auch das Geschäftsbankensystem produziert Geld, indem es Kredite vergibt oder Wertpapiere kauft oder Immobilien. Neben dem Staat als Hauptkreditnehmer nehmen auch die Unternehmen und die Konsumenten Kredite bei Geschäftsbanken auf.
Die Kreditaufnahme vervielfacht die Geldmenge, die von der Notenbank als Zentralbankgeld bereitgestellt wird. Mehr nominale Nachfrage setzt ein gestiegenes Geldvolumen voraus. Die Diskrepanz zwischen dem Angebot and Gütern und Dienstleistungen und der monetär alimentierten Nachfrage führt zu Preiseffekten. Was für einzelne Güter gilt, betrifft auch die Beziehung zwischen Gesamtangebot und Gesamtnachfrage. Allerdings tritt der gesamtwirtschaftliche Effekt nicht gleichmäßig auf. Das Steigen und Fallen der monetären Nachfrage relativ zum Güterangebot führt auch zu Umverteilungseffekten.
Eine Preisinflation kann auch ohne Ausweitung der Geldmenge durch einen Angebotsschock oder wegen Kürzung der Produktion, zum Beispiel aufgrund von Embargos, Krieg und Naturkatastrophen zustande kommen. Dann steigen die Preise, weil das Warenvolumen geschrumpft ist, während sich die Geldmenge nicht geändert hat.
Um Inflation zu verstehen, müssen verschiedene Faktoren berücksichtigt werden: Der Prozess, wie Geld in die Wirtschaft gelangt, beginnend mit der Notenbank und der Kreditvergabe der Geschäftsbanken im Hinblick auf die Kreditnachfrage seitens des Staates, der Unternehmen und der privaten Haushalte. Als weiterer Faktor kommt die Änderungsrate des Umlaufs der Geldmenge hinzu. Diese sogenannte „Umlaufsgeschwindigkeit“ hängt vom Verhalten der Wirtschaftssubjekt ab. Je nachdem, wie schnell die Wirtschaftssubjekte ihr Geld ausgeben, wie rasch es also von einer Hand in die andere wandert, steigt oder sinkt die Transaktionsgeschwindigkeit.
Eine Erhöhung der Preise bedeutet verminderte Kaufkraft. Am Ende hängt das Ergebnis vom menschlichen Handeln ab. Menschliches Tun findet von Augenblick zu Augenblick statt und daher sind Erwartungen wichtig. Werden steigende Preise erwartet, erhöht sich die Umlaufsgeschwindigkeit und die Erwartung fallender Preise mindert die Transaktionshäufigkeit mindert. Es liegt also ein Selbstverstärkungseffekt vor, so dass eine bestehende Preisinflation dadurch noch weiter angetrieben wird, dass die Leute ihr Geld möglichst rasch in Güter verwandeln möchten, während sie bei einer anhaltenden Preisdeflation ihr Geld lieber horten.
Werden weiterhin steigende Preise erwartet, steigt die Transaktionsgeschwindigkeit und die Inflation ernährt sich von selbst wie es auch die Vermutung kommender Preisrückgänge tut, die zum Horten anreizt. Sowohl die Inflation wie die Deflation sind Prozesse, die, sobald sie an Dynamik gewonnen haben, schwer umkehrbar. Generell gilt, dass ein fallendes oder steigendes Preisniveau das Ergebnis der Differenz zwischen der Änderungsrate des Warenangebots, des Geldbestands und der Umlaufsgeschwindigkeit, das heißt der Schnelligkeit der wirtschaftlichen Transaktionen, ist.
Monetäre Transmission
Die Geldmenge in Form von Zahlungsmitteln besteht aus dem Bargeldumlauf und den Einlagen der privaten Wirtschaftssubjekte und der öffentlichen Hand. Mit dieser Geldmenge werden im Wirtschaftsleben die geschäftlichen Transaktionen abgewickelt. Die Häufigkeit, mit der das geschieht, wird „Umlaufsgeschwindigkeit“ genannt. Sie errechnet sich indirekt als das Verhältnis zwischen dem nominalen Sozialprodukt und der Zahlungsmittelbestand.
Von ihrer Entstehungsseite her betrachtet werden die Zahlungsmittel ursprünglich von der Notenbank in Form der „Basisgeldmenge“ geschaffen. In der Zentralbankbilanz stellt diese Geldmenge einen Passivposten dar, dem hauptsächlich Schuldtitel der Geschäftsbanken und öffentliche Anleihen als Aktive gegenüberstehen. Die Ausweitung der Basisgeldmenge seit Bestehen der Europäischen Zentralbank spiegelt sich in der Ausweitung der Zentralbankbilanz wider. (Abb. 1)
Abbildung 1
Bilanz der Europäischen Notenbank (EZB), 1999–2022
Quelle: EZB, https://tradingeconomics.com/euro-area/central-bank-balance-sheet
Die Geschäftsbanken leihen sich dieses Basisgeld bei der Notenbank und schaffen ein Vielfaches davon als Giralgeld, beispielsweise als Bankkredite, oder sie deponieren es auf ihren Konten bei der Zentralbank. Der Kreditmultiplikator schwankt so mit dem Volumen der Kreditvergabe und kennzeichnet die Kreditexpansion und ‑kontraktion im Wirtschaftsleben. Die Wirkung der Geldmenge auf das Volkseinkommen hängt darüber hinaus von der Umlaufsgeschwindigkeit ab, die ebenfalls variiert und von der Geldhaltung der Wirtschaftssubjekte abhängt.
Es ist hauptsächlich die monetäre Basis, die unter Kontrolle der Zentralbank steht. Über die Mindestreserven hat die Notenbank beschränkt Zugriff auf die Kontrolle des Kreditmultiplikators, während sie auf die Umlaufsgeschwindigkeit nur sehr indirekt Einfluss nehmen kann.
Für die USA, wo längerfristige Daten vorliegen, zeigt sich zum Beispiel, dass eine vermeintlich für längere Zeit gültige Tendenz sich abrupt ändern kann, wie es 1981, 1995 und 2008 der Fall war und sich nun erneut abzeichnet. (Abb. 2)
Abbildung 2
USA: Umlaufsgeschwindigkeit des Geldaggregats M1, 1959–2022
Quelle: Federal Reserve System. https://fred.stlouisfed.org/series/M1V#0
Aus der Grafik (Abb. 2) wird auch ersichtlich, warum die expansive Geldpolitik der amerikanischen Notenbank seit 2008 keine Preisinflation auslöste, da die Ausweitung der Zentralbankgeldmenge im Verlauf des „Quantitativen Lockerung“ von einem extremen Rückgang der Umlaufsgeschwindigkeit von über zehn auf fast Null konterkariert wurde. Dieser Trend wurde Ende 2021 unterbrochen und es liegt auf der Hand, dass eine mögliche Trendwende aufgrund von sich verstärkenden Inflationserwartungen die aktuelle Geldmenge rasch in weiter steigende Preise umwandeln kann bzw. die Versuche der Notenbank zur Geldmengenreduktion unterlaufen kann.
Ein bestimmter monetärer Impuls, der von der Zentralbank ausgeht, zeitigt demnach je nach der Höhe dieser Multiplikatoren eine sehr unterschiedliche Wirkungsstärke auf die nominale Geldmenge, die als Zahlungsmittel in der Wirtschaft dient und sich im nominalen Volkseinkommen niederschlägt. Dabei ist es jedoch im Vorhinein nicht bestimmbar, welche Komponenten des Volkseinkommens – Konsum, Investitionen, Staat, Außenwirtschaft – betroffen sind und wie sich die Variation der Geldmenge auf die realen Größen der Volkswirtschaft auswirkt oder hauptsächlich als Preisinflation und ‑deflation in Erscheinung tritt.
Die Ausweitung der Geldbasis kann sowohl die Konsumgüter als auch die Investitionsgüter betreffen, und innerhalb der Investitionen unterschiedlich die Investitionsgüter über die verschiedenen Produktionsstufen hinweg. Schwankungen der Geldbasis beeinflussen neben den Komponenten des Volkeinkommen auch die Höhe der Vermögenspreise und die Vermögensstruktur.
Ein von der Geldbasis ausgehender Geldimpuls kann je nach Wert des Kreditmultiplikators und der Umlaufgeschwindigkeit verstärkt oder konterkariert werden.
Abbildung 3
Monetärer Transmissionsmechanismus
Selbst wenn man den seltenen Fall einer reibungslosen Übertragung annimmt, stellt sich die Frage, inwieweit die verschiedenen Variablen auf den ursprünglichen monetären Impuls reagieren. Anstatt auf die Produktion kann eine Schwankung der Geldbasis in die Preise von Konsumgütern einfließen oder sie kann sich hauptsächlich auf die Preise von Investitionsgütern auswirken oder die überschüssige Liquidität kann in die Anlagemärkte fließen oder sich im externen Sektor (zum Beispiel als eine Erhöhung der Importe) manifestieren.
Die Umlaufgeschwindigkeit kann über lange Zeit stabil bleiben, aber wenn strukturelle Veränderungen in der Wirtschaft auftreten oder wenn sich neue Arten von Erwartungen durchsetzen, ändert sich die Umlaufgeschwindigkeit. Es gibt eine allgemeine Tendenz, dass die Umlaufgeschwindigkeit mit dem Grad der Inflationserwartung zunimmt, und wenn eine Deflation einsetzt, neigt die Umlaufgeschwindigkeit typischerweise dazu, sich zu verringern. In fortgeschrittenen Stadien der Inflation und Deflation, wenn die Erwartungen über den Trend deutlicher werden, wird die Rückkopplungsschleife noch ausgeprägter und verstärkt die Verbindung zwischen dem allgemeinen Preistrend, der Erwartung und der Geschwindigkeit, was zu den Extremen der Hyperinflation oder des deflationären Zusammenbruchs führt.
Da zwischen den Variablen keine konstanten quantitativen Beziehungen bestehen, können die Zentralbanken ihre Politik nicht kalibrieren. Je aktiver die Zentralbank agiert, desto höher sind deshalb die Risiken grober Irrtümer. Keine noch so intensive empirische Forschung kann dieses Problem lösen, da die gegenwärtige Wirtschaft anders ist als in der Vergangenheit. Und in Krisenzeiten unterscheiden sich die zukünftige Wirtschaftsstruktur und das Verhalten der Wirtschaftssubjekte von der Gegenwart.
Fazit
Langfristig bestimmt die Geldmenge das allgemeine Preisniveau.
Langfristig bestimmt die Geldmenge das allgemeine Preisniveau. Ob die Preise steigen oder fallen, hängt von der relativen Veränderung der Geldmenge im Vergleich zur Veränderungsrate des Warenangebots ab. Man muss berücksichtigen, dass der Prozess der Geldschöpfung durch die Zentralbank von der sogenannten „Geldbasis“ bis zu den Auswirkungen auf die Wirtschaft in Bezug auf das Volkseinkommen und die Produktionsstruktur lang ist und eine Reihe von stark schwankenden Variablen enthält. Diese Schaltstellen des Geldimpulses können in die gleiche Richtung zusammenwirken und so den ursprünglichen Impuls verstärken oder sie können gegeneinander wirken und die Effekte wechselseitig konterkarieren. Angesichts der Unbestimmtheit der ———–quantitativen Relationen kann die Notenbank ihre Politik nicht verlässlich kalibrieren. Je aktiver eine Notenbank agiert, desto mehr steigt das Risiko grober Fehler.
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Dr. Antony P. Mueller ist habilitierter Wirtschaftswissenschaftler der Universität Erlangen-Nürnberg und Professor der Volkswirtschaftslehre an der brasilianischen Bundesuniversität UFS (www.ufs.br). Vor kurzem erschien sein Buch „Kapitalismus, Sozialismus und Anarchie: Chancen einer Gesellschaftsordnung jenseits von Staat und Politik“ . Kontakt: antonymueller@gmail.com
Quelle: misesde.org
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