Das ZDF im Bagdad-Modus

Als Muhammad as-Sahhaf, der später von der Presse lie­bevoll „Comical-Ali“ genannt wurde, 2003 vor lau­fender Kamera ver­kündete, die ame­ri­ka­ni­schen Sol­daten im Irak seien dabei, zu fliehen oder Selbstmord zu begehen, rollten die Panzer der US-Truppen bereits durch die Vororte von Bagdad. Sein Auf­tritt steht seither arche­ty­pisch für die Sorte Falsch­meldung oder Fehl­in­for­mation, bei der die unbe­queme Wahrheit im Stu­dio­pu­blikum sitzt und winkt. An as-Sahhaf musste ich unwill­kürlich denken, als ich den ZDFheute-live Beitrag mit dem Titel „Droht uns ein Blackout ohne Atom­kraft?“ vom 1. August 2022 sah. Ver­gessen wir für einen Moment, dass uns die drei ver­blie­benen Kern­kraft­werke nicht im eigent­lichen Sinne retten, sondern die ener­ge­tische Kata­strophe allen­falls lindern könnten. Ich sage das nur deshalb, weil in dieser unter­stellten „Rettung“ bereits der Keim für eine Schuld­zu­weisung steckt, falls es trotz „Streck­be­trieb“ am Ende doch nicht gelingt, das Netz stabil zu halten. Zuge­geben, selbst in ARD und ZDF kommt entlang der Nach­rich­tenlage immer mehr Panik auf, ob uns die Ver­sprechen der Politik durch den Winter bringen, doch bei ZDFheute-live ist diese Stimmung offen­sichtlich noch nicht ange­kommen. Ein Blick auf die Namen der zu Wort kom­menden „Experten“ und man kann Wetten zu miesen Quoten darauf abschließen, wie das Fazit der Sendung lauten wird. Ich nehme es vorweg: Bitte leben Sie weiter, hier gibt es nichts zu fürchten! Es kommen zu Wort: Ricarda Lang von den Grünen, die unver­meid­liche Claudia Kemfert vom DIW (im Grunde auch Grüne) und Christoph Maurer von der Bera­tungs­firma con­sentec, welche im Dunst­kreis der „agora Ener­gie­wende“ agiert. Also ist auch dieser Inter­viewgast im Auftrag der Ener­gie­wende unterwegs. Schauen wir also mal, was uns die „Experten“ zu sagen haben.

Adjektive der Apokalypse

Mit „Hey, schön, dass ihr dabei seid“ setzt Alica Jung vom ZDF zur Begrüßung schon mal den Ton. Aber an derlei Ankum­pelei ist der Zuschauer ja längst gewöhnt. Bereits der erste anmo­de­rierte Beitrag zemen­tiert das Framing: „Deutschland will raus aus gefähr­licher Atom­kraft, kli­ma­schäd­licher Kohle und rus­si­schem Gas“. Die Adjektive der Apo­ka­lypse sind bei­sammen: gefährlich, kli­ma­schädlich, rus­sisch! Die ele­men­tarsten Fakten hat man hin­gegen nicht parat. Es stimmt natürlich, dass es Zeiten gibt, in denen keine Sonne scheint und kein Wind weht. Doch die nennt man zunächst mal Nacht, bewölkter Himmel, win­ter­licher Son­nen­stand oder Wind­stille. Dun­kel­flauten ent­stehen erst durch die sta­tis­tische Häufung dieser natür­lichen Phä­nomene, übli­cher­weise im Winter.

Dass von tat­säch­lichen Dun­kel­flauten Gefahren für eine stark von Sonne und Wind abhängige Strom­ver­sorgung aus­gehen, die man derzeit nur mit kon­ven­tio­nellen Kraft­werken abpuffern könne, bestreitet Kemfert. Sie will den Blackout mit irgendwas „smartem“, „digi­talem“ auf­halten und sagt doch selbst, dass es dies alles noch nicht gibt. Kein Problem, kann man ja schnell auf­bauen! Nur zum Ver­gleich: Weih­nachten ist nicht mehr fern. Jetzt einen Tan­nen­samen in die Erde zu stecken, lässt bis zum Fest keinen Weih­nachtsbaum wachsen. Nach Wunsch­zettel oder Märchen-Happy-End klingt auch Kem­ferts Aussage, wenn wir nur ganz schnell ganz viel in die „smarten Systeme“ inves­tieren würden, wären wir für immer aller Sorgen ledig. Wie üblich bei Inter­views mit der Gal­li­ons­figur der Ener­gie­wende stellt niemand in der Redaktion diese Aus­sagen in Frage oder ver­langt wenigstens mal nach belast­baren Zahlen. Die Sprach­lo­sigkeit nach Kem­ferts Plat­ti­tüden ersetzt gewis­ser­maßen das „Amen“ in der Klimakirche.

Gewaltige Bat­terien!

Auch von Strom­spei­chern ist mal wieder die Rede und das ZDF lässt eine Kame­radrohne neben einem Pump­spei­cher­kraftwerk auf­steigen. „In gewal­tigen Bat­terien zum Bei­spiel oder auch Pump­spei­cher­kraft­werken. Das geht…“. Fragen wir uns jedoch – das ZDF tut es ja nicht –, wie­viele dieser „gewal­tigen Bat­terien“ oder Pump­speicher bis zur Abschaltung der letzten drei Kern­kraft­werke noch ans Netz gehen werden, kommen wir leider auf exakt Null!

Die heute zur Ver­fügung ste­henden Spei­cher­ka­pa­zi­täten reichen zusam­men­ge­rechnet nur, um Deutschland für eine halbe Stunde zu ver­sorgen, wie Prof. Harald Schwarz dem Zuschauer erklärt. Selbst das ist natürlich nur ein theo­re­ti­scher Wert, wenn man berück­sichtigt, dass zum Bei­spiel Pump­spei­cher­kraft­werke die gespei­cherte kine­tische Energie nicht in der für die halb­stündige Voll­ver­sorgung des Landes erfor­derlich kurzer Zeit durch die Tur­binen jagen könnten. In der Praxis würde das Netz also zusam­men­brechen, lange bevor die Speicher leer sind. Zeit, so scheint es, spielt in den Plänen der Ener­gie­um­dreher generell nur eine unter­ge­ordnete Rolle.

Der zuge­schaltete Christoph Maurer sieht jeden­falls keine gestiegene Gefahr für Blackouts. Sowas habe es auch schon vor der Ära der Erneu­er­baren gegeben und sei ohnehin total selten. Mal hier oder dort, aber das sei auch schon lange her! Man könnte ein­wenden, dass wir noch nie in unserer Geschichte so stark in allen Aspekten des Lebens von der Strom­ver­sorgung abhingen, wie jetzt und dass auch noch niemals so massiv auf der Erzeuger- und Ver­brau­cher­seite gleich­zeitig in die Netze ein­ge­griffen wurde. Nebenbei bemerkt: Dass etwas Kata­stro­phales selten geschehe und unwahr­scheinlich sei, lassen die Gegner der Atom­kraft für Kern­energie nie gelten.

Grüner Was­ser­stoff und ein Bisschen Energieverlust

Inter­essant ist, dass Maurer eine Art neuen Rea­lismus in die Dis­kussion ein­führt. Er gibt zu, dass wir auch in Zukunft und bei vor­an­schrei­tendem Ausbau von Solar- und Wind­energie die Vola­ti­lität abpuffern müssen. Für Energie-Extre­misten eigentlich ein Affront. Doch weil mitt­ler­weile auch dem letzten klar ist, dass es die „gigan­ti­schen Bat­terien“ nie geben wird und die Standorte für Pump­spei­cher­kraft­werke äußerst rar und in toto unzu­rei­chend sind, brauchen unsere Ener­gie­wender eben ein anderes Einhorn, welches es ganz sicher gibt und in das sie ihre ganze Hoffnung setzten.

Maurer nennt den „grünen Was­ser­stoff“ als das Spei­cher­medium der Zukunft. Groß­tech­nisch und in nen­nens­werter Menge haben wir den zwar auch nicht und weil der Wir­kungsgrad von Elek­trolyse, Ver­dichtung und Lagerung des H2-Gases samt anschlie­ßender Rück­ver­stromung gerade mal ein Drittel bis die Hälfte beträgt, haben wir auch nie genug Wind­räder und Pho­to­voltaik, um genug über­schie­ßende Spitzen zu pro­du­zieren, die man zur Was­ser­stoff­um­wandlung nutzen könnte. All das, was uns im Film also bisher als Rettung ver­kauft wird, steht in Nim­merland, gleich neben Narnia, hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen.

Maurer sieht den Wider­spruch wohl selbst und rela­ti­viert seine opti­mis­tische Aussage „pro­ble­ma­tisch ist, es geht ein Bisschen Strom ver­loren auf dem Weg von erneu­er­barem Strom zu Was­ser­stoff und wieder zurück. Das ist keine Tech­no­logie für jede Tag“. Man könnte auch sagen: nicht all­tags­tauglich. Er will mit grünem Was­ser­stoff nur die Dun­kel­flauten über­brücken, wobei man leider ein klein wenig Energie ver­liere. Die Unter­treibung des Jahres, würde ich sagen. Wir reden hier also von Anlagen, die wir in großer Zahl brauchen, denn sonst kommen wir in die­selben Pro­bleme wie mit den wenigen Spei­chern von weiter oben. Die Leistung einer Turbine ist schließlich begrenzt, wir können nicht eine riesige Anlage bauen, sondern brauchen viele davon. Und die sollen dann an den meisten Tagen im Jahr still­stehen und auf Dun­kel­flauten warten. Eine Art Not­strom­ag­gregat für das ganze Land. Betrieben mit dem wenigen Was­ser­stoff, den die volatile Wind­kraft aus Über­schüssen produziert.

Zuge­geben, die meisten Gas­kraft­werke lassen sich für Was­ser­stoff umrüsten. Doch die meisten davon befinden sich schon heute im Leis­tungs­be­trieb und pro­du­zieren einen erheb­lichen Teil des benö­tigten Stroms. Von Reserve für Dun­kel­flauten sind sie also mei­lenweit ent­fernt. Ein Blick in eine beliebige Woche der Energy-Charts des Fraun­hofer Instituts zeigt das. In der gerade ver­gan­genen Kalen­der­woche 30 trug Erdgas mit 945 GWh kaum weniger bei als On-Shore-Wind­kraft­an­lagen mit ihren 1170 GWh. Wir reden hier immerhin von einer Woche, in der längst der Gas­not­stand aus­ge­rufen war und der Spar­fuchs Habeck bereits kürzer duschte!

Kern­energie und die „deutsche Perspektive“

Irgendwann kommt im ZDF dann doch noch die Kern­energie zur Sprache. Brauchen wir nicht, meint Maurer. Ja, manche Länder in Europa sehen das anders, aber das sei eben eine Ent­scheidung, die getroffen werden muss und aus der deut­schen Per­spektive hält er Atom­kraft für lang­fristig schlicht zu teuer. Auch hier: keine Nach­frage, worin denn diese „deutsche Per­spektive“ begründet liegt oder wie es sein kann, dass dieses „zu teuer“ in allen Ländern ohne diese „deutsche Per­spektive“ zu deutlich bil­li­gerem Strom führt. „Atom­energie ist eine wahn­sinnig teure Ener­gieform, wenn wir die neu errichten“, sagt Maurer, was ein Schlag ins Gesicht der Ver­braucher ist, denen man bis zum Ende des Jahres ins­gesamt 17 bereits teuer errichtete und zuver­lässig funk­tio­nie­rende Kern­kraft­werke weg­ge­nommen haben wird.

Die neue „Wun­der­waffe“ Was­ser­stoff­wirt­schaft mit all den nur auf dem Papier exis­tie­renden Spei­chern und Elek­tro­ly­se­ge­räten und Wind­rädern und Schiffen für den zu impor­tie­renden Was­ser­stoff und den Anlagen zu seiner Erzeugung in Dritt­ländern sind aber wohl auch nicht zum Null­tarif zu haben, selbst wenn die Sonne und Wind keine Rechnung schicken, wie es immer heißt. Man kann die Kosten für Wind- und Solar­strom nicht danach berechnen, wie die Betriebs­kosten bestehender Anlagen sind. Man muss das ganze Backup-System ein­be­ziehen, inklusive ent­weder einer Erd­gas­wirt­schaft von Putins Gnaden oder der noch auf­wän­di­geren und tech­no­lo­gisch kom­pli­zier­teren Was­ser­stoff­wirt­schaft. Auch sollte man die bisher etwa eine Billion Euro Sub­ven­tionen aller Art ein­be­rechnen, die den Steu­er­zahler der Wahnsinn „deutsche Ener­gie­wende“ bereits gekostet hat. Dem gegenüber steht eine abge­wi­ckelte und ver­teu­felte Nukle­ar­in­dustrie mit hinter dem Rücken gefes­selten Händen, der man nun vor­wirft, nicht schnell genug klat­schen zu können. Nur hüpfen darf sie noch eine Weile, im Streck­be­trieb. Vielleicht.

Importland für immer

Immerhin ist Maurer in der Per­spektive ehrlich. Er gehe davon aus, dass Deutschland lang­fristig – wegen der ungüns­tigen Bedin­gungen für Erneu­erbare (Hört, hört!) – ein Importland für Strom und grünen Was­ser­stoff bleiben wird. Andere Länder in Europa sollen den Was­ser­stoff für uns her­stellen und so müssen wir wohl mit dem Einzug ins grüne Ener­gie­pa­radies warten, bis unsere Nachbarn das gleiche Maß an ener­ge­ti­scher Nar­retei erreicht haben wie wir. Und mehr! Denn wer selbst eine Ener­gie­wende nach deut­schem Vorbild hinlegt – und die Moral der Welt­rettung (ich nenne sie gern „deutsche Per­spektive“) ver­langt nichts weniger als das – wird immer Nachbarn brauchen, um die Lücken zu füllen. Wir dürfen also wetten, was uns zuerst ausgeht: der Strom oder die Nachbarn, die ihn uns liefern müssen.

Der nächste Ein­spieler. Ricarda Lang bekräftigt das Nein der Grünen zum Wie­der­ein­stieg in die Kern­energie. Welche Über­ra­schung. „Und es ist so, dass die Gas­kraft­werke in Deutschland nur zu einem sehr kleinen Teil zur Ver­stromung ein­ge­setzt werden und da nur zu einem win­zigen Teil durch die Atom­kraft ersetzt werden können.“ Nur noch mal zur Ver­deut­li­chung des „sehr kleinen Teils“, Frau Lang: in KW30 ent­fielen auf Gas 10% der Strom­erzeugung, in anderen Wochen waren es 16%. Ich würde 945 GWh pro Woche nicht winzig nennen. Es geht auch nicht darum, dass die Kern­energie das womöglich weg­fal­lende Gas „ersetzen“ könne. Wir ver­suchen nur gerade, eine weitere sich auf­tuende Lücke von 7% zu ver­meiden, die zu unseren Pro­blemen ab dem 1.1.2023 noch hin­zu­kommen wird. Lang hält selbst jetzt noch daran fest, dass wir „ein Wär­me­problem und kein Strom­problem“ hätten, allen War­nungen und Mene­tekeln zum Trotz.

Die Ver­fahren, welche zum Wei­ter­be­trieb oder auch nur zum Streck­be­trieb der ver­blie­benen Kraft­werke erfor­derlich sind, ordnet Maurer dann korrekt ein, den Punkt muss man ihm lassen. Ein Detail ist hier inter­essant: Wie stark pres­siert die bittere Rea­lität wohl bereits in der Branche der Erneu­er­baren, wenn sich selbst deren Ver­treter nicht mehr gegen den Wei­ter­be­trieb – und sei es nur Streck­be­trieb – sperren? Zumindest jene Ver­treter der Branche, die tech­nisch über­blicken können, was uns im Winter droht. Wer bis zum Schä­deldach mit Ideo­logie und bunter Knete gefüllt ist wie Kemfert, bekommt davon natürlich nichts mit. Aber die Ent­scheidung für den Wei­ter­be­trieb treffen ohnehin nicht Tech­niker wie Maurer oder Ein­horn­rei­te­rinnen wie Kemfert, sondern Poli­tiker wie Lang.

Nicht nur Gas, auch Kohle ist knapp

Noch ein Ein­spieler. Der deutsche Strommix. Hier erfährt der Zuschauer auch noch mal vom ZDF, dass der „winzige Anteil“ von Erdgas an der Strom­erzeugung mehr als 10% beträgt. Schönen Gruß an Frau Lang an dieser Stelle. Retten soll uns nun nicht die Kern­kraft, sondern die Stein­kohle. Abge­schaltete Kraft­werke wie das in Mehrum gehen gerade wieder in Betrieb. Mit der Stein­kohle ist es aber so eine Sache, denn die impor­tierten wie zu einem großen Teil ja auch aus Russland, was ab August wegen der EU-Sank­tionen nicht mehr erlaubt ist. Kohle per Schiff aus Kolumbien oder Aus­tralien zu holen, stößt auf die­selben Eng­pässe wie der Import von Flüs­siggas: es gibt zumindest kurz­fristig weder die Tanker noch die Frachter, um unseren gestie­genen Bedarf herbeizuschaffen.

Und jetzt wird’s lustig: das ZDF und Ricarda Lang haben in ihren Strom-Wärme-Betrach­tungen nämlich die Industrie ver­gessen! Greifen wir uns mit der Zucker­in­dustrie nur mal einen win­zigen Teil davon heraus, um das Problem zu ver­deut­lichen. Die deut­schen Zucker­fa­briken brauchen viel Energie in Form von Pro­zess­wärme und Strom. Beides erzeugen sie in der Regel selbst, und zwar ent­weder mit Gas wie in meiner Nach­bar­schaft oder mit Stein­kohle, wie zum Bei­spiel in Uelzen. Die Rüben­ernte-Kam­pagne beginnt im Oktober und läuft bis in den Februar, dum­mer­weise genau in der Zeit also, für die wir Eng­pässe bei der Gas­ver­sorgung erwarten und bei der Koh­le­ver­sorgung nun eben­falls. Wo die deutsche Kar­toffel mit gutem habeck’schen Bei­spiel voran geht, wird wohl auch die Zuckerrübe kürzer duschen müssen.

Das ist sicher nur ein kleines Bei­spiel, aber es findet sich generell nichts von solchen erwart­baren Pro­blemen im Beitrag. Statt­dessen bestreitet Maurer, dass es pro­ble­ma­tisch sein könne, dass sich Deutschland niemals zur Gänze selbst mit Energie ver­sorgen können wird. Wir impor­tierten doch schon jetzt den größten Teil unserer Energie, etwa als Öl und Gas, um unsere Fahr­zeuge zu betreiben! Das ist richtig, aber er vergiss, dass es dabei ja nicht bleiben soll. Ab 2035 keine Ver­brenner mehr bedeutet, dass der Ver­kehrs­sektor noch oben drauf kommen soll auf die dürren Schultern der Erneu­er­baren, die den Berg an Ver­brau­chern jetzt schon nicht tragen können.

Fazit

Eine Gesamt­be­trachtung der ver­fah­renen Lage findet also auch im ZDF nichts statt. Maurer glaubt, der euro­päische Bin­nen­markt sei künftig die Lösung für unsere Ener­gie­pro­bleme, dabei rettet uns der euro­päische Netz­verbund doch heute schon den Hals. Und das auch nur durch stabile Ein­spei­sungen aus Frank­reich, Nor­wegen, Polen oder Öster­reich. Ich glaube nicht, dass diese fak­ten­schwache ZDF-Sendung auch nur einen Skep­tiker von der Sta­bi­lität unserer Ener­gie­ver­sorgung über­zeugt hat oder einen ein­zigen Prepper über­reden konnte, sein Not­strom­ag­gregat zu ver­kaufen. Die Ein­sei­tigkeit der „Experten“ ist zwar wenig über­ra­schend, aber dafür umso deutlicher.

Selbst ange­sichts ener­ge­ti­scher Not­fälle schafft man es beim ZDF nicht, mit den Experten für Kern­energie zu reden. Wie seit Jahren wird nur über die Kern­energie geredet und verfügt. Noch dazu mit irr­sin­nigen Aus­sagen und Unter­stel­lungen. Doch der Streck­be­trieb kann die Gas­ver­stromung nicht ersetzten, Herr Lindner! Das schafft ja nicht mal der aktuelle Leis­tungs­be­trieb. Ein Blackout wird jedoch wahr­schein­licher, weil ein sta­biler und grund­last­fä­higer Ener­gie­er­zeuger weg­fallen wird. Die Frage „Blackout oder nicht?“ ent­scheidet sich aber in Zehn­tel­pro­zenten. Die weg­fal­lenden 7–10% der ver­blie­benen Kern­kraft­werke könnten also der Tropfen sein, der am Ende fehlt.

Dem Ernst der Lage wird die ZDF-Sendung jeden­falls nicht gerecht. Zu ein­seitig, zu wenig Debatte, zu viel Ener­gie­wende-Voodoo, zu schlampig die Recherche. Man hört die lücken­haften ideo­lo­gi­schen Argu­mente und fühlt sich stets in der Grund­skepsis gegenüber ARD und ZDF bestätigt, die in jeder Frage immer vom Stand­punkt der Macht aus agieren. Egal ob es um Corona, Mei­nungs­freiheit, Migration oder Ener­gie­po­litik geht. Man spürt die Absicht und ist ent­schlossen, diesen Nasen über­haupt nichts mehr zu glauben.

Stellt sich noch die Frage, ob uns im Winter tat­sächlich das Gas ausgeht, weil Putin es ganz abdreht. Meiner Meinung nach wird etwas anderes pas­sieren. Es ist kein Zufall, dass jetzt, im Sommer, die Über­tragung in Nord­stream 1 auf nur 20% gedrosselt wurde. Tur­binen und Embargos hin oder her, im Sommer füllt Deutschland übli­cher­weise seine Speicher und das soll es aus Putins Sicht nicht. Im Herbst wird man sicher irgendwo eine Turbine finden, im Winter viel­leicht noch eine bei „Bares für Rares“ kaufen und die Gas­menge wird wieder steigen. Aber immer nur so viel, dass es gerade eben reicht.

Durch unsere Panik und die selbst­ver­schuldete Unsi­cherheit, die sich im Falle eines Lie­fer­aus­falls jederzeit in Richtung akute Notlage steigern ließe, hat er uns buch­stäblich – ent­schul­digen Sie meine Aus­drucks­weise – an den Eiern. Zum Diri­gieren reicht schon leichter, ange­deu­teter Druck. Er würde ja los­lassen. Dazu müssten wir nur Nord­stream 2 in Betrieb nehmen und uns damit offen gegen die EU und die Ver­ei­nigten Staaten stellen.

Nein, abstellen wird Putin uns das Gas wohl nicht. Im Gegensatz zur EU hat er begriffen, dass Sank­tionen nur solange wirken, bis man sie tat­sächlich umsetzt. Er beob­achtet wohl mit einer gewissen Genug­tuung den auf­ge­scheuchten Hüh­ner­haufen deut­scher Politik, die gerade dabei ist, die letzten drei Glüh­birnen aus den Fas­sungen zu schrauben und gleich­zeitig Angst vor der Dun­kelheit hat, weil Putin jederzeit die Tür zum Hüh­ner­stall zuschlagen könnte. Für Putin ist es nütz­licher, dass Deutschland vor Angst zittert, statt vor Kälte.

Und auch Christoph Maurer bekommt noch einen Extra­punkt, weil er pro­phezeit, dass unsere Ener­gie­kosten mit­tel­fristig steigen werden. Das tun sie ja bereits lang- und kurz­fristig, womit der Reigen dann kom­plett wäre. Ver­mutlich steigen sie ab Januar vor allem deshalb, weil wir dann keines der Kern­kraft­werke mehr haben, die den Strom­preis in die Höhe treiben, wie uns die Langs, Kem­ferts und Maurers glauben machen wollen. Aber das ist wohl doch nur ihre, die deutsche Perspektive.


Quelle: unbesorgt.de