Die Sparkassen haben eine sehr treue Kundschaft und man „kennt seine Pappenheimer“. Hier sind die normalen Bürger daheim. Die Sparkassen haben nun eine dringende Warnung an die Politik geschickt: Unter 3600 € netto bleibt den Haushalten nicht nur nichts mehr übrig, sie müssen sogar für die Lebenshaltungskosten an ihre Rücklagen gehen. Dass das nicht mehr lange gut geht, ist klar. Die werden auch bald aufgebraucht sein.
Es sind bereits 60 Prozent der privaten Haushalte, denen aufgrund der rasanten Preissteigerung bei Energie und Nahrungsmitteln nichts anderes übrigbleibt, als ihre Reserven anzugreifen – und wer keine (mehr) hat, muss solange seinen Disporahmen ausschöpfen, bis nichts mehr geht. Und wenn nichts mehr geht, was dann?
Helmut Schleweis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, sprach am Dienstag letzter Woche auf einer Pressekonferenz davon. Mittlerweile ist es schon so, dass schon viele Familien auch die Dispokredit-Grenze erreicht haben und sich nun keinen Rat mehr wissen.
Dabei müssten die Leute jetzt in effizientere Energie investieren, Vorräte anlegen, Vorsorgen für den Fall eines Blackouts, Kurbellampen, Petroleumofen, Kurbelradio um Durchsagen hören zu können … Ja, Familie Müller-Meier-Schmitz müsste nun eigentlich einen energieeffizienten Kühlschrank mit entsprechendem Gefrierfach kaufen, statt des alten Stromfressers. Und eine Waschmaschine, mit AAA-Energiesparstufe, aber daran ist kein Drandenken mehr. Den Trockner stellt man schon gar nicht mehr an, das ist unbezahlbar. Stattdessen hängen die feuchten Wäschestücke über den Zimmertüren und den Stuhl-Rückenlehnen, trocknen aber schlecht, weil man ja die Heizung auf ganz klein gestellt hat, um nicht von der Heizkostenabrechnung in den Ruin getrieben zu werden. Haare föhnen fällt auch aus.
Und was schon gar nicht mehr geht, ist Essen gehen, ins Kino gehen, oder in die kleinen Einzelhandelsläden. Viel zu teuer. Nur noch Aldi und Netto. Damit gerät die nächste Schicht an Bürgern in die Klemme. Bleiben die Kunden für den Einzelhandel weg, werden die Läden sterben und die Händler auch zum Prekariat.
Die Sparkassen- Pressekonferenz betonte daher, dass es gerade der Unternehmer-Mittelstand sei, der von den Energiepreisen betroffen sei, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Die Sparkasse hat in diesem Segment der Gesellschaft 300.000 Firmenkunden. Präsident Helmut Schleweis schlägt Alarm: Ganz besonders die Betriebe, die viel Energie benötigen, werden von einem nicht zu kompensierenden Anstieg bei den Produktionskosten ausgeblutet. Selbst bislang „grundsolide Firmen“ sind am Rande der Existenzvernichtung und brauchen Hilfe. Herr Schleweis forderte eine Begrenzung der Energiepreise, um eine Katastrophe zu verhindern.
In der Tat wundert man sich, dass die abschießenden Strompreise einfach so hingenommen werden, wenn Energieunternehmen, wie der RWE mit hohen Milliardengewinnen rechnet:
„Auf Konzernebene erwartet das Unternehmen jetzt einen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von 5 bis 5,5 Milliarden Euro – bisher wurden 3,6 bis 4 Milliarden Euro angepeilt. Im Kerngeschäft rechnet RWE mit einem Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von 4,3 bis 4,8 Milliarden Euro, bisher ging der Konzern von etwa drei Milliarden Euro aus. Als Grund für die Korrekturen nannte der Konzern »ein außerordentlich gutes Ergebnis« im Segment Wasser/Biomasse/Gas sowie im Unternehmensbereich Energiehandel »aufgrund einer starken operativen Performance«. “
Was für ein schöner Ausdruck: Starke operative Performance. Die haben auch die Mineralölkonzerne und erzielen Traumgewinne – gerade wegen des Ukrainekrieges. Da ist die „Übergewinnsteuer“ natürlich schnell auf dem Verhandlungstisch.
Dem Mittelstand bleibt ebenfalls oft nichts anderes übrig, als neue Kredite aufzunehmen. Die Sparkassen sind hier sehr viel zugänglicher als die meisten Banken und haben allein im ersten Halbjahr 60 Milliarden Euro an neuen Unternehmens-Krediten zugesagt, das ist ein Mehr von 19 Prozent. Natürlich, gibt Präsident Schleweis zu bedenken, sei es noch unsicher, wie sich die Insolvenzrate im Laufe des zweiten Halbjahres entwickeln werde. Aber man darf davon ausgehen, dass man in den Sparkassen lieber noch einen Kredit ausgibt, als gleich den bestehenden Krediten Lebewohl zu sagen, weil die Firma dann sofort den Bach heruntergeht. Da setzt man sicher lieber darauf, dass der Mittelstand sehr fleißig, anständig und findig ist, und doch noch einen Weg findet, sich aus der Misere herauszuarbeiten. Und für die hauseigenen Bilanzen ist es auch besser, lieber Kredite mit langer Laufzeit auszugeben, als gleich die Firma mitsamt ihrer Kredite in den Büchern abzuschreiben.
Ein Sorgenkind ist die Immobilienbranche. Wer einen Immobilienkredit aufnimmt, hantiert mit hohen Summen, bei denen jedes halbe Prozent höhere Zinsen gleich Tausende Euro pro Jahr ausmacht, was flott ein ganzes Monatsgehalt mehr ist, was wegfällt.
Im Jahr 2019 lag die offizielle Armutsgrenze für eine Familie mit zwei Kindern bei 2.256 € (2007 waren es 1.605 €). Wenn die Armutsgrenze tatsächlich jetzt für eine Familie mit zwei Kindern bei 3.600 € liegt, ist das fast das Doppelte des Jahres 2007. Und uns erzählt man schon seit Langem, dass die Inflation die ganze Zeit unter zwei Prozent lag?
Sparkassenpräsident Schleweis gibt auch zu bedenken, dass eine rigorose Kaufzurückhaltung aus der Not heraus bei sage und schreibe 60 Prozent der deutschen Haushalte ganze Branchen auslöschen könnte, deren Produkte oder Leistungen eben nicht lebensnotwendig sind, wie Gastronomie, Bekleidung, Möbel und Einrichtung, Spielsachen, Heimtextilien, Gartenmärkte, Buchläden, Schmuckläden, Museen, Freizeiteinrichtungen, Ferienwohnungen und ‑Parks, neue Autos, Reisebüros, Hotels, Unterhaltungsindustrie, Bauunternehmen, Architekten, Kosmetiksalons, Friseure … usw. usf. …
Das wird eine Schicht der Unternehmen nach der anderen den Boden unter den Füßen wegziehen und sie zu Fall bringen und das Heer der Armen und Einkommensschwachen oder Einkommenslosen vergrößern.
Oder aber es wird sich, wie in Drittweltländern, ein riesiger schwarzer Markt für Selbstgemachtes, Eingemachtes und Unkontrolliertes, Zusammengebautes und Repariertes, Ererbtes und Geklautes etablieren, vom Schnaps bis zu Kleidung, von Lebensmitteln bis zu Hausbau – und zwar per Tauschgeschäft, Schwarzarbeit, Beziehungen und Flohmärkten.
Das bedeutet: Sicherheitsnormen, Qualität, Festpreise, Steuern, Mehrwertsteuern, Buchführung, bargeldloses Zahlen und Bankkonten werden dann nur noch kleine Teile der Wirtschaft abbilden. Der Großteil ist Maggel-Wirtschaft. Das geht auch.
Und da fällt uns doch was auf: Dann sind wir ratzifatzi bei der kleinen Morgenthau-Armuts-Kreislaufwirtschaft, die die Chefökonomin der Grünen, Frau Ursula Herrmann für uns ja sowieso schon vorgesehen hat. Seltsam, dass genau das gerade passiert?
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