Es kokelt in Frankreich und das Ganze könnte sich zu einem veritablen Flächenbrand ausweiten. Zwei Drittel der Raffineriearbeiter streiken, die Tankstellen haben Benzinmangel und die Leute liefern sich dort Prügeleien wegen Benzin. Bei der Regierung liegen die Nerven blank, und man erwägt schon „hart durchzugreifen“. In Frankreich ist das aber eine riskante Sache. Der Franzos’ neigt zur Revolution.
Die großen Konzerne haben Rekordprofite eingefahren, das Volk hat nicht genug Geld für den Einkauf des Lebensnotwendigen. Genau wie in Deutschland haben die Konzerne der Energiewirtschaft die gegenwärtige Situation weidlich genutzt, um sich die Taschen zu füllen. Das Unternehmen „TotalEnergies“ beispielsweise hatte bereits 2021 einen Gewinn von 16 Milliarden eingefahren und 2022 verspricht ebenso lukrativ zu sein. Mehr oder weniger alle Ölraffinerien haben von den Verwerfungen am Markt und der Unübersichtlichkeit der Preisfindung profitiert. Der Verbraucher kann nicht erkennen, wieviel von der massiven Öl- und Benzinpreisteuerung auf die CO2-Zertifikate, auf die Inflation, die Mineralölsteuer oder die Versorgungsschwierigkeiten aufgrund des Wirtschaftskrieges gegen Russland zurückzuführen ist. Das ist eine wunderbare Gelegenheit für jeden der beteiligten Kostentreiber, sich über Gebühr die Taschen vollzustopfen. Vor dem Hintergrund, dass die Regierung ständig von einer krisenbedingten Notlage redet, denkt man wohl, das ungestraft ausnutzen zu können.
Angesichts dieser Krisengewinne und der Inflation und der Verarmung der hart arbeitenden Bevölkerung verlangte die größte Gewerkschaft Frankreichs, die CGT eine zehnprozentige Gehaltserhöhung der Arbeiter in den Raffinerien. Das lehnten die Manager der Konzerne ab und wollen nur bis zu 3,5 Prozent gehen. Daraufhin wurde der Streik ausgerufen. Seit Montagabend werden zwei Drittel der Raffinerien in Frankreich bestreikt und sind geschlossen – mit katastrophalen Auswirkungen auf die Versorgung der Tankstellen mit Kraftstoff. Auch die Heizölhändler haben Lieferprobleme.
Die langen Warteschlangen vor den Tankstellen führen immer wieder zu Aggressionsausbrüchen. Verständlich, wenn man eigentlich keine Zeit hat, tanken muss und nicht weiß, ob man, wenn man endlich vorne an der Zapfsäule ankommt, überhaupt noch Sprit bekommt. Denn ein Drittel der Tankstellen haben zumindest zeitweise kein Benzin mehr. Leergefahrene Autos, auch Polizeiautos, werden zu den Tankstellen geschoben. Manche Tankstellen haben den Preis schon auf drei Euro pro Liter hochgeschraubt. Trotzdem versuchen einige Tankkunden, auch noch mitgebrachte Kanister zu füllen, was zu heftigen Disputen und nicht selten zu Schlägereien führt. Nun sollen Höchstmengen beim Tanken von 30 Litern pro Tag verhindern, dass den Tankstellen der Kraftstoff zu früh ausgeht und die Prügeleien weniger werden. Großfahrzeuge über 3,5 Tonnen, wie LKWs dürfen 120 Liter pro Tag zapfen.
Es gibt Polizeistreifen, die vor den Tankstellen nachprüfen, wieviel Benzin noch im Tank vorhanden ist. Hat man „zu viel“ drin, wird man wieder weggeschickt. Manche fahren um vier Uhr morgens zum Tanken in der Hoffnung, dann weniger lange Schlangen anzutreffen und noch eine bessere Chance zu haben, dass die Zapfsäulen auch noch Treibstoff ausspucken. Diese Hoffnung erfüllt sich aber nicht immer..
Der Raffineriestreik ist auch nicht der erste Streik. Es ist erst ein paar Wochen her, dass die Bahn, Schulen und Kindergärten durch einen Generalstreik aller Angestellten komplett geschlossen waren. Letzte Woche streikte die Belegschaft des Stromkonzerns EDF. Dieses Jahr scheppert’s richtig mit den Streiks, so viele wie in diesem Jahr gab es noch nie – und ein Frankreichweiter Generalstreik ist durchaus nicht ausgeschlossen. Das hat auch damit zu tun, dass die Franzosen genau wissen, dass die Politik der Regierung, die selbst in Gang gesetzten Sanktionen und die dadurch herbeigeführte Krise das Land in diese Notlage manövriert hat, während die Konzerne — genau wie in Deutschland — enorme Gewinne dabei einheimsen können – während „der kleine Mann auf der Straße“ darum kämpft, genug Essen auf den Tisch zu bringen und eine halbwegs warme Wohnung zu haben.
Die Regierung versucht fieberhaft, der Situation Herr zu werden. Die Drohungen der Streikkommitees, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt werden, gebe es eine neue Gelbwesten-Revolution, jagten Präsident Emmanuel Macron Schauer über den Rücken. Damals hätten die Gelbwesten fast mit der Erstürmung des Elyséepalastes Erfolg gehabt. Davon möchte man keine zweite Auflage. Ministerpräsidentin Élisabeth Borne erwog sogar, die Kraftstoffdepots des Konzerns „TotalEnergies“ zu beschlagnahmen, um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Gleichzeitig ordnete die Regierung an, die Arbeiter der Raffinerie-Niederlassung in Port-Jérôme zwangszuverpflichten. Das kam natürlich überhaupt nicht gut. Der Vertreter der Gewerkschaft CGT, Christophe Aubert, gab sich entschlossen:
„Sie müssen wissen, wir werden dagegen ankämpfen, denn das ist eindeutig eine Infragestellung des Streikrechts. Was wir damit sagen wollen ist, dass wir uns leider nicht mehr in einem Staat des Rechts und der Freiheit befinden. Wir sind einem Frontalangriff auf unser Streikrecht ausgesetzt, aber das werden wir nicht zulassen.“
Die Mitglieder der Gewerkschaft hat er dabei hinter sich. Man stimmte ab und setzt einmütig den Streik fort. In Dunkirk, La Méde, Feyzin (Lyon), Dognes (an der Loire), stehen weiterhin die Räder still. Am gestrigen Donnerstag wurde sogar ein eintägiger Generalstreik ausgerufen. Selbst der Eiffelturm blieb geschlossen, berichtet Euronews. Unterdessen soll es nun doch wieder Gespräche zwischen der Gewerkschaft und den Raffinerien geben.
Die Franzosen sind nicht allein mit ihrem Zorn. Auch in Großbritannien tobt eine Streikwelle. Nach Streiks der Angestellten in Häfen, Postangestellten und Beschäftigten im öffentlichen Personenverkehr drohen jetzt auch Gewerkschaften anderer Berufsgruppen mit Arbeitskampf. Die Inflation rennt in Großbritannien noch schneller davon als auf dem Kontinent. Ein Busfahrer sagte einem Fernsehteam: „Wir können nur entweder heizen oder essen, eines von beidem, und wir wollen beides, deshalb machen wir das hier.“
Nach Beschäftigten in Häfen, Postangestellten und Beschäftigten im öffentlichen Personenverkehr drohen jetzt auch Gewerkschaften anderer Berufsgruppen mit Arbeitskampf.
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