Pol­ter­geister hin­ter­lassen eine Menge Chaos — Wie real ist das unheim­liche Phä­nomen wirklich?

Wenn Pol­ter­geister ihr Unwesen treiben, ver­schwinden auf rät­sel­hafte Weise Gegen­stände, Geräte schalten sich von selbst ein und aus und nervige Klopf­ge­räusche machen einem das Leben schwer. Seit Steven Spiel­bergs Gän­sehaut-Streifen Pol­ter­geist ist das Phä­nomen Kult.

(von Frank Schwede)

Berichte über Fälle dieser Art liegen aus allen Epochen der Geschichte vor – viele davon sind Betrug, andere bis heute ungelöst. Oft stehen sogar For­scher vor einem Rätsel. Von Frank Schwede

Vor vierzig Jahren spukte es in einer Zahn­arzt­praxis in der Ober­pfalz. Eine Stimme quäkte aus Spuck­näpfen und Klo­schüsseln und beschimpfte Pati­enten, ein nettes Wort hatte er nur für die sech­zehn­jährige Aus­zu­bil­dende Claudia übrig. Begonnen hat die Odyssee im Sommer 1981.

Der Geist stellte sich als „Chopper“ vor. Als die Medien von der Sache Wind bekamen, lief Chopper zur Höchst­formen auf. Immer mehr Men­schen strömten in die Praxis, um den umtrie­bigen Geist hautnah erleben zu können.

Jour­na­listen und Kame­ra­teams kamen aus allen Her­ren­ländern ange­reist, selbst aus den USA, Japan und Neuseeland.

Bald schon hatte der Spuk ein Ende, weil Geis­ter­jäger „Chopper“ auf die Schliche kamen. Der Geist ent­puppte sich als die „Zucker­puppe“, wie die Aus­zu­bil­dende vie­lerorts genannt wurde.

Als Grund nannte die Sech­zehn­jährige Gel­tungs­sucht. Die Aus­zu­bil­dende, ihr Chef und dessen Ehefrau lan­deten schließlich vor Gericht.

Fast täglich strahlte Claudia mal in die eine, mal in die andere Kamera und sonnte sich in dem Rummel um ihre Person. Angeblich soll ihr der Stern einen Exklu­siv­vertrag in Höhe von 120.000 Mark geboten haben.

Spuk­ge­schichten gibt es eine Menge – und das nicht erst seit Steven Spiel­bergs Hor­ror­klas­siker Pol­ter­geist. Noch gut erinnere ich mich an die Gän­sehaut-Ein­stiegs­szene: Die fünf­jährige Carol Anne Freeling, gespielt von Heather O´Rourke,  sitzt nachts alleine vor dem Fernseher.

Als nach Sen­de­schluss der Bild­schirm flimmert und ein Rau­schen aus dem Laut­sprecher tönt, spricht die Fünf­jährige mit dem Fern­seher und streckt ihre kleine Hand nach ihm aus.

Carol Anne wird schließlich von den Geistern, die sie „die Leute aus dem Fern­sehen“ nennt und die in einem bösen Wesen namens „die Bestie“ exis­tieren, ent­führt.  Pol­ter­geist ist für Lieb­haber von Gän­se­haut­filmen bis heute die Mutter aller Horrorfilme.

Der Hol­lywood-Klas­siker ist nur eine von Dut­zenden Pro­duk­tionen dieses Genres, doch hat sich keiner so sehr in die Köpfe der Zuschauer ein­ge­brannt. Ein Grund  dafür mag sein, dass der Spuk nicht irgendwo weit draußen im Wald statt­findet, sondern in den geschützten eigenen vier Wänden, – im Wohn- und Kin­der­zimmer kurz vor dem Schlafengehen.

Mal kracht ein Baum durch das Fenster, dessen knorrige Äste an eine über­große Hand erinnern, die nach dem Kind greift, ein andermal schmeißt ein Wir­belwind Spielzeug durch das Kin­der­zimmer, während Carol Anne sich ver­ängstigt an das Gestell ihres Bettes klammert.

Nachdem das Mädchen in den Schrank gesaugt wurde, gilt es als ver­misst. Die Free­lings ent­decken nun, dass „die Leute aus dem Fern­seher“ über­haupt nicht nett sind.

Sechs Jahre nachdem Pol­ter­geist in die Kinos kam, starb Haupt­dar­stel­lerin Heather O´Rourke im Alter von nur zwölf Jahren nach einer Not­ope­ration, die zwei­und­zwan­zig­jährige Domi­nique Dunne, die im Film die ältere Schwester spielt, wurde noch im Jahr der Pre­miere von ihrem Freund erwürgt.

Zwei weitere Dar­steller starben auf mys­te­riöse Weise wenige Jahre nach den Dreh­ar­beiten zur Pol­ter­geist-Film­reihe, die im Jahr 1988 mit dem dritten Teil Die dunkle Seite des Bösen endete.

Bis heute fehlen glaub­würdige Beweise

Auch wenn Spielberg viel­leicht vieles über­zogen haben mag, auch im wirk­lichen Leben hin­ter­lassen Pol­ter­geister eine Menge Chaos: Möbel fliegen umher, Stimmen keifen aus dem Nichts, um Men­schen in Angst und Schrecken zu versetzen.

Wis­sen­schaftler, Psy­cho­logen und die Kirche stehen der Erklärung des Phä­nomens als über­na­tür­liches Geschehen durch die Para­psy­cho­logie eher ablehnend gegenüber, weil ihrer Meinung nach für die Existenz von Pol­ter­geistern jeder wis­sen­schaftlich glaub­würdige Beweis fehlt.

Para­wis­sen­schafler defi­nieren das Phä­nomen so: Die Geister selbst sind für den Beob­achter unsichtbar, wahr­nehmbar sind nur deren Akti­vi­täten, die quasi durch unsichtbare Hand geschehen.

Im Unter­schied zu anderen klas­si­schen Spuk- und Geis­ter­er­schei­nungen nimmt der Pol­ter­geist während seiner Tätigkeit kei­nerlei Gestalt an und kann nicht gefilmt werden. Das Fazit lautet also: Pol­ter­geister sind unsichtbar, aber, wie der Name schon verrät, und laut, während Spuk­ge­spenster sichtbar, aber völlig lautlos sind.

Die Geister, die ich rief und die nicht mehr gingen, mag zwar albern klingen, doch von soweit her­geholt ist der Satz gar nicht. Para­forscher behaupten nämlich, dass vor allem Spuk­geister orts­ge­bunden und von kon­ti­nu­ier­licher Dauer sind, oft sogar über Jahr­hun­derte oder Jahr­tau­sende hinweg.

Das Ungreifbare und nicht Beweisbare übt seit Jahr­hun­derten einen ganz beson­deren Reiz aus. Mani­pu­lation und Betrug sind wie im Fall „Chopper“ oft die erste Ver­mutung. Das weiß auch Diplom­psy­chologe Eberhard Bauer vom Frei­burger Institut für Grenz­ge­biete der Psy­cho­logie und Psy­cho­hy­giene (IGPP). Bauer beschäftigt sich seit 1972 mit para­nor­malen Erschei­nungen aller Art und meint:

„Das ist, wenn man die Dynamik dieser Vor­gänge kennt, nicht son­derlich über­ra­schend. Spuk hat ja immer einen Appel­cha­rakter, ist eine Art see­li­scher „SOS Ruf“ mit viel­leicht unge­wöhn­lichen Mitteln. Wichtig ist das Ver­ständnis der zugrun­de­lie­genden Moti­vation, ein­schließlich einer mög­lichen Inszenierung.“

Bauer hegt keinen Zweifel daran, dass fast jeder, der schon einmal Bekannt­schaft mit Spuk, ganz gleich welcher Art, gemacht hat und davon zutiefst ver­stört wurde. Wichtig aber ist hierbei zu ver­stehen, dass jeder Fall indi­vi­duell ist.

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Der Rosen­heimer Spukfall

Ein wei­terer Auf­sehen erre­gender Fall ereignete sich im Jahr 1967 in einer Anwalts­kanzlei im ober­baye­ri­schen  Rosenheim. Mediale Bekanntheit erlangte dieser Vorfall als „Rosenheim-Spukfall“.

Was ist pas­siert? Plötzlich spielte in der Kanzlei die Tele­fon­leitung ver­rückt, Leucht­stoff­röhren platzten und Knall­ef­fekte erschreckten Mit­ar­beiter und Man­danten zutiefst. Inter­essant ist, dass der Spuk immer dann auftrat, wenn die neun­zehn­jährige Schreib­kraft Anne­marie Schaberl anwesend war.

Als Schaberl schließlich die Kanzlei wech­selte, trat das Phä­nomen auch bei ihrem neuen Arbeit­geber auf. An ihrem alten Arbeits­platz in Rosenheim kehrte hin­gegen Ruhe ein. Im Rahmen einer psy­cho­lo­gi­schen Unter­su­chung wurde fest­ge­stellt, dass Schaberl instabil und reizbar war.

Die Experten ver­mu­teten, dass Scha­berls Wut sich in Form einer spon­tanen Psy­cho­kinese ent­laden hat. Die Doku­men­tation dieses Falls umfasst im IGPP rund zwei­tausend Seiten. Für Bauer ist der Rosenheim Spukfall in den Annalen des Instituts ein außer­or­dentlich gut doku­men­tierter Fall spon­taner Psychokinese.

In der frühen Neuzeit war eine Welt ohne Geister sogar undenkbar. Anders als heute war zu dieser Zeit aus Sicht der Kirche der Geis­ter­glaube sogar christ­liche Pflicht, weil die Heim­su­chung durch Geister als ein Zeichen Gottes galt, um Sünder wieder auf gött­liche Pfade zu bringen.

In unzäh­ligen Gerichts­akten wird berichtet, wie die Geister Möbel umher warfen und ihre Opfer kör­perlich pei­nigten. Erst mit Beginn der Neuzeit hat sich die Ein­stellung zu Geistern geändert, berichtet die Schweizer His­to­ri­kerin Eveline Szarka in einem Gespräch mit dem Schweizer Tages­an­zeiger:

„In der For­schung wird leider noch immer fälsch­li­cher­weise ange­nommen, dass der Geis­ter­glaube mit der Auf­klärung ein abruptes Ende fand. Juris­tisch ver­loren sie im Laufe des 18. Jahr­hun­derts sicherlich ihre Bedeutung, ebenso ihre reli­giöse Funktion als Gottes Strafe. Man hatte nun ver­mehrt Angst davor, öffentlich zu diesem Glauben zu stehen. Ich würde aber pro­vo­kativ sagen, dass Geister nie auf­gehört haben, Teil unseres Welt­bildes  zu sein. Das, was sich ändert, ist unsere Beziehung zu ihnen.“

Berichte über Pol­ter­geister ziehen sich wie ein roter Faden durch alle Epochen unserer Geschichte. Schon der römische Konsul Plinius der Jüngere (um 100 n. Chr.) berichtete von einem Geis­terhaus in Grie­chenland, das seine Auf­merk­samkeit erregte.

Der Trommler von Tidworth

Der erste gut doku­men­tierte Pol­ter­geist-Fall wurde in der bri­ti­schen Graf­schaft Wiltshire 1661 nie­der­ge­schrieben. Ein wan­dernder Trommler namens William Drury wurde ver­haftet, weil er unter fal­schem Vorwand von Beamten Geld gefordert hatte. Nach der Beweis­auf­nahme wurde Drury von dem hohen Richter namens John Mom­pesson bis zur Ver­handlung in Gewahrsam genommen. Die Trommel nahm Mom­pesson mit zu sich nach Hause.

Als der Richter von einer Dienst­reise aus London zurück­kehrte, fand er Frau und Kinder völlig ver­ängstigt vor. Über mehrere Nächte geschahen in dem Haus unheim­liche Dinge. Unsichtbare Hände hatten Möbel ver­rückt, an die Türen geschlagen und an die Fenster geklopft.

Mom­pesson glaubte zunächst, dass es Land­streicher waren, die ver­sucht hatten, in das Haus ein­zu­brechen. In den dar­auf­fol­genden Nächten wurde die Lage für die Mom­pessons immer bedroh­licher. Dumpfe Schläge und Trom­mel­ge­räusche hallten durch die Räume, wieder flogen Möbel durch die Gegend und Per­sonen begannen zu levi­tieren, – selbst die Haus­an­ge­stellte fühlte sich ihres Lebens nicht mehr sicher, heißt es in den Berichten.

Schon bald viel der Ver­dacht auf Drury den Trommler, der soll, wie er selbst zuge­geben hat, einen Fluch auf den Richter aus­ge­sprochen zu haben. Erst als Drury 1662 wegen Hexerei vor Gericht gestellt wurden, nahm der Spuk ein Ende. Die Trommel hatte Mom­pesson unter­dessen aus lauter Ver­zweiflung zerstört.

Sogar König Karl II erfuhr von dem Vorfall und ent­sandte den könig­lichen Archi­tekten Chris­topher Wren und den Hof­kaplan Joseph Glanvill nach Tid­worth. Während Wren dem Phä­nomen skep­tisch gegen­über­stand, soll Glanvill selbst schon einmal Zeuge von Pol­ter­geis­t­er­schei­nungen gewesen sein.

Ab 1858 kam es im Zuge der Spi­ri­tismus-Bewegung sogar zu einem Pol­ter­geist-Mas­senwahn, aller­dings soll es sich bei rund 99 Prozent aller Fälle um Betrug gehandelt haben.

Dennoch ist das Phä­nomen bis heut das geblieben, was es schon immer war: unerklärlich.

Wenn Sie mehr zum Film Pol­ter­geist erfahren möchten, lesen Sie dazu auch das neue Buch von Nikolas Pravda Hol­lywood Code 2.


Quelle: pravda-tv.com