Ex-Grund­schul­di­rektor vor Gericht: 23 Jahre mas­sen­hafter Kin­des­miss­brauch blieb unentdeckt!

Er wirkt jugendlich und sportlich und lächelt strahlend, während er ein Geschenk in die Kamera hält, was sein Chor ihm gemacht hat. Der 47-Jährige war Grund­schul­leiter in Ost­hessen, im Raum Hersfeld-Rotenburg. Er soll laut Gene­ral­staats­an­walt­schaft Frankfurt in 99 Fällen Kinder miss­braucht haben. Die Sache wurde vor fast genau einem Jahr ruchbar, und der Mann wurde vom Dienst sus­pen­diert und in Unter­su­chungshaft genommen. Der Prozess soll am 8. Februar am Land­ge­richt Fulda beginnen.

Das Land­ge­richt Fulda teilte der Presse mit, dass es in diesem Fall nicht nur um unstatt­hafte Beläs­ti­gungen geht, sondern um mehr­fachen schweren sexu­ellen Miss­brauch von Kindern. Der Tat­zeitraum ist schier unglaublich: Von 1998 bis 2021 soll er 64 Mal Kinder miss­braucht haben und in 35 Fällen Jugend­liche. Außerdem soll er Kin­der­pornos besessen und im Internet ver­breitet haben.

Dadurch flog der Kin­der­schänder auch erst auf. Ame­ri­ka­nische Ermittler vom „National Center for Missing and Exploited Children“ (Natio­nales Zentrum für ver­misste und aus­ge­beutete Kinder) fanden seine Kin­der­pornos im Netz und gaben ihren deut­schen Kol­legen einen ent­spre­chenden Hinweis. Der Tat­ver­dächtige ist nach hr-Infor­ma­tionen ein ehe­ma­liger Rektor von Grund­schulen in den Kreisen Werra-Meißner und Hersfeld-Rotenburg. Er leitete auch mehrere Kinder- und Jugend­chöre. Im Sommer 2021 ging er aus gesund­heit­lichen Gründen vor­zeitig in den Ruhe­stand, teilte das zuständige Schulamt der Polizei mit, als die Ermitt­lungen gegen den ehe­ma­ligen Lehrer begannen.

Dar­aufhin durch­suchten Kri­mi­nal­beamte der hes­si­schen Polizei  und des ZIT (Zen­tral­stelle zur Bekämpfung der Inter­net­kri­mi­na­lität) die Wohnung des Lehrers und fanden die ent­spre­chenden Daten­träger. Bei der Durch­su­chung und dem Fund der Beweis­mittel wurde der Mann ver­haftet. Der Beschul­digte befindet sich auf­grund eines Haft­be­fehls des Amts­ge­richts Bad Hersfeld seit Januar 2022 in Untersuchungshaft.

Der Vorwurf gegen den heute 47-Jäh­rigen lautet darauf, „in der Zeit von Januar 1998 bis Dezember 2021 unter anderem an meh­reren Orten im Land­kreis Hersfeld-Rotenburg 64 Miss­brauchstaten zum Nachteil von Kindern, 35 solcher zum Nachteil von Jugend­lichen begangen zu haben“.

Der sexuelle Miss­brauch von Kindern (174 StGB) ist ein Ver­brechen, auf das eine Frei­heits­strafe von min­destens einem Jahr bis zu 15 Jahren steht. Besonders erschwerend wirkt beim Strafmaß, wenn der Täter einen „Miss­brauch eines Schutz­be­foh­lenen“ begangen hat. Damit sind fol­gende Per­sonen ein­ge­schlossen: Eltern, Stief­eltern, Lebens­partner der Eltern, sowie Lehrer, Heim­erzieher, Ver­tre­tungs­lehrer und „ähn­liche Posi­tionen, die eine über­ge­ordnete Schutz­funktion“ gegenüber dem Kind inne­haben. Also wird der Herr Schul­di­rektor sicherlich einem län­geren Auf­enthalt im Café Viereck entgegensehen.

Überdies werden ihm 15 Taten im Zusam­menhang mit dem Besitz ein­schlä­giger, por­no­gra­phi­scher Inhalte (Foto- und Videomaterial) zur Last gelegt, die Kinder oder Jugend­liche beim Miss­brauch zeigen. Der Vorwurf der Ver­breitung von Kin­der­por­no­graphie (§184 StGB) ist ein eigener Tat­be­stand, der noch dazu kommt. Das könnte durchaus ins­gesamt mit 15 Jahren Frei­heits­entzug geahndet werden.

Dieses Gesetz wurde erst am 01. Juli 2021 mit dem Gesetz zur Bekämpfung sexua­li­sierter Gewalt gegen Kinder dras­tisch ver­schärft: Es wird heute als Ver­brechen geahndet, wogegen es zuvor nur ein Ver­gehen war (§12 StGB). Ver­gehen sind rechts­widrige Taten, die mit einer Geld­strafe abge­golten werden können oder mit einer relativ nied­rigen Frei­heits­strafe. Ver­brechen sind mit einem Min­destmaß von einem Jahr Frei­heits­strafe bewehrt und können nicht mit einer Geld­strafe abge­golten werden.

Die hohen Strafen für alles, was mit Kin­der­por­no­graphie (§184 StGB) zu tun hat, zielt dabei auf die Bestrafung der mit­tel­baren Form des sexu­ellen Miss­brauchs. Das, was an der Kin­der­por­no­graphie so besonders straf­würdig ist, das ist die „dau­er­hafte Vik­ti­mi­sierung der Opfer“. Denn durch die Ver­breitung sind die Opfer regel­recht stig­ma­ti­siert. Sie wissen, dass diese Bilder ihrer Ernied­rigung, ihrer Qual und ihres Miss­brauchs in mög­li­cher­weise großer Zahl in die Hände von Men­schen geraten sind, die sich daran ergötzen. Sie geraten auch dadurch in Gefahr, dass diese Bilder und Videos dazu führen, dass die pädo­philen Zuschauer genau dieses Kind eben­falls miss­brauchen wollen und dafür viel Geld bezahlen.

Es handelt sich auch ganz offen­sichtlich nicht um roman­tisch weich­ge­zeichnete Soft­por­no­bildchen sehr junger Nym­phchen, wie die des Foto­grafen Hamilton. Hier wird ganz klar von schwerem sexu­ellen Miss­brauch gesprochen, also im Prinzip Ver­ge­wal­ti­gungen, die die Kinder über sich ergehen lassen mussten. An der Schule in Rotenburg, wo der Kin­der­schänder sein Unwesen getrieben hatte, sind nun Schul­psy­cho­logen im Einsatz.

Worüber die meisten Medien nicht schreiben, ist der Horror der Eltern. Der Schock sitzt tief, und obwohl bekannt ist, dass miss­brauchte Kinder so gut wie nie davon berichten, werden sie sich selbst die größten Vor­würfe machen, dass sie es nicht selbst bemerkt haben, dass sie ihr Kind „im Stich gelassen“ haben, als es sie am meisten brauchte. Das ist immer wieder so, wie auch bei den 23 Kindern auf dem Cam­ping­platz Lüdge. Die Kinder reden nicht. Haupt­sächlich aus Angst. Wenn sie wissen, der böse Mann sitzt im Gefängnis und es kann ihnen nichts mehr pas­sieren – und es gibt Lei­dens­ge­nossen – dann reden sie auf einmal.

Die Eltern werden sich als Ver­sager fühlen und mit­schuld an dem Miss­brauch. Sicher gab es Auf­fäl­lig­keiten im Ver­halten der Kinder. Aber dann denkt man schnell, ach, es ist viel­leicht nur eine Ent­wick­lungs­phase und befragt den jewei­ligen Lehrer, der genauso wenig auf diese Ursache für Ängst­lichkeit, Depres­sionen, Intro­ver­tiertheit, Ver­schlos­senheit und Aggres­si­vität kommt. Das Kind ent­wi­ckelt oft auch Schlaf­stö­rungen, will viel­leicht wieder ins Elternbett und klammert sich an. Andere Kinder lassen sich plötzlich nicht mehr anfassen, wollen nicht mehr kuscheln oder wollen sich abends nicht mehr aus­ziehen. Auch plötz­liches Abstürzen der Schul­leis­tungen sind ein Warn­signal, genauso wie seltsam plötz­liches Stre­bertum und selbst­ge­machter Leis­tungs­druck ohne ersicht­lichen Grund.

Eltern, die eine dau­er­hafte Per­sön­lich­keits­ver­än­derung (also nicht nur eine momentane Laune von ein, zwei Tagen) an ihrem Kind beob­achten und keinen nach­voll­zieh­baren Grund dafür kennen, sollten Hilfe suchen.

Ansprech­partner finden sie beim Opfer-Telefon des WEISSEN RINGS e.V.: 116 006 (täglich 7 bis 22 Uhr, kostenlos),

Nummer gegen Kummer: 0800 111 0 333 (montags bis samstags 14 bis 20 Uhr, kostenlos)

Jugend­liche können selbst im Internet unter  www.save-me-online.de oder www.juuuport.de nach Hilfe suchen.