Bild: Wikimedia Commons, Pjotr Mahhonin, Bildlizenz: CC BY-SA 4.0

Pipe­line­sa­botage: Traute man der Ukraine nicht zu?

Ohne die Betei­ligung der USA unwahr­scheinlich, aber … — So eine Sprengung erfordert keine großen Mari­ne­schiffe — Auch „Sport­taucher“ erreichen inzwi­schen 100 m Tiefe 

(von Albrecht Künstle)

In meinem Artikel vom Sep­tember 2022 hielt ich die Sprengung der Nord-Stream-Pipe­lines für wahr­scheinlich, als andere noch von einem „Unfall“ sprachen. Auch hielt ich den Anschlag durch ange­heuerte Wrack­taucher aus Litauen für wahr­scheinlich, weil „sich die USA die Finger nicht schmutzig machen“ wollte. Hier mein dama­liger Artikel. Inzwi­schen spricht vieles dafür, dass es doch die USA waren, die zuvor viele Schiffe im Rahmen der NATO-Groß­übung in der Ostsee ope­rieren ließen. Und je mehr Schiffe irgendwo unterwegs sind, desto eher kann sich eines von ihnen anderen Dingen widmen, als sie dem eigent­lichen Manöver entsprechen.

Wobei das Spektrum der „Übung“ alle Optionen öffnete:Zu den Übungs­sze­narien gehören unter anderem amphi­bische Ope­ra­tionen, Schieß­übungen, U‑Boot-Abwehr, Luft­ver­tei­digung, Minen­räumen und Kampf­mit­tel­be­sei­tigung. Bei BALTOPS 2022 werden auch robustere medi­zi­nische Ein­satz­sze­narien trai­niert, ins­be­sondere das Bergen von Per­sonen an Bord eines U‑Boots.“

Nun wurde ins Spiel gebracht, die Spuren des Anschlags wiesen in die Ukraine. Es solle sich um eine Ope­ration mittels eines Segel­schiffes mit sechs Mann und Spreng­stoff an Bord gehandelt haben. Selbst­ver­ständlich ist bei einer solchen Meldung Vor­sicht geboten, schließlich wurde sie von öffentlich-recht­lichen Medien ins Spiel gebracht – welche Selenskyj unein­ge­schränkt hoch­halten und der Ukraine so etwas nicht zutrauen oder zuschreiben möchten. Wirklich nicht? Ukrainer, die im Krieg an Land erstaun­liche Kampf­kraft zeigen, sollen keine solche Kom­petenz im Meer haben? Die Ukraine ver­fügte immerhin über fast 1.000 km Schwarzmeerküste!

Was für das eine oder andere Indiz der neuen Variante spricht: Vorab das Interview eines Tauch­laien mit einem Mann namens Alex, der sich nicht zu erkennen gibt und nur von hinten zu sehen ist. Für ein Segel­schiff spricht, dass es nicht so auf­fällig ist wie ein Spe­zi­al­schiff. Gegen ein solches spricht, dass es ist nicht wendig genug ist, auch wenn es wie die meisten Segel­schiffe mit Motor unterwegs ist. Auch dümpeln Segel­schiffe, wenn sie nicht unter Wind fahren, für eine solche Ope­ration eigentlich unge­eignet sind, aber viel­leicht gerade deshalb ein­ge­setzt werden, weil sie unver­dächtig erscheinen.

Zum Einwand im Interview, ein Segel­schiff habe keinen Kran, keinen Sau­er­stoff und keine Druck­kammer und wenig Per­sonal an Bord gehabt: Ein 15m-Segel­schiff hat nor­ma­ler­weise am Heck ein Beiboot an Bord, das mit einem Aus­leger ins Wasser gelassen wird. Mit diesem lässt sich aber auch anderes ins Wasser hieven. Sau­er­stoff ist bei jeder Tauch­aus­fahrt an Bord, der aber nicht für das Tauchen selbst ver­wendet wird, sondern nach Dekom­pres­si­ons­un­fällen als erste Hilfe an Bord ver­ab­reicht wird. Druck­kammern sind nicht an Bord von Tauch­schiffen, sondern befinden sich in grö­ßeren Küs­ten­städten. Taucher mit Deko-Unfällen werden mit dem her­bei­ge­ru­fenen Hub­schrauber knapp über dem Wasser in die Druck­kammer geflogen, wo sie in den Druck der Tauch­tiefe hin­un­ter­kom­pri­miert werden, um den Dekom­pres­si­ons­prozess nach­zu­holen. Ich kenne so eine Druck­ammer von innen – ohne einen Tauch­unfall gehabt zu haben.

Die im Interview dis­ku­tierten Schwie­rig­keiten eines solchen Tauch­ma­növers treffen zu, sind aber bei Marine-Tau­chern die­selben wie für uns Sport­taucher. Auch letztere tauchen nicht mehr nur mit Press­luft­fla­schen (max. 60 m Tiefe), sondern mit Nitrox, Kreis­lauf­ge­räten, Repreather (m/eCCR) mit denen unter Ver­wendung von Trimix (Drei­fach­mischgas unter Her­ab­setzung des Sau­er­stoff­an­teils) bis 100 m tief getaucht werden kann, z.B. beim Betauchen tief lie­gender Wracks. Ich kenne eine Handvoll Taucher, die das mit diesen Geräten in meinem hei­mat­lichen Bag­gersee (45 m tief) üben. Dass nur wenige auf der Welt solches beherr­schen ist Quatsch.

Das Schwie­rigste in der dunklen Ost­see­brühe war wohl das Auf­finden der Pipeline. Ich war in der Ostsee auf nur 30 m Tiefe und sah kaum noch die Hand vor der Maske. Erleichtert wird das Auf­finden aber durch GPS-Ortung, beim Wrack­tauchen Standard. Noch leichter zu orten ist eine lini­en­förmige Pipeline, weil kein bestimmter Punkt gesprengt werden musste. Als DLRG-Ret­tungs­taucher mussten wir ohne GPS für die Bergung Punkte finden, nicht nur eine Linie. Das Depo­nieren des Spreng­stoffes stellte sicher auch kein beson­deres Problem dar, selbst wenn er nicht wie eine Haft­miene an die Pipeline gehängt werden konnte. Der Beton­mantel zur Ver­hin­derung des Auf­triebs erfor­derte nur ein paar Kilo Spreng­stoff mehr. Und die Strömung in der Ostsee ist ver­nach­läs­sigbar; sie kann beim BSH abge­rufen werden und betrug im Spät­sommer 2022 um die 5 m/min, das ist nix.

Was aber stimmt: Man braucht sicher einen ganzen Tag für so einen Ter­ror­an­schlag, wie es der Inter­viewte zu bedenken gab. Aber soll das ein Problem sein? Ich bleibe dabei, der Anschlag auf unsere Gas­ver­sorgung erfolgte wohl im Auftrag der USA, braucht aber nicht von einem Mari­ne­schiff aus durch­ge­führt worden zu sein. Das könnte auch z.B. der litaui­scher Wrack­tauchclub, den ich in Süd­frank­reich ken­nen­lernte, mit logis­ti­scher Unter­stützung der Ukraine und begleitet vom CIA. Der Focus/Wirtschaftskurier stellt fünf mög­liche Ter­ror­staaten vor, auch Deutschland. Das ist natürlich Quatsch, dachte ich, denn …

Habeck hätte dem nur zuge­stimmt, wenn der Anschlag kli­ma­neutral hätte durch­ge­führt werden können – sollte man meinen. Doch wurde ich eines Bes­seren belehrt: Die Euro­pa­ab­ge­ordnete Viola von Cramon-Taubadel bedankte sich auf dem Par­teitag der Grünen im Oktober 2022 explizit bei Habeck, dass er Nord­Stream endlich den Garaus gemacht habe. Das ist kein Fake, hier das Phönix-Video vom Tag 2 des Par­tei­tages, ca. ab Minute 35:30. (das dritte unten auf­rufen). Nun wissen wir, was Habeck in Nor­wegen und anderswo zu tun hatte.

Der Anschlag richtete sich gegen die deutsche Gas­ver­sorgung und würde so etwas wie Hoch­verrat bedeuten. Nicht in jedem Land überlebt man einen solchen. Sind wir froh, dass die Pipeline nicht direkt dem rus­si­schen Staat gehört sondern einem Kon­sortium. Denn der nach­weis­liche Angriff durch ein Land auf die staat­liche Infra­struktur eines anderen Landes wäre laut dem rus­si­schen Außen­mi­nister Lawrow ein Kriegs­grund – wäre der Anschlag nicht schon Teil des „Krieges den wir gegen Russland führen“ (Baerbock).

Es ist gut möglich, dass der Urheber der Sabotage zu Leb­zeiten nicht ermittelt wird, weil die USA das zu ver­hindern weiß. Auch weil Biden öffentlich ankündigt hat, dass die Sabotage der Gas­ver­sorgung Deutschland mittels Nord­Stream erfolgen wird.

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