Symbolbild. Foto Kretschmann: Wikimedia Commons, Cosimamz, CC BY-SA4.0, Hintergrund: pixabay

Grüner Kret­schmann und die Flücht­lings­un­ter­künfte – dik­ta­to­rische Töne aus dem BW-Ministerium

Der Flücht­lings­strom reißt nicht ab und schon länger ist das „Ret­tungs­schiff Deutschland“ bis über die Masten übervoll, es gibt keine Unter­brin­gungs­mög­lich­keiten mehr. Überall regt sich auch unter den einst Wohl­mei­nenden und Hilfs­wil­ligen der Wider­stand. Und den will Baden-Würt­tem­bergs Minis­ter­prä­sident Kret­schmann jetzt brechen. Er will den Gemeinden per Ordere de Mufti einfach Flücht­lings­un­ter­künfte auf­zwingen! 

Schon 2015 machte der Mann mit dem grimmen Gesicht Dro­hungen, als nicht alle Kom­munen so begeistert von den Kul­tur­be­rei­cherern waren, die ihnen da unge­fragt Turn­hallen besetzten und Wohnraum weg­nahmen – und dabei nicht nur aus dank­baren, höf­lichen und Schutz suchenden Mit­men­schen bestanden.

„In Tamm bei Lud­wigsburg gehen sie zu Hun­derten auf die Straße, in Pforzheim stellt sich der Gemein­derat auch nach Monaten quer und in Ell­wangen läuft die Zeit für das Land ab: In Baden-Würt­temberg gibt es zunehmend Wider­stand gegen den Bau von Flücht­lings­un­ter­künften auf den Gebieten der Städte und Gemeinden. Aber dem Land sind die Hände gebunden. Es muss die Men­schen auf­nehmen und ver­teilen. Deshalb will die grün-schwarze Koalition den Druck auf die Kom­munen not­falls erhöhen.“

Der Pforz­heimer Gemein­derat will keine Erst­auf­nah­me­ein­richtung (EA) für Geflüchtete in der Stadt. In der seit Monaten andau­ernden Dis­kussion um ent­spre­chende Pläne des Landes votierte das Gremium am Diens­tag­abend mit deut­licher Mehrheit gegen eine EA.

Eine andere wider­ständige Kommune ist Ell­wangen. Der Gemein­derat weigert sich beharrlich, die soge­nannte Lan­des­erst­auf­nah­me­ein­richtung (LEA) noch weiter zu betreiben – und zwar mit großer Mehrheit. Auch ein Besuch des Minis­te­ri­al­di­ri­genten des baden-würt­tem­ber­gi­schen Jus­tiz­mi­nis­te­riums, Herr Stefan Lehr, konnte die Gemein­deräte nicht überzeugen.

„Wir erwarten, dass sich das Land Baden-Würt­temberg an die getrof­fenen Ver­ein­ba­rungen hält. Darauf, meine ich, hat die Stadt Ell­wangen einen Anspruch”, sagte der CDU-Frak­ti­ons­vor­sit­zende Armin Burger am 30. November 2022. Das plan­mäßige Ende der LEA war 2015 für das Jah­resende ver­einbart worden. Natürlich waren die Grünen und die SPD dafür, dem Wunsch der Lan­des­re­gierung nach unbe­grenzter Wei­ter­führung der LEA Ell­wangen zu ent­sprechen. Schon damals machte Minis­ter­prä­sident Kret­schmann Druck auf die Gemeinde. 

Aus­gelegt ist die Unter­kunft auf rund 1.000 Geflüchtete. Derzeit sind dort rund 1.100 Men­schen unter­ge­bracht. In diesem Jahr sind bereits mehr als 140.000 Men­schen aus der Ukraine nach Baden-Würt­temberg geflüchtet. Weitere 27.000 Men­schen stellten einen Asyl­antrag oder wurden aus huma­ni­tären Gründen auf­ge­nommen.“ 

Weil so langsam keine Gemeinde mehr die bis­weilen gefähr­lichen Pro­bleme mit den Flücht­lingen haben will und die Lokal­po­li­tiker sich nicht dem Zorn ihrer Wähler aus­setzen wollen, wird es eng mit den Unter­künften. Bür­ger­pro­teste lassen nichts Gutes für die nächsten Wahlen erwarten. Und nun macht Herr Minis­ter­prä­sident den Koffer mit den Fol­ter­in­stru­menten auf. So schreibt die BILD:

Immer mehr Gemeinden wehren sich gegen den Bau neuer Flücht­lings-Unter­künfte. Minis­ter­prä­sident Win­fried Kret­schmann (74, Grüne) droht Städten wie Tamm, Pforzheim und Ell­wangen nun mit Kon­se­quenzen. Als letzte Mög­lichkeit müssten Ein­rich­tungen auch gegen den Willen der Städte ent­stehen können, kün­digten Kret­schmann und das Jus­tiz­mi­nis­terium an. „Wir müssen die Flücht­linge unter­bringen. Das ist eine Pflicht­aufgabe“, hatte Kret­schmann zuletzt betont. Der Zustrom werde nicht abreißen, „davon bin ich per­sönlich über­zeugt“. Und letztlich müsse jede Ein­richtung auf einem Gemein­de­gebiet stehen. „Wir haben keine gemein­de­freien Gebiete mehr in Baden-Württemberg.“

Man denke im Minis­terium bereits „konkret“ darüber nach, wie sich die Lan­des­re­gierung gegen die Kom­munen durch­setzen könne, ließ Herr Minis­ter­prä­sident Kret­schmann ver­lauten: „Ein mög­liches Instrument wäre neben der soge­nannten Legal­planung, mit der Standorte auf­wendig per Gesetz bestimmt werden, auch das Bau­recht des Bundes. Es regelt Son­der­re­ge­lungen für Flüchtlingsunterkünfte.“

Diese „Legal­planung“ ent­springt aus dem „Gesetz zur Vor­be­reitung der Schaffung von Bau­recht durch Maß­nah­men­gesetz im Ver­kehrs­be­reich“, kurz: das Maß­nah­men­vor­be­rei­tungs­gesetz – MgvG, das am 22 März 2020 im Bun­des­ge­setz­blatt ver­öf­fent­licht wurde.

Dabei ging es noch um den Ausbau des Ver­kehrs, von Bun­des­straßen und Eisen­bahn­linien, um zu ver­hindern, dass Kom­munen sich sperren und den Ausbau des Straßen- und Schie­nen­netzes zum Still­stand bringen können. Das war nach der Wie­der­ver­ei­nigung und der Ver­bindung der Ver­kehrswege zwi­schen den „alten“ und „neuen“ Bun­des­ländern ein Problem.

Ins­be­sondere klagten Umwelt­ver­bände damals gegen die Trassen, die durch Natur­schutz­ge­biete führen sollten oder durch schüt­zens­werte Feucht­wiesen oder andere Biotope. Das neue Gesetz machte die Klagen der Umwelt­schutz­ver­bände unmöglich. Die einzige Mög­lichkeit dagegen wäre eine Ver­fas­sungs­be­schwerde, was aber auch nicht zieht, weil die Ver­bände keine kon­krete, indi­vi­duelle Betrof­fenheit geltend machen können.

Die zwangs­weise erbauten oder fort­ge­führten Flücht­lings­un­ter­künfte könnten sich auf eine Son­der­re­gelung des Bau­recht des Bundes für Flücht­lings­un­ter­künfte stützen. Doch der deutsche Städ­tetag warnt davor, sich dieser Son­der­re­gelung für Flücht­lings­un­ter­künfte allzu dik­ta­to­risch zu bedienen. Die kom­munale Pla­nungs­hoheit ist nämlich ver­fas­sungs­rechtlich abge­si­chert und kann eben nicht einfach aus­ge­hebelt werden, wie im Falle von Ver­kehrs­wegen, die für ein Funk­tio­nieren der Wirt­schaft und der Infra­struktur all­gemein unver­zichtbar sind. Außerdem müsste dieses Son­der­recht von der Bun­des­re­gierung und nicht von der Lan­des­re­gierung aus­geübt werden – und das steht noch sehr infrage.

Überdies werden durch eine zwangs­weise Wei­ter­führung oder Neu­bauten von Flücht­lings­un­ter­künften auch sehr wohl indi­vi­duelle Rechte ver­letzt und hier klagt auch nicht irgendein selbst­er­nannter Verband, sondern es sind demo­kra­tische Ent­schei­dungen von gewählten Ver­tretern der Bür­ger­schaft, die hier den Willen des Volkes umsetzen. Es wirft ein sehr bedenk­liches Licht auf den Minis­ter­prä­si­denten Kret­schmann, die Axt an die Grund­pfeiler eines demo­kra­ti­schen Rechts­staates legen zu wollen.

Es ist einmal wieder die AfD, die die Dinge beim Namen nennt. Der Vor­sit­zende der AfD-Fraktion im baden-würt­tem­ber­gi­schen Landtag, Anton Baron, warf Minis­ter­prä­sident Kret­schmann vor, demo­kra­tische Ent­schei­dungswege mit recht­lichen Instru­menten außer Kraft setzen zu wollen, und for­derte den Minis­ter­prä­si­denten auf, das Votum der Gemein­deräte gegen die Ein­rich­tungen zu respektieren.

„Der Vor­sit­zende der FDP-Fraktion im Landtag von Baden-Würt­temberg, Hans-Ulrich Rülke, kri­ti­sierte den von der Lan­des­re­gierung ein­ge­schla­genen Kurs als ‚Holz­ham­mer­me­thode‘. Anstatt sich konkret mit den vor­ge­brachten Gründen zu beschäf­tigen, reagiere der Minis­ter­prä­sident unwirsch und starr­sinnig. ‚So befördert er genau die Ablehnung vor Ort, statt ver­ant­wortlich den Dialog zu suchen‘.“