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Der Geo­po­li­tische Wandel und das resul­tie­rende Ende der Dollar-Vorherrschaft

von Patrick Barron

Seit dem Bretton-Woods-Abkommen von 1944 ist der Dollar die bevor­zugte Reser­ve­währung der Welt, das heißt, die großen Han­dels­na­tionen der Welt waren bereit, Dollar in großen Mengen zu halten, um ihren Bedarf an einem weltweit akzep­tierten Zah­lungs­mittel zu decken. Selbst als die USA 1971 ihr fei­er­liches Ver­sprechen gebrochen hatten, ihre Dollar zu einem Preis von 35 Dollar pro Unze in Gold ein­zu­lösen, waren die Nationen wei­terhin bereit, Dollar zu halten.

Deutschland meidet die geld­po­li­tische Führungsrolle

Mitte 2010 war ich sicher, dass Deutschland den Euro auf­geben und die D‑Mark wieder ein­führen würde. Es war klar, ins­be­sondere für einige deutsche Zen­tral­banker, dass Deutschland von der Euro­päi­schen Zen­tralbank (EZB) über­vor­teilt wurde. Der deutsche TARGET2-Über­schuss ent­sprach einem gewal­tigen Über­schuss an deut­schen Exporten an andere EU-Mit­glieder, die nahezu wertlose Staats- und Unter­neh­mens­an­leihen im Tausch gegen neu gedruckte Euros von der EZB ver­pfän­deten. Diese Anleihen würden niemals gegen irgend­etwas von echtem Wert ein­gelöst werden; daher war es in Deutsch­lands ratio­nalem Eigen­in­teresse, aus diesem Spiel aus­zu­steigen. Ich habe vor­aus­gesagt, dass eine solche Aktion zum Zusam­men­bruch der Eurozone führen würde, die Deutsche Mark (DM) zur bevor­zugten Han­dels­einheit in Europa würde und dies mög­li­cher­weise die welt­weite Vor­herr­schaft des Dollars als Reser­ve­währung gefährden würde. Offen­sichtlich ist dies nie geschehen. Und warum?

Deutschland wusste und fürchtete, dass in der ganzen Welt die Alarm­glocken läuten würden, Deutschland sei wieder auf dem Vor­marsch und würde Europa domi­nieren. Vor allem die Fran­zosen würden aus min­destens zwei Gründen in Panik geraten. Erstens würde der Zusam­men­bruch des Euro Frank­reich dazu zwingen, eine klare Ent­scheidung zu treffen. Ent­weder die DM ein­führen, wie ich es von den meisten nord­eu­ro­päi­schen Ländern erwartet habe, oder ver­suchen, zum fran­zö­si­schen Franc zurück­zu­kehren, wohl wissend, dass kaum eine andere Nation bereit wäre, Francs zu halten. Frank­reich wäre vom inter­na­tio­nalen Handel abge­schnitten, wenn es nicht sein unhalt­bares Wohl­fahrts­system refor­mieren würde. Doch jedes Mal, wenn Frank­reich in der Ver­gan­genheit ver­sucht hat, auch nur ein Minimum an Wohl­fahrts­re­formen ein­zu­führen, kam es zu Auf­ständen der Bevöl­kerung. Zweitens pro­fi­tiert Frank­reich in hohem Maße von internen EU-Trans­fer­zah­lungen, vor allem von Agrar­sub­ven­tionen. Die fran­zö­si­schen Land­wirte wären gezwungen, sich zu refor­mieren oder in Konkurs zu gehen, was das Ende eines bequemen Lebens­stils bedeuten würde, der ein Synonym für Frank­reich selbst zu sein schien. Die scho­nungslose Rea­lität war, dass Frank­reich über Atom­waffen ver­fügte und Deutschland nicht. Es war undenkbar, dass Deutschland oder Japan, zusammen mit Italien die Ver­lier­er­mächte des Zweiten Welt­kriegs, jemals Atom­waffen bekommen würden. Die unab­hängige Kon­trolle über ein eigenes Atom­waf­fen­ar­senal war der Min­dest­einsatz im Spiel um die Reser­ve­währung. Sodann gehörte das Spiel nur noch den Nationen mit großen Volks­wirt­schaften, die eine Vielzahl von Export­gütern und Dienst­leis­tungen pro­du­zierten, die in der ganzen Welt gefragt waren. Damit blieb nur noch Amerika im Spiel.

Die große Frage ist, warum Deutschland, obwohl es auf Atom­waffen unter eigener Kon­trolle ver­zichtet hat, über­haupt dazu über­ge­gangen ist, die DM auf­zu­geben und den Euro ein­zu­führen. Darauf gibt es zwei Ant­worten. Erstens: Deutschland wollte die Wie­der­ver­ei­nigung von Ost- und West­deutschland. Die Fran­zosen, die rechtlich gesehen ein Veto­recht gegen einen solchen Schritt hatten, machten die Ein­führung des Euro zur Bedingung für die Wie­der­ver­ei­nigung. Aber warum konnte Deutschland dieses mitt­ler­weile irrele­vante Abkommen nicht einfach igno­rieren? Antwort Nummer zwei ist nur eine Theorie, die aber wahr­scheinlich in gewissem Maße, ob groß oder klein, auf alle großen euro­päi­schen Nationen zutrifft. Deutschland hatte während der beiden großen Kriege (Erster und Zweiter Welt­krieg) zwi­schen sechs und sieben Mil­lionen tote Sol­daten zu beklagen. Deutsch­lands beste und klügste Köpfe, seine zukünftige Führung, waren für alle Zeiten ver­loren. Es waren Kriege, in denen die Eliten aller Kriegs­par­teien kämpften. Eine solche Führung kann niemals ersetzt werden. Der Verlust der zukünf­tigen Füh­rungs­per­sön­lich­keiten traf die anderen großen euro­päi­schen Kriegs­par­teien ebenso hart. In den beiden Welt­kriegen hatten Russland / die UdSSR zwi­schen neun und dreizehn Mil­lionen tote Sol­daten zu beklagen. Frank­reich hatte anderthalb Mil­lionen Tote zu beklagen, die meisten davon im Großen Krieg von 1914. Das Ver­ei­nigte König­reich hatte etwas mehr als eine Million Tote zu beklagen (in dieser Zahl sind Indien, Kanada, Aus­tralien, Neu­seeland und Süd­afrika nicht ent­halten). Wie das ehe­malige Mit­glied des Euro­päi­schen Par­la­ments Godfrey Bloom feststellte:

Der Krieg 1914–18 tötete das Beste des bri­ti­schen Empires. Der Krieg 1939–45 tötete, was übrig­blieb. Dann tanzte der Wohl­fahrts­staat auf ihren Gräbern.

Das Ereignis, welches alles ver­ändert hat

Dann kam es zu einem großen geo­po­li­ti­schen Ereignis: Nach dem Tod von Mao Zedong kam Deng Xiaoping in China an die Macht. Deng führte weit­rei­chende kapi­ta­lis­tische Wirt­schafts­re­formen ein und China stieg zu einem Rivalen Ame­rikas in Bezug auf die Wirt­schafts­kraft auf. Unter Mao hatte China Atom­waffen erhalten. Obwohl China nach wie vor eine Ein-Par­teien-Dik­tatur ist, ver­fügte es nun über die beiden Vor­aus­set­zungen, um den US-Dollar her­aus­zu­fordern – eine große Wirt­schaft und Atom­waffen. China war nicht erpressbar. Wie China hatte auch Russland unter Jelzin und Putin das Schlimmste seiner sowje­ti­schen Wirt­schafts­po­litik abge­worfen, aber Russ­lands kleine Bevöl­kerung und seine relativ rück­ständige Wirt­schaft spielten nicht in der gleichen Liga wie Amerika und China. Nachdem die USA, die NATO und die Euro­päische Union den Versuch Russ­lands, sich wieder in das alte Euro­päische Konzert ein­zu­gliedern, abge­lehnt hatten (schließlich war Russland im Zweiten Welt­krieg ein groß­ar­tiger Ver­bün­deter gewesen und hatte allen Grund zu der Annahme, dass es nun, da es den Kom­mu­nismus abge­schüttelt hatte, wieder ein wich­tiger Teil Europas werden könnte), sah es seine Zukunft all­mählich in einer Allianz mit China.

Was hat all dies nun mit dem Ende der Dollar-Vor­herr­schaft zu tun? Die Antwort ist, dass das neue asia­tische Inter­es­sen­ge­flecht einen Weg sah, die Ver­wendung der Dollar-Vor­herr­schaft als poli­ti­sches Instrument durch die USA zu beenden. Die Achil­les­ferse des Dollars ist, dass er eine Fiat-Währung ist. Dies kommt dem poli­ti­schen Estab­lishment der USA sehr gelegen, da es den USA erlaubt, den Dollar nach Belieben zu infla­tio­nieren, um den Wohl­fahrts­staat und die Kriegs­führung zu finan­zieren. Es erlaubt den USA auch, Sank­tionen gegen ihre als solche erkannten Feinde wie Russland und den Iran zu ver­hängen, indem sie diese aus dem inter­na­tio­nalen Han­dels­nach­rich­ten­system SWIFT aus­schließen. Ähnlich erging es dem Brexit-Befür­worter Nigel Farage in Groß­bri­tannien. Aus rein poli­ti­schen Gründen schloss seine Bank seine Konten, und Farage war nicht in der Lage, eine andere Bank zu finden, die sein Geld akzep­tieren würde. Kein Bank­konto, keine Mög­lichkeit, in einer modernen Wirt­schaft zu exis­tieren. Farage befürchtete, dass er gezwungen sein könnte, sein eigenes Land zu ver­lassen. Die von den USA ver­hängten Russland-Sank­tionen froren rus­sische Ver­mö­gens­werte in Mil­li­ar­denhöhe ein. Doch anstatt Russland zum Ein­lenken in der Ukraine zu bewegen, scheinen sie den von Russland ein­ge­lei­teten Prozess zur Ent­wicklung einer neuen, bis zu einem gewissem Grade durch Gold gedeckten Welt­re­ser­ve­währung beschleunigt zu haben. Den “BRICS”-Nationen – Bra­silien, Russland, Indien, China und Süd­afrika – haben sich Dut­zende anderer Länder ange­schlossen, die sich von der Vor­herr­schaft des Fiat-Dollars lösen und ein red­liches, gold­ge­stütztes Han­dels­ab­wick­lungs­system ver­wenden wollen. Diese neue BRICS+-Gruppe behauptet, dass sie bei ihrem Treffen in Johan­nesburg Ende August einen ersten Schritt zur Ver­folgung dieses Ziels ankün­digen wird.

Die USA werden gezwungen sein, sich mit Gold anzu­freunden … oder sie werden isoliert

Es gibt viele, die diese Ent­wicklung ablehnen. Schließlich haben die USA und der US-Dollar seit achtzig Jahren weltweit die Oberhand. Diese Kri­tiker ver­stehen die wirk­liche Wirt­schaft, die wirk­liche Geld­theorie und die wirk­liche inter­na­tionale Staats­kunst nicht. Die USA sind von drei destruk­tiven Kon­zepten fas­zi­niert. Das erste ist die Öko­nomie von Lord Keynes, die das Say’sche Gesetz der Märkte igno­riert und dem keyne­sia­ni­schen Konzept der “Gesamt­nach­frage” einen gott­ähn­lichen Status ver­leiht, während die “Pro­duktion” – das einzige Mittel zu ihrer Befrie­digung – außer Acht gelassen wird. Die zweite ist die so genannte Moderne Geld­theorie, die davon ausgeht, dass sou­veräne Staaten niemals bank­rott­gehen können, weil sie in der Lage sind, so viel Geld zu drucken, wie sie brauchen. Und das dritte ist die seit dem Ende des Zweiten Welt­kriegs unver­hohlene Arroganz, mit der sie geruhen, kom­plette Staats­ge­bilde zu zer­stören. All dies wird ein Ende haben, wenn Gold dank dem Wäh­rungs­re­form­projekt der BRICS wieder in den Mit­tel­punkt rückt. Dann werden die USA beginnen, Freunde zu ver­lieren, bis auch sie wider­willig zur Besinnung kommen und zu Gold und ehr­lichem Handel und red­licher, respekt­voller Staats­kunst zurück­kehren. Amerika wird für diese Aufgabe neue Füh­rungs­per­sön­lich­keiten brauchen. Sie sind da und warten darauf, von den Men­schen gerufen zu werden. Die USA und die Welt werden dadurch zu einem wesentlich bes­seren Ort werden.

 

Patrick Barron ist pri­vater Berater für die Finanz­in­dustrie. Er gab mehrere Jahre Ein­füh­rungs­kurse für die Öster­rei­chische Schule der Natio­nal­öko­nomie an der Uni­ver­sität von Iowa (USA). Er unter­richtete zudem über 25 Jahre an der Gra­du­ier­ten­schule der Uni­ver­sität Wis­consin (USA) und hielt mehrere Prä­sen­ta­tionen für das Euro­päische Par­lament. Kontakt: PatrickBarron@msn.com

Über­setzt von Florian Senne.

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Der Artikel erschien zuerst hier: misesde.org