Schein und Sein: Wie KI künst­liche Men­schen erfindet und echte über­flüssig macht (+Videos)

„Influencer“ sind effi­ziente Wer­be­träger. Über­setzt heißt das simpel „Ein­fluss­nehmer“. Es sind meist junge Leute, die quasi ihr öffent­liches Leben und alles, was sie tun auf ihrem Kanal auf TikTok, Youtube, Insta­gramm, Twitter(X) etc. im Netz ver­öf­fent­lichen – gern mit Fotos – und von jeweils Zig­tau­senden kon­su­miert, nach­geahmt, geliebt und kri­ti­siert werden. Sie ver­dienen gutes Geld damit, als Werbe-Ikone gesponsert zu werden. Da Men­schen aber irgendwie doch unkon­trol­lierbar sind, bergen sie auch Risiken. Dumme Ansagen oder böse Aus­rut­scher können dem Geld­geber den Absatz und die Bilanzen ver­hageln. Künst­liche Influencer, mit KI erstellt, sind per­fekter und besser zu lenken.

Wir erinnern uns an den Bauch­plat­scher von Bud­weiser Light, dessen neue Wer­be­ma­na­gerin einen tollen Coup zu landen glaubte, als sie als Wer­be­figur die Influen­cerin Dylan Mul­vaney enga­gierte. Die Transfrau ist in den USA ziemlich bekannt und ver­breitet tag­täglich im Netz alle Ein­zel­heiten ihres Lebens als Trans­gender, hat auch eine Menge „Fol­lower“, aber passte weder auf das Image noch auf den Kon­su­menten des Leicht­bieres Bud­weiser Light. Nun war der Flop eigentlich gar nicht Dylan Mul­vaney anzu­lasten, die machte einfach ihren Job. Es zeigt aber, dass der falsche Influencer oder ein instinkt­loser Fauxpas eines Influencers das Geschäft rui­nieren kann.

Dieses Risiko lässt sich eli­mi­nieren. Die Lösung heißt „künst­liche Intel­ligenz“. Fotos und Videos lassen sich damit perfekt erstellen, eine voll­kommen elek­tro­nisch erstellte, aber lebensecht wir­kende Person – nur perfekt in allem, wie sie aus­sieht, was sie tut, was sie sagt, ewig jung und wun­der­schön. Keine Fett­pöls­terchen, keine ver­balen Aus­fälle, keine uner­wünschte Meinung, garan­tiert zen­sur­sicher und auch noch in der Lage, mit den Fol­lowern zu kom­mu­ni­zieren. Und auch noch wahr­scheinlich auf lange Sicht preis­werter als die lau­ni­schen, bio­lo­gi­schen Orga­nismen der Men­schen, wo man nie sicher sein kann, ob denen der Ruhm nicht zu Kopfe steigt und sie anfangen, komisch zu werden.

Und deshalb gibt es Influencer*Innen, die phy­sisch gar nicht exis­tieren. Sie sind vir­tuelle Pro­gramme, manche (fai­rer­weise) offen­sicht­liche und lustige „Trickfilm“-Figuren, mit Namen wie „Nobody Sausage“ (Niemand Wurst), der nur die Men­schen zum Lachen bringen will. Natürlich Barbie, Minnie Mouse. Und die unver­meid­lichen Manga-Cha­raktere mit ihren rie­sigen Augen, über­bor­denden bunten Haaren und anorek­ti­schen Stöck­chen­körpern und ewiglangen, dünnen Beinchen. Wie Hatsune Miku, die Musi­kerin ist und auch schon als Play­Station Cha­rakter reus­siert. Sie hat auch einen Youtube-Kanal und gibt Kon­zerte in vollen (mit echten Men­schen besetzten) Hallen:

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Sogar einen Wiki­pedia-Eintrag hat sie bereits, was den aller­meisten Sterb­lichen ver­wehrt ist.

Es gibt aber auch täu­schend echte Prot­ago­nisten. So ist Miquela Sousa (auch Lil Miquela) eine „digital erzeugte Per­sön­lichkeit“ mit eigenem Instagram-Profil. Sie hat drei Mil­lionen Abon­nenten auf diesem Kanal und ver­öf­fent­licht auch eigene Musik. Sie ist eine per­fekte Schönheit und dabei noch nicht einmal ein Barbie-Kli­schee. Sie prä­sen­tiert Mar­ken­kleidung, zeigt sich mit ihrer Clique und ver­breitet poli­ti­scher Bot­schaften – und zwar ziemlich linker Posi­tionen. Sie stellt sich aller­dings immer als „Robot“ vor:

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Sie spricht auch über Dating und Lie­bes­be­zie­hungen, Gefühle und weint „vor der Kamera“:

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Dann gibt es Shudu Gram, das schwarze Super­model. Cameron Wilson, ein 29-jäh­riger Fotograf aus Süd­england, hat 2019 die Super­model-Agentur „The Dii­gitals“ für schöne Avatar-Models gegründet. Shudu ist sein erstes Super­model, elegant und schön und kann auf Instagram mehr als 158.000 Fol­lower begeistern. Um zu sehen, ob sein Model wirklich als echt durch­gehen kann, ließ er die Nutzer anfangs im Unklaren – und siehe, man konnte die Afri­ka­nische Schönheit nicht von lebenden Models unter­scheiden. Dann schickte ein kali­for­ni­sches Mode­label Wilson ein echtes T‑Shirt, und bat, dass Shudu es auf ihrem nächsten Posting tragen sollte. Cameron Wilson baute das T‑Shirt am Rechner nach und Shudu konnte es vir­tuell anziehen. Nach dem „Auf­tritt“ schenkte er dem Mode­her­steller reinen Wein ein. Der fand es groß­artig und wirbt nun damit – mit Erfolg.

Shudu posiert mitt­ler­weile für das berühmte Pariser Modehaus „Balmain“. Und sie hat zwei neue Bit-Schön­heiten als Kol­le­ginnen: Margot und Zhi.

Gerade auf dem Mode­markt ent­wi­ckeln sich täu­schend echte Digital-Models zur ernst­haften Kon­kurrenz für ihre mensch­lichen Vor­bilder. Sie haben per­fekte Körper, per­fekte Gesichter, altern nicht, sind nicht zickig, sorgen nicht für Skandale, werden nicht krank, lassen sich nicht mit schwie­rigen Partnern ein, ent­wi­ckeln keine Mager­sucht oder Bulimie, nehmen keine Drogen und bekommen keine Gewichtsprobleme.

Kurz: Sie sind schöner und unkom­pli­zierter als ihre humanen Kol­le­ginnen. Sogar auf den Lauf­stegen der Mode­schauen treten sie schon auf, als Drei-D-Pro­jektion. Eine Sparte, in der Men­schen durch KI ersetzt werden?

Allein dieser – anscheinend relativ unwichtige Berufs­zweig – hätte weit­rei­chende Folgen. Es wird noch mehr Mädchen geben, die diesen Vor­bildern nach­eifern würden, das zeichnet sich ja jetzt schon in den Kom­mu­ni­ka­tionen zwi­schen den Fol­lowern und den Ava­taren ab. Mager­sucht, Anorexie, Bulimie, Fehl­ernährung, die nach einiger Zeit ihren Nie­der­schlag in gesund­heit­lichen Pro­blemen mündet sowie eine über­mäßige Kon­zen­tration auf das äußere Erschei­nungsbild würden im Leben der jungen Leute überhand nehmen. Ent­spre­chende Avatare gibt es bereits auch für Männer. Wer diesen Anfor­de­rungen nicht ent­spricht, wird es schwer haben.

Die Presse wird weniger Stoff für die Klatsch­seiten finden. Wer­be­träger sollen mög­lichst keine Skandale ver­ur­sachen und Avatare „befolgen“ diese Vorgabe genauso perfekt wie sie aus­sehen. Vorbei die auf­ge­regten Mel­dungen der Aus­raster der jugend­lichen Zicken bei „Germany’s Next Top-Model“, keine Romanzen- und Schei­dungs­ge­schichten, der Heidi Klums, Claudia Schiffers und Skan­dal­nudeln, wie die Kar­da­shians (die übrigens künst­licher wirken, als die Avatare) und Kat­zen­bergers. Keine roman­ti­schen Geschichten über Neu­ent­de­ckungen von Models und Schau­spielern mehr, denn auch die würden als nächste Bastion fallen. Hohe Gagen für bekannte Schau­spieler und teure Pro­duk­tionen werden wahr­scheinlich in Zukunft sel­tener. Ein mas­siver Auf­la­gen­schwund bei der Regen­bo­gen­presse könnte die Folge sein.

Viel­leicht prä­sen­tieren uns WEF, WHO Und UNO ja auch noch Avatare als Poli­tiker und Füh­rungs­fi­guren. Es wäre nur logisch. Gut­aus­sehend, jede Äußerung perfekt geplant und insze­niert. Da können Schreiber, wie Thomas Klauß auf der Com­pu­ter­woche ver­si­chern, dass „all­ge­meine Intel­ligenz nicht simu­lierbar“ sei. Und Bewusstsein schon gar nicht. Viel­leicht. Aber die Dinge ent­wi­ckeln sich, und es gibt einen Unter­schied zwi­schen Ava­taren und tat­säch­lichen „Robots“, die autonom handeln können.

Egal, wie schlau Robots sind. Avatare lassen sich, wenn sie perfekt gemacht sind, im Bereich der Inter­aktion mit dem Men­schen ein­setzen, aber die KI ist hier lediglich Werkzeug und von Men­schen und deren Inter­essen gesteuert. Damit kann man Men­schen­massen lenken, wenn sie diesen Avatar akzep­tieren. Ent­weder, weil sie ihn für einen Men­schen halten, oder ihn – auch als Avatar — als Vorbild sehen.

Man stelle sich vor, Jesus, Buddha oder Mohammed würden als Avatare mit per­fekter Mimik und Per­sön­lichkeit aus­ge­stattet, mit ihren Lehren über­zeugend auf­treten. Das hätte durch­schla­genden Erfolg, obwohl die Rezi­pi­enten zum über­wie­genden Teil wüssten, dass es kein echtes Wesen ist. Oder sind sie das irgendwie viel­leicht doch?