Will die FED das inter­na­tionale Finanz­system retten? So mag es viel­leicht aussehen

Der Zusam­men­bruch des Schweizer Bank­kon­zerns Credit Suisse war lange absehbar. Wenn man sich die Finanz­be­richte der Firma der letzten Jahre durch­schaut, sieht man gleich, dass es ein klas­si­scher Bank Run war. Von 2021 bis 2022 ging der Bestand liquider Mittel von Credit Suisse über 50 Prozent zurück, am stärksten im Oktober 2022, von 229,9 Mil­li­arden auf 118,5 Mil­li­arden Schweizer Franken, weil die Anleger ihr Geld abge­hoben haben. Obwohl der Sturz der Credit Suisse gleich­zeitig mit dem Kollaps der Silicon Valley Bank stattfand, hatte er damit nicht direkt zu tun. Vielmehr steht der Fall Credit Suisse in Zusam­menhang mit dem Schrumpfen des inter­na­tio­nalen Geldsystems.

(von Kris­toffer Mousten Hansen)

Schrump­fende Fed

Die Fed hat seit langem eine defla­tionäre Politik betrieben, wie ich letztes Jahr zeigte. Das mag über­ra­schend sein, da die offi­zi­ellen Infla­ti­ons­zahlen noch hoch sind und die Beamten der Fed immer noch behaupten (zumindest bis vor kurzem), dass ihr ent­schlos­senes Ziel die Bekämpfung der gegen­wär­tigen Inflation sei. Wenn wir uns jedoch dem Geld­an­gebot zuwenden und dessen Ände­rungen nach­gehen, dann sehen wir, dass eine ansehn­liche Deflation statt­ge­funden hat, ins­be­sondere in dem Teil des Geld­an­gebots, den die Fed unmit­telbar kon­trol­liert. Die Geld­menge M2 hat in den USA seit April 2022 abge­nommen. Bis Februar 2023 ist die US M2-Geld­menge um 900 Mil­li­arden Dollar geschrumpft (siehe Abbildung 1), aber die wirk­liche Deflation ist beträchtlich größer.

Abbildung 1: US M2-Geld­menge, Januar 2023 – März 2023

 

Die Bilanz der Fed zeigt diese ein­deutig, wenn wir die „umge­kehrten Rück­kauf­ver­ein­ba­rungen“ oder „Reverse Repos“ ana­ly­sieren (in dem umge­kehrten Rück­kauf­ge­schäft ver­kauft die Fed eine Anlage und ver­spricht, diese am nächsten Tag zu einem höheren Preis zurück­zu­kaufen, der vom Repo-Satz bestimmt ist). Die Aus­wirkung des Anhäufens von „Reverse Repos“ ist, dass die Fed Bank­re­serven sozu­sagen ste­ri­li­siert. Die Banken und andere Finanz-Insti­tu­tionen kaufen Repos von der Fed, weil sie hierbei eine Rendite ohne Risiken in Höhe von 4,8 Prozent pro Jahr erhalten. Deshalb gibt es nunmehr weniger Reserven in dem dol­lar­ba­sierten Finanz-System, weil die Repos keine Reserven dar­stellen. Die umge­kehrten Rück­kauf­ver­ein­ba­rungen haben teil­weise die neu­ge­schaf­fenen Reserven der Corona-Inflation abge­saugt. Wir müssen uns aber genauer anschauen, welche finan­zi­ellen Insti­tu­tionen Zugang zu dem umge­kehrten Rück­kauf­ge­schäft der Fed haben.

Nicht alle Banken haben Zugang. Die „Primary Dealers“ (die US-Staats­an­leihen kaufen und ver­kaufen) haben Zugang. Hinzu kommen aber nur die für Rück­kauf­ge­schäfte aner­kannten Gegen­par­teien der New York Federal Reserve Bank. Liest man die Liste, hat man eine Who’s‑who-Übersicht von Wall Street und inter­na­tio­nalen Inves­ti­ti­ons­banken: Unter anderen findet man dort alte Namen wie J. P. Morgan und Goldman Sachs, neuere wie BlackRock und Van­guard und große nicht-ame­ri­ka­nische Banken wie Credit Suisse und UBS. Der inter­na­tionale Aspekt ist für unsere Analyse besonders inter­essant. Ins­be­sondere in den Märkten, wo inter­na­tionale Banken Geschäfte tätigen, ist das Angebot von US-Dollar kleiner geworden durch die Deflation der Fed – das betrifft vor allem das Eurodollarsystem.

Die Fed und Eurodollar

Euro­dollar sind einfach Dol­lar­ein­lagen außerhalb der Ver­ei­nigten Staaten und außerhalb der Reich­weite der ame­ri­ka­ni­schen Behörden und deren Vor­schriften. Die Rolle der Euro­dollar im inter­na­tio­nalen finan­zi­ellen System hat seit den 60er Jahren stetig zuge­nommen. Das Euro­dol­lar­system ist aber nicht vom ame­ri­ka­ni­schen Ban­ken­system völlig abge­schnitten – es ist vor allem nicht ohne Beziehung zu der ame­ri­ka­ni­schen Zen­tralbank. Wie alle modernen Banken ope­rieren die Euro­dollar-Insti­tu­tionen nach dem Prinzip der Teil­re­serve-Deckung .

Wenn Reserven billig und reichlich vor­handen sind, expan­dieren die Euro­dol­lar­banken; und wenn Reserven teuer und knapp sind, schrumpfen die Emission von Umlauf­mitteln und der Zir­ku­la­ti­ons­kredit der Euro­dol­lar­banken. Die größte und letzt­endlich einzige Quelle der Dol­lar­re­serven ist die ame­ri­ka­nische Zen­tralbank. Ent­weder strömen neue Reserven direkt von der Fed durch inter­na­tionale Banken in das Euro­dol­lar­system oder die Fed stellt neue Reserven zur Ver­fügung für das ein­hei­mische Ban­ken­system und ame­ri­ka­nische Banken ver­geben dann größere Kredite an inter­na­tionale Dar­le­hens­nehmer. Damit haben Euro­dol­lar­banken durch das Wachstum des umge­kehrten Rück­kauf­ge­schäfts der Fed eine große Reser­ve­knappheit erlebt, obwohl die ein­hei­mi­schen Aus­wir­kungen dieses Wachstums bisher nur gering waren.

Abbildung 2: US-Dollar – Euro Wech­selkurs (Spot­preis), Januar 2021 – Januar 2023

 

 

Wir haben leider kein genaues Wissen von der Anzahl der Euro­dollars. Die sehr schnelle Stei­gerung des Dol­lar­wertes in 2021 und 2022 lässt uns aber mitt­ler­weile ver­muten, dass es eine ansehn­liche Deflation des Euro­dol­lar­an­ge­botes gab (Abbildung 2). Diese Deflation und die Ent­wicklung des umge­kehrten Rück­kauf­ge­schäfts der Fed stimmen gut überein: Der Dollar stieg stetig im Wert auf fast 96 US-Cent pro Euro im späten Sep­tember 2022 und hat danach deutlich an Wert ver­loren, während ein Höhe­punkt von Reverse Repos in Höhe von 2,4 Bil­lionen Dollar am Freitag, dem 30. Sep­tember 2022 erreicht wurde, wonach die Menge der Reverse Repos wesentlich gesunken ist (Abbildung 3 – aber beachten Sie die sai­son­be­dingten Schwan­kungen). Die defla­tionäre Politik der Fed fand des­wegen tat­sächlich ihr Ende im Oktober 2022. Danach hatte das viele Reden der Fed-Behörde über höhere Zinsen und Ver­knappung keine Beziehung zur Wirk­lichkeit im inter­na­tio­nalen Dollarmarkt.

Abbildung 3: Über­nacht Fed Reverse Repos, Januar 2021 – Januar 2023

 

Zurück nach Bern

Es ist bemer­kenswert, dass die Fed ihre Politik änderte, genau als Credit Suisse im Oktober 2022 in Liqui­di­täts­pro­bleme geriet. Dieser Poli­tik­wechsel wurde aber nicht not­wen­di­ger­weise aus­schließlich von der Fed vor­an­ge­trieben. Kre­dit­ver­knappung alleine würde die Zins­sätze nach oben treiben und dies würde es attrak­tiver machen, von Repos bei der Fed zu expan­siver Vergabe von Zir­ku­la­ti­ons­kredit an Private zu wechseln. Wenn der Kredit knapper würde für Credit Suisse, wären die Schweizer Ban­kiers bereit, sogar sehr hohe Zinsen zahlen, um den Geld­ab­fluss zu finan­zieren und die Illi­qui­dität und den Konkurs zu ver­hindern. Dies könnte jedoch nur eine kurz­zeitige Ver­än­derung des Liqui­di­täts­flusses bedeuten, bis die Fed ver­standen hätte, dass ihr Repo-Zinssatz zu niedrig war. Der dau­er­hafte Wechsel zu einer lockeren Geld­po­litik im Oktober 2022 war damit Resultat einer bewussten Ent­scheidung der Zen­tralbank, dessen Ziel die Unter­stützung des Euro­dollar-Marktes war (und ist).

Man kann darüber spe­ku­lieren, warum die Fed erst eine Deflation des Euro­dollar-Systems ver­ur­sachte, um danach zu ver­suchen, ihre Ent­scheidung rück­gängig zu machen, als die erste Bank (in der Tat die Credit Suisse) vor dem Bankrott stand. Es besteht immer die Mög­lichkeit, dass die angeb­lichen Meister der Geld­po­litik völlig ahnungslos waren. Es ist aber nicht glaub­würdig, dass die „Can­til­lionäre“, also die Ban­kiers und Finan­ciers, die der Zen­tralbank nahe­stehen, deren Ver­mögen und Macht von dieser Nähe und von den Pri­vi­legien abhängen und die das Fiat-Geld­system unter­stützen, nicht ein­sahen, welche Kon­se­quenzen diese Änderung der Geld­po­litik haben würde.

Laut der Erläu­terung der Fed ist ein höherer Repo-Zinssatz (und die darauf fol­genden grö­ßeren umge­kehrten Rück­kauf­ver­ein­ba­rungen) eine schlechthin not­wendige Politik, wenn die Zen­tralbank die Zins­sätze auf Bank­re­serven erhöht, um damit eine ein­hei­mische Inflation des Geld­an­ge­botes zu ver­meiden. Die Fed ris­kierte, ihre Glaub­wür­digkeit völlig zu ver­lieren, wenn sie ange­sichts einer hohen Inflation und des Geld­über­hangs der Coro­na­po­litik nichts getan hätte. Jerome Powell, Vor­stand der Fed und seine zins­set­zenden Büro-Kol­legen haben viel­leicht gedacht, dass sie einfach keine Wahl hatten. Als aber ihre wich­tigste Kli­entel, die Can­til­lionäre, die Folgen der Deflation spürten und in Pro­bleme gerieten, kehrte die Zen­tralbank so schnell wie möglich um.

Zen­tralbank der Welt?

Nach dem Zusam­men­bruch der Credit Suisse, die von UBS über­nommen wurde, haben die Fed und die wich­tigsten Zen­tral­banken der Welt am 19. März ihre Liqui­di­tätsswap-Linien reak­ti­viert. Diese Liqui­di­tätsswap-Linien waren sehr wichtig, als die Zen­tral­banken das inter­na­tionale Finanz­system nach der Krise von 2008 „ret­teten.“ Heute werden sie wahr­scheinlich eine ähn­liche Rolle spielen: Die Zen­tral­banken der Welt werden Dollar von der Fed leihen gegen ihre eigenen Wäh­rungen als Sicherheit.

Lassen Sie uns zum Bei­spiel sagen, die Schwei­ze­rische Natio­nalbank (SNB) will die Schweizer Banken mit Dollar-Liqui­dität ver­sorgen. Durch ein „Liqui­di­tätsswap“ mit der Fed kauft die SNB Dollar von der Fed gegen ein Schweizer Franken-Depot, das bei der SNB liegt. Die SNB kann dann mit ihren neuen Dollar den Schweizer Banken Dollar-deno­mi­nierte Liqui­dität gewähren. Um das „Swap“ zu beenden, muss die SNB ihre Dollar wieder an die Fed ver­kaufen gegen die Schweizer Franken, die die Fed bei der SNB hält. Der Wech­selkurs zwi­schen Dollar und Franken ist während dieses Geschäftes sozu­sagen „ein­ge­froren“. Die SNB muss nur für das Dar­lehen Zinsen an die Fed zahlen. Der Swap ist jedoch auch ein infla­tio­näres Instrument: Geld wird neu geschaffen für solche Swaps – und das ist letzten Endes alles, was eine Notenbank machen kann.

Eine zweite, wichtige, neu-auf­ge­legte Infla­ti­ons­po­litik der Fed ist die „Foreign and Inter­na­tional Monetary Aut­ho­rities (FIMA) Repo Facility“. Durch diese Ein­richtung können Zen­tral­banken Dollar leihen gegen US-Staats­an­leihen als Sicherheit. Obwohl das Haupt­in­teresse der Presse die Liqui­ditäts-Swap-Linien sind, fand die wirk­liche Action bisher hier statt: Das Angebot von Repos an offi­zielle Insti­tu­tionen ist in kurzem von 0 auf 60 Mil­li­arden Dollar gestiegen (Mittwoch, 22. März 2023). Viel­leicht ist das nur eine momentane, begrenzte Liqui­di­täts­hilfe; wir werden bald sehen, wie viele Mil­li­arden die Fed in das globale Finanz­system pumpen will.

Das klingt viel­leicht alles, als ob die Fed nun aus purem Altru­ismus das ganze globale Finanz­system zu retten ver­sucht. So ist ihre aus­drück­liche Absicht tat­sächlich, aber sie ist alles andere als altru­is­tisch. Das Euro­dollar-System und das inter­na­tionale, zen­tralbank-gespon­serte Finanz­system im Ganzen sind zum Vorteil der Can­til­lionäre, weil diese dadurch eine pri­vi­le­gierte Position als „Ban­kiers der ganzen Welt“ ein­nehmen können. Die Fed hätte am meisten zu ver­lieren, wenn das Euro­dollar-System zusam­men­brechen würde. Irgendeine Währung könnte die globale Han­dels­währung sein, die globale Ver­wendung des Dollars und damit das von der Fed und den west­lichen Zen­tral­banken unter­stützte Euro­dollar-System sind nicht not­wendig. Diese sind jedoch für die USA sehr nützlich: Durch den Geld­schöp­fungs­gewinn bezie­hungs­weise die Seig­ni­orage, welche die globale Ver­wendung des Dollars bringt, können sie ihr per­ma­nentes Zah­lungs­bi­lanz­de­fizit finan­zieren. Die USA expor­tieren sozu­sagen Dollar und Schulden und kriegen dafür Waren und Dienst­leis­tungen, während Ame­ri­kaner günstig aus­län­dische Wirt­schafts­güter kaufen können. Barry Eichen­green hat geschätzt, dass die USA auf ihre inter­na­tio­nalen Schulden 2–3 Prozent weniger zahlen müssen, als sie durch ihre inter­na­tio­nalen Invest­ments einnehmen.

Das globale Finanz­system ist tat­sächlich dem alten Bretton-Woods-System sehr ähnlich. Das Bretton-Woods-System bewirkte eine große Ver­mö­gens­über­tragung von Europa nach Amerika, es bewirkte die Plün­derung Europas, wie Jacques Rueff es aus­drückte. Das moderne, dol­lar­ba­sierte Finanz­system ver­ur­sacht ähn­liche Vor­teile für die ame­ri­ka­nische Volks­wirt­schaft und für ame­ri­ka­nische Finan­ciers. Ame­ri­kaner können mehr kon­su­mieren und der ame­ri­ka­nische Staat kann mehr aus­geben, weil Aus­länder gezwungen oder ver­an­lasst sind, den Dollar zu ver­wenden. Die ame­ri­ka­nische Zen­tralbank handelt jetzt wie stets schlicht gemäß den Inter­essen ihrer eigenen Kund­schaft. Diese Inter­essen dik­tieren die Zen­tral­bank­po­litik. Die defla­tionäre Politik der Fed wurde wahr­scheinlich als not­wendig ange­sehen, um die Legi­ti­mität des Systems zu bewahren. Als die Deflation aber in große Pro­bleme mündete, wech­selte die Fed blitz­schnell zu einer infla­tio­nären Politik. Credit Suisse fiel trotz dieses Wechsels und wir sehen jetzt mehr und radi­kalere Inter­ven­tionen in das Finanz­system. Das alles zeigt die Grenzen der Macht der Zen­tral­banken. Zum Nachteil der Vielen kann die Zen­tralbank kleine Gruppen begüns­tigen. Inflation aber kann die Wirk­lichkeit nur kurz­fristig ver­zerren, sie kann nie einen per­ma­nenten Wohl­stand bewirken. Das Ergebnis ist immer eine wirt­schaft­liche Krise.

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Dieser Beitrag erschien am 28. März unter dem Titel “Is the Fed Trying to Bail Out the World? Sure Looks Like It” auf der Website des Mises Institute, Auburn, Alabama (USA).

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Dr. Kris­toffer Mousten Hansen ist wis­sen­schaft­licher Mit­ar­beiter am Institut für Wirt­schafts­po­litik der Uni­ver­sität Leipzig. Er ist außerdem Research Fellow des Mises Institute, Auburn, Alabama.


Quelle: misesde.org