Kli­ma­er­wärmung und Schnee­chaos – In Bayern fallen Züge und Stra­ßen­bahnen tagelang aus (+Videos)

In vielen Teilen Deutsch­lands stürzten die Tem­pe­ra­turen deutlich unter den Null­punkt, und es schneite heftig. Besonders am Samstag letzter Woche und ganz besonders in Bayern. Die Schnee­pisten freut’s, aber die Rei­senden nicht. Der Haupt­bahnhof München war eine stille Stätte. Nichts ging mehr. Und zwar tagelang. Zeit­weise war der Bahn­verkehr im Münchner Bahnhof kom­plett ein­ge­stellt. An den Bahn­steigen ratlose, gestresste und ent­nervte Fahr­gäste. „Alle Wetter – die Bahn!“ war einmal. Heute ist die Bahn ein Armuts­zeugnis. Und die Kli­ma­er­wärmung lässt sie auch noch im Stich. 

Geradezu episch: Die alten Züge, die man wieder aus den Schuppen holte, machten keine Mucken: Die alten Kolosse, noch deutsche Wert­arbeit, funk­tio­nierten tadellos und waren von Wind und Wetter unbeeindruckt.

Hier eine Video-Auf­nahme. Man hört die Freude und das Lachen der Leute beim Anblick der schönen, alten Loko­motive. Daneben steht ver­schneit ein Intercity-Zug. Die ganze, super­teure Technik für die Katz: Die schicken, hoch­mo­dernen ICEs stehen – unbrauchbar geworden – nur noch nutzlos herum. Aber die alte Dampflok fährt unbe­ein­druckt in den Bahnhof ein, nimmt die Fahr­gäste auf und unter Getöse und Rauch­wolken (Huuuhhh! CO2!!!) arbeitet sie sich vor­wärts zum nächsten Bahnhof:

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Innerhalb weniger Tage kommt dieses Video auf 102.731 Aufrufe … und jeder, der es sieht, lacht und freut sich über die treue, alte Dampflok (außer die Grünen natürlich).

„Die Bahn“ ist ein kaputt­ge­spartes Schön­wet­ter­un­ter­nehmen geworden

Warum ging denn nichts mehr? Woran lag es denn? Die Deutsche Bahn führt die extreme Wet­terlage an. Nun, Schnee, auch viel Schnee ist eigentlich keine „extreme Wet­terlage“ und eine Dekade relativ warmer Winter bedeutet eben nicht, das es auch für­derhin keine kalten Winter mit Schnee gibt. Aber, um das zu kon­ter­ka­rieren, erzählt die Bahn den Bürgern, dass dies kein nor­maler Win­ter­ein­bruch, sondern die größte Schnee­menge seit Beginn der Wet­ter­auf­zeich­nungen wäre. Huch? Echt jetzt? Sollte das wirklich so sein, dann kann das mit der Ver­steppung und dem viel zu heißen Klima ja irgendwie nicht stimmen …

Tut es auch nicht. Solange die Deutsche Bahn ein Staats­be­trieb war, gab es genug Per­sonal, Ersatzzüge, ein sauber gepflegtes Schie­nennetz, gut gewartete Züge. Und: pas­sendes Gerät für alle Fälle. Zum Bei­spiel schweres Räum­gerät. Dass die Bahn kaputt­ge­spart wird, seit sie ein pri­vates Unter­nehmen geworden ist, kann man schon als all­gemein bekannt bezeichnen.

Heino Seeger, ehe­ma­liger Geschäfts­führer der Baye­ri­schen Ober­landbahn und Eisen­bahn­be­triebs­leiter, also jemand vom Fach, weiß schon, woran es hapert: „Win­ter­be­trieb ist mit viel Hand­arbeit und Maschi­nen­einsatz ver­bunden. Es ist bil­liger, bei solchen Lagen nicht zu fahren als gegen den Schnee und die Wit­te­rungs­ver­hält­nisse anzu­kämpfen. Reserven kosten Geld. Deshalb wurden Reserven gestrichen: beim Per­sonal, bei den Zügen und beim Räum­gerät.“ Der Leiter des Fach­ge­biets Schie­nen­fahr­zeuge an der Tech­ni­schen Uni­ver­sität Berlin, Markus Hecht, sieht seine oft vor­ge­tra­genen War­nungen bestätigt: „Es musste so kommen“, meint er. Auch das Fehlen von Schnee­fang­zäunen, die die großen Schnee­häufen und Schnee­ver­we­hungen von den Gleisen fern­halten, hat dazu bei­getragen, dass die Züge keinen Meter vor­wärts kommen. Auch Erd­rutsche haben schon öfter nach schweren Regen­fällen und Hagel Gleise unbe­fahrbar gemacht.

Die „Bahn­reform“ – vom Vor­zeige-Ver­kehrs­mittel zur Cashcow für ein Unternehmen

Der Geld­mangel bei der Deut­schen Bahn – heute „Die Bahn“ hat seinen Ursprung in der 1993 beschlos­senen Bahn­reform. Der stets staatlich bezu­schusste Betrieb der Deut­schen Bahn funk­tio­nierte ursprünglich und zu Recht nach der Prä­misse, dass ein gut orga­ni­sierter Staat gute, zuver­lässige und erschwing­liche Ver­kehrs­netze zur Ver­fügung stellt – eine vom Staat für die Bürger zur Ver­fügung gestellte, tra­gende Säule der Mobi­lität. Die Eisenbahn war ein solider, tra­gender Pfeiler dabei. Nach 1993 bekam die Bahn nicht nur keine Zuschüsse mehr, die das Top-Niveau ermög­lichten, nein, sie sollte sogar Gewinn her­ein­fahren. Das ging nur mit Ein­spa­rungen, Stel­len­strei­chungen, erhöhter Feh­ler­an­fäl­ligkeit, Reserven-Mangel und schlech­terer Aus­stattung sowie schlam­pi­gerer Instand­haltung vor allem der Gleise. Alles zu Lasten der Qua­lität und der Zuverlässigkeit.

„Der Bun­des­vor­sit­zende vom Fahr­gast­verband Pro Bahn, Detlev Neuß, sagte der Zeitung, der Bahn­verkehr sei ‚nach jahr­zehn­te­langer Spar­po­litik nur noch auf Kante genäht‘. Eines der vielen Pro­bleme sei, dass die Bahn aus Kos­ten­gründen bis in die jüngste Ver­gan­genheit immer mehr Gleise als Abstell­mög­lich­keiten zurück­gebaut habe und nun ganze Züge direkt in den Bahn­höfen abge­stellt werden müssten, wenn sie ihr Ziel nicht mehr ansteuern könnten. Neuß erklärte: Durch die ver­stopften Bahnhöfe wird der Bahn­verkehr noch schneller blo­ckiert und kommt groß­flächig zum Erliegen.“

Schweiz und Öster­reich haben bessere Ausrüstung

Da sieht man eben den Unter­schied. Dort verfügt man über eine taug­liche und ein­satz­be­reite Win­ter­aus­rüstung für die Züge und einen her­vor­ra­genden Räum­dienst – und genug gutes, geschultes Per­sonal. Beide Länder sind mit hohen Bergen und teil­weise alpinen Wet­ter­be­din­gungen als Nor­ma­lität ver­traut. In Deutschland hat die DB Netz schon gar keine Loko­mo­tiven dafür, solche Räum­fahr­zeuge zu bewegen.

Heino Seeger von der baye­ri­schen Ober­landbahn weiß noch, wie man das früher gemacht hat:

„Wenn es so geschneit hat wie jetzt, hat uns das nicht geschreckt. Wir haben dann nachts Loko­mo­tiven mit Pflug­scharen, also Räum­schildern, fahren lassen, damit die Strecke nicht zuschneit. Damit sind die Strecken der Ober­landbahn auch bei viel Schnee befahrbar geblieben – aller­dings mit hohem Per­so­nal­aufwand. Der Wille muss halt da sein, fahren zu wollen.“

In München Stadt war der U- und S‑Bahnverkehr eben­falls vorerst zum Erliegen gekommen. Aber München hat noch die alten, robusten Trams in der Hin­terhand. Die sind knall­orange lackiert, haben so ein Räum­schild und sie können nicht nur bei Schnee­chaos fahren, sondern auch noch die Schienen frei­räumen. Und noch wei­teres, schweres Gerät wurde auf­ge­fahren sowie Schnee­räum­trupps von Männern mit genügend Mus­kel­kraft. So macht man das:

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Und hier noch was für das Herz der Dampflok-Lieb­haber. Thü­ringen hat noch fünf Win­ter­dampfloks im harten Einsatz:

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