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Freiheit. Der Abbau der Throne

Der Begriff Thron steht in diesem Artikel nicht für das (nur selten anzu­tref­fende) Möbel­stück, sondern für Herr­schaft und Regierung bezie­hungs­weise Men­schen mit poli­ti­scher Macht. Wenn hier nun vom ‚Kampf um den Thron‘ die Rede ist, werden die meisten Men­schen dies ver­mutlich auf den Wahl­kampf beziehen – ins­be­sondere, da der letzte noch nicht lange zurück­liegt. (von Rainer Fass­nacht)

Tat­sächlich dient die ‚poli­tische Wahl‘ der Legi­ti­mierung der Aus­übung von Macht. Während sich Mon­archen früher von Gottes Gnaden wähnten (oder dies zumindest so kom­mu­ni­zierten), sieht der heutige Macht­le­gi­ti­mie­rungs­prozess anders aus.

Aber unab­hängig vom Weg zur Erlangung von Macht ist ihre Wirkung iden­tisch. Ludwig von Mises (1881 – 1973), der wohl bedeu­tendste Öko­nomen und Sozi­al­phi­losoph des 20. Jahr­hun­derts, schrieb in seinem Buch „Die Letzt­be­gründung der Ökonomik“

Der Staat unter­wirft, kerkert ein und tötet. Die Men­schen sind geneigt, das zu ver­gessen, weil der geset­zes­treue Bürger sich der Ordnung der Obrigkeit klaglos unter­ordnet, um Bestrafung zu ver­meiden. (S. 139)

Hier wird deutlich, was den Thron im hier ver­wen­deten Sinne aus­macht. Wer auf dem Thron sitzt, gehört zu jenen Men­schen, die tun dürfen, was bei anderen Men­schen als ver­werflich ein­ge­schätzt würde – Zwang ausüben. Der Prozess zur Erlangung dieses ‚Aus­nah­me­rechts‘ gilt vielen Men­schen als unum­stöß­liche Gewissheit oder not­wen­diger Normalfall.

Dahinter steht oft die Über­zeugung, dass es ohne eine (anderen Men­schen) über­ge­ordnete Insti­tution nicht gehen würde. Fak­tisch ent­steht durch die Legi­ti­mierung in der jeweils üblichen Art aber keine ‚Insti­tution‘ – weil dies nur eine gedank­liche Fiktion ist.

Tat­sächlich ergibt sich durch die Legi­ti­mierung, dass eine Gruppe von fehl­baren und aus indi­vi­du­ellen sub­jek­tiven Motiven han­delnden Men­schen, von anderen Men­schen gleicher Natur Hand­lungen erzwingen können soll. Darin liegt ein Problem, dass Mises wie folgt formulierte:

Wenn die Men­schen voll­kommen wären, gäbe es für einen Staat keinen Bedarf. Mit unvoll­kom­menen Men­schen funk­tio­niert kein Staats­system zufrie­den­stellend. (S. 140)

Die Mäch­tigen sind keine ‚bes­seren Men­schen‘, auch ihre Ent­schei­dungen sind es nicht. Beim Blick in die Geschichte finden sich zahl­reiche Bei­spiele, die dies ein­drucksvoll bebildern. Und auch aktuelle poli­tische Ent­schei­dungen lassen an beson­derer ‚Weisheit‘ der Men­schen mit Macht zweifeln.

Wer danach ver­langt beherrscht zu werden, kann nicht anders. Im Augen­blick, wo dies pas­siert, kommt alles zusammen, was diesen kon­kreten han­delnden Men­schen aus­macht. Es nützt auch nichts, wenn wir als andere Men­schen zum gleichen Zeit­punkt eine abwei­chende Ent­scheidung treffen würden.

Keine zwei Men­schen sind gleich, auch Zwil­linge nicht. Dies wird schon allein dadurch deutlich, dass beide einen bestimmten sich nicht über­lap­penden Bereich im Raum ein­nehmen. Das hand­lungs­be­grün­dende ‚Puzzle‘ beinhaltet neben dem Gene­ti­schen und Gelernten unter anderem auch die ver­füg­baren Infor­ma­tionen und deren Bewertung sowie die indi­vi­du­ellen Ziele und Ein­schät­zungen zur Geeig­ne­theit ver­füg­barer Mittel.

Auch wis­sen­schaft­liche Beratung ändert nichts am Grund­problem, dass auch Men­schen mit Macht nur Men­schen sind. Aus einer wis­sen­schaft­lichen Ist-Beschreibung ergibt sich nicht ‚auto­ma­tisch‘ ein ‚Hand­lungssoll‘ – was schon die (poli­ti­schen) Dis­kus­sionen zu diversen Themen zeigen.

Ein Wis­sen­schaftler, der behaupten würde, dass seine Erkennt­nisse nur (s)eine Hand­lungs­option zulassen, agiert in diesem Moment poli­tisch. Bewer­tungen können so viel­fältig sein, wie es Men­schen gibt. Eigenes Werten vor­zu­ziehen, heißt eigenes Wollen zum Sollen für andere zu machen. Dahinter liegt ein grö­ßen­wahn­sin­niges Selbstbild, die (unbe­wusste) Annahme ein gott­gleiches Wesen zu sein –  oder zumindest die Über­zeugung, dass die Bewertung anderer Men­schen weniger wichtig wäre.

Niemand kann die Ziele aller anderen Men­schen kennen. Aus­gehend von der Gleichheit der Men­schen kann kein Mensch ohne logi­schen Wider­spruch behaupten, nur seine eigenen Ziele wären relevant oder er würde jene aller anderen mitdenken.

Wenn wir akzep­tieren, dass es Freiheit nur geben kann, wenn es keine ‚Über­men­schen‘ und keine ‚Unter­men­schen‘ gibt, wenn also die Mög­lichkeit, Zwang aus­zuüben, genommen bezie­hungs­weise nicht mehr legi­ti­miert wird, bleibt die Frage, welcher Prozess die Koor­di­nierung über­nehmen soll. Mises hat die Antwort formuliert:

Der Inbe­griff der Kol­lek­ti­vierung oder Sozia­li­sierung ist die Markt­wirt­schaft, und das grund­le­gende Prinzip des Kol­lek­tiv­han­delns ist der gegen­seitige Aus­tausch von Diensten, das do ut des [ich gebe, damit du gibst]. Der Ein­zelne gibt und dient, um von seinen Mit­men­schen mit Gaben und Diensten belohnt zu werden. (S. 149)

Zwei­felsfrei war der Schritt vom gött­lichen Mon­archen zum gewählten Macht­haber richtig und wichtig – ins­be­sondere, weil damit die Mög­lichkeit geschaffen wurde, die Men­schen auf dem Thron (bei Nicht­ge­fallen der Ergeb­nisse) abzu­wählen. Diese Mög­lichkeit besteht jedoch nur bedingt.

Die Grenzen dieser Abwahl­mög­lichkeit wurden bei­spiels­weise durch die zurück­lie­gende Wahl deutlich. Obwohl über die Hälfte gegen eine Fort­führung der rot-grünen Politik stimmten, wird diese auch in der neuen Koalition fort­ge­setzt, teil­weise sogar inten­si­viert. Der Spruch „Würden Wahlen etwas ändern, dann wären sie ver­boten“, ist nicht grundlos entstanden.

Anders aus­ge­drückt: Wer Freiheit und Frieden will, könnte zur Erkenntnis kommen, dass der wahre Kampf um den Thron nicht darin besteht, ihn – mit welchen Methoden auch immer – zu besetzen, sondern ihn abzuschaffen.

Ist die Freiheit das Ziel, geht es nicht um die wech­selnde Besetzung des Throns, weil dies nichts daran ändert, dass einige Men­schen legi­ti­miert sein sollen, anderen Men­schen Hand­lungen auf­zu­zwingen. Der Übergang vom Herr­scher von Gottes Gnaden zum Reprä­sen­tanten, der durch eine Abstimmung gewählt wird, war ein erster Schritt auf dem Weg zur Freiheit. Ein echter Sieg der Freiheit setzt einen wei­teren Schritt voraus, den Abbau des Throns – den Ver­zicht auf die Legi­ti­mierung von Zwang.

Hinweis: Die Inhalte der Bei­träge geben nicht not­wen­di­ger­weise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.

Der Artikel erschien zuerst bei misesde.org.