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Deutschland eine Gesin­nungs­dik­tatur: Lieber Suhrkamp-Verlag …

Lieber Suhrkamp-Verlag,

wenn noch jemand Zweifel haben konnte, dass Deutschland in eine Gesin­nungs­dik­tatur ver­wandelt wird, dann haben Sie mit Ihren Tweet, mit dem Sie sich von Ihrem Erfolgs­autor Uwe Tellkamp distan­ziert haben, einen unwi­der­leg­baren Beweis geliefert, dass der Mei­nungs­kor­ridor in unserer Gesell­schaft sys­te­ma­tisch immer mehr verengt wird.
Die Ver­an­staltung in Dresden hätte der Beginn einer Rückkehr zu einer Dis­kus­si­ons­kultur sein können. Sowohl die Kul­tur­bür­ger­meis­terin von Dresden Anne­katrin Klepsch (Linke), die Chef­re­por­terin der Säch­si­schen Zeitung Karin Großmann, als auch Ihr Autor Durs Grünbein plä­dierten am Anfang der Dis­kussion für die Mei­nungs­freiheit. Klepsch warb für eine „neue Kultur des Mit­ein­ander“, man „solle mit­ein­ander, nicht über­ein­ander reden“. Großmann pries die Mei­nungs­freiheit und Grünbein unternahm einen beein­dru­ckenden phi­lo­so­phi­schen Exkurs, ange­fangen von den grie­chi­schen Phylen bis zu Hannah Arendt, die daran erin­nerte, dass der Sinn der Politik die Erhaltung der Freiheit sei. Grünbein ergänzte, dass Freiheit sei, sich an den Pro­zessen der Gesell­schaft zu betei­ligen, nicht nur sym­bo­lisch, sondern als Pflicht. Er verwies auf Art. 19 der UNO-Men­schen­rechts­kon­vention, betonte, dass Demo­kratie nur mit stän­diger Selbst­kritik bestehen könne, fügte aber zum Schluß hinzu, dass die offene Gesell­schaft viele Feinde habe.
Er konnte nicht ahnen, wie sehr sich diese Feinde daran machten, die Dis­kussion anschließend zu tor­pe­dieren. Ein „Dres­dener Recher­cheteam“ stellte umgehend einen Mit­schnitt von Uwe Tell­kamps Aus­sagen ins Netz, die beweisen sollten, dass der Autor „Pegida und AfD-Posi­tionen“ ver­tritt. Ergänzt wurde das von einem Statement des Ver­legers Götz Kubit­schek, der Tellkamp angeblich „sekun­diert“ haben soll.
Ist dieses Video der Grund für Ihren Tweet gewesen?
Ich habe es auf meiner Facebook-Seite geteilt, weil ich alle Aus­sagen von Tellkamp unter­schreiben kann und jeder, der es ohne ideo­lo­gische Scheu­klappen sieht, bemerkt, dass Tellkamp nur Tat­sachen beschreibt.
Wovon distan­zieren Sie sich? Von der Tat­sache, dass die über­wie­gende Zahl der „Flücht­linge“ keinen Asyl­grund hat? Nur 0,3% der Ein­wan­derer von 2016 hat einen Asyl­status bekommen. Oder von der Tat­sache, dass den über eine Million junger Männer im Alter von 16 bis 36 Jahren nur knapp 10 Million Ein­hei­mische dieser Alters­ko­horte gegen­über­stehen? Soll man Ihrer Meinung nach nicht über solche Tat­sachen reden dürfen?
Sind Sie auch der Meinung, dass Immanuel Kant, der von vielen Ihrer linken Autoren zustimmend zitiert wird, „ras­sis­tische Ansichten“ ver­breitet und deshalb nicht mehr gelehrt werden soll? Uwe Tellkamp hat das mit Quel­len­angabe als Bei­spiel für die Ver­engung des Mei­nungs­kor­ridors ange­führt und viele weitere Belege hinzugefügt.
Großmann reagierte mit dem Zuge­ständnis, dass es zwi­schen Ideal und Wirk­lichkeit offenbar einen Bruch gäbe.
Bean­standen Sie, dass Tellkamp darauf hin­ge­wiesen hat, dass es zu Merkels ein­samen Grenz­öff­nungs­be­schluss bis heute keine Bun­des­tags­de­batte gegeben hat? Dem hat Ihr Autor Grünbein zuge­stimmt und sogar die Not­wen­digkeit eines Unter­su­chungs­aus­schusses ins Gespräch gebracht. Auch Grünbein war der Meinung, dass die Mas­sen­ein­wan­derung zu einer „großen Über­dehnung der staat­lichen Insti­tu­tionen” geführt hat.
Dass Sie sich nur von einem Autor distan­ziert haben, beweist, dass es das zwei­erlei Maß in der Debatte gibt, das Tellkamp beklagt. Wenn Sigmar Gabriel eine Regierung „ent­sorgen“ will, bleibt das unbe­an­standet, wenn Alex­ander Gauland das­selbe Wort für eine Staats­se­kre­tärin benutzt, gibt es einen Empö­rungs­schrei in allen Main­stream­m­edien. Auch für diesen Doppel-Standard hat Tellkamp mehrere Bei­spiele gebracht.
Was das oben erwähnte „Dres­dener Recher­cheteam“ skan­da­li­siert, sind Beschrei­bungen der Wirk­lichkeit. Wenn sich dar­aufhin ein Verlag von seinem Autor distan­ziert, ist das eine Akzeptanz der sys­te­ma­ti­schen Ver­engung des Meinungskorridors.
Ich spare mir die his­to­ri­schen Ver­gleiche, die Ihnen hätten in den Sinn kommen müssen, bevor Sie ihren Tweet ver­öf­fent­licht haben. Nun müssen Sie sich fragen lassen, ob der Suhrkamp-Verlag sich nicht bereits so verhält, als gäbe es die Gesin­nungs­dik­tatur, deren Existenz vehement bestritten wird. Gibt es im Verlag nur eine Meinung? Wer legt sie fest? In wessen Namen werden Autoren öffentlich abge­watscht? Mit welchem Recht treten Sie eine Kam­pagne gegen ihren Autor los?
Sie sind maß­geblich mit­ver­ant­wortlich, dass der Dres­dener Versuch, ein Klima der öffent­lichen Debatte wieder her­zu­stellen, in der jeder ohne Furcht und ohne Kon­se­quenzen befürchten zu müssen, seine Meinung sagen kann, gescheitert ist. Statt in die Debatte ein­zu­steigen, wurde wieder eine Kam­pagne gestartet und ein Autor, der nichts anderes gemacht hat, als die Wirk­lichkeit zu beschreiben, verunglimpft.
Ja, jeder kann in diesem Land sagen, was er will. Das konnte ich in der DDR auch, in der auf kirch­liche Räume begrenzten Öffent­lichkeit. Ich musste dafür nur die Kon­se­quenzen in Kauf nehmen, die in Berufs­verbot, Rei­se­verbot, Haus­su­chungen, vor­läu­figen Fest­nahmen und schließlich für die Hart­nä­ckigen in Inhaf­tierung bestanden.
Heute kommt keiner ins Gefängnis, jeden­falls noch nicht. Heute werden lediglich Büros und Woh­nungen von der Antifa atta­ckiert, Autos ange­zündet und Men­schen gesell­schaftlich geächtet. Letz­teres ist ein besonders per­fides, weil sub­tiles Mittel der Ausgrenzung.
Uwe Tell­kamps Wunsch, dass man frei und offen seine Meinung sagen kann, ohne Angst vor Repres­sionen haben zu müssen, hat sich als ver­geblich erwiesen.
Dem Mann war bewußt, dass es Kon­se­quenzen haben würde, wenn er sich öffentlich frei äußert. Er hat es trotzdem getan uns steht nun im ideo­lo­gi­schen Fegefeuer.
Sie sollten stolz auf Ihren Autor sein, statt sich an der Hetzjagd auf ihn zu betei­ligen. Tellkamp hat die Zivil­courage, die Sie ver­missen lassen. Er ver­dient unsere Hochachtung! 

Vera Lengsfeld — vera-lengsfeld.de