Erfundene Mas­sen­zu­stimmung: Wie die Jour­naille eine Staats­studie missbraucht

Die Deutsche Gesell­schaft für Inter­na­tionale Zusam­men­arbeit (GIZ) ist eine staat­liche Orga­ni­sation, die vor sieben Jahren durch die Ver­schmelzung dreier Ent­wick­lungs­hil­fe­un­ter­nehmen ent­standen ist und im Wesent­lichen von vier Bun­des­mi­nis­terien finan­ziert wird. Sie beschäftigt nahezu 20.000 Mit­ar­beiter in 120 Ländern, 70 Prozent von ihnen außerhalb Deutsch­lands. In regel­mä­ßigen Abständen befragt die GIZ einen eigen­händig aus­ge­wählten Per­so­nen­kreis im Ausland danach, wie er die Rolle Deutsch­lands in der Welt sieht. Unter dem Titel “Füh­rungs­rolle deutlich gefordert” hat sie nun die Ergeb­nisse ihrer aktu­ellen Studie ver­öf­fent­licht, für die exakt 154 Per­sonen in 24 Ländern inter­viewt wurden. Gegliedert in sechs The­men­felder, wird dar­gelegt, dass sich die Befragten ein grö­ßeres deut­sches Enga­gement in der Welt wün­schen. Trotz einiger offener Fragen bietet das umfang­reiche Dossier allerlei Ansatz­punkte für die jour­na­lis­tische Bericht­erstattung. Man könnte so manche Rück­meldung the­ma­ti­sieren, etwa die Fremd­wahr­nehmung einer feh­lenden Risi­ko­freude, eines man­gelnden kul­tu­rellen Selbst­be­wusst­seins oder eines schlep­penden Digi­ta­li­sie­rungs­pro­zesses. Doch Deutsch­lands Jour­na­listen inter­es­sieren sich vor allem für einen Teil­aspekt der 130-sei­tigen Studie und ver­sehen diese dabei mit einer ganz eigenen Kern­aussage. “Ausland lobt deutsche Flücht­lings­po­litik”, froh­locken sie – und miss­brauchen damit eine ohnehin in ihrer Aus­sa­ge­kraft frag­würdige Erhebung für ihre mono­the­ma­ti­schen Propagandazwecke.
Es sind vor allem die Befragten in den Ländern Afrikas sowie im Nahen und Mitt­leren Osten, die regel­rechte Lob­lieder singen

Zwar offenbart das sechs­zehn­seitige Kapitel “Flucht und Migration” tat­sächlich eine ins­gesamt positive Wahr­nehmung Deutsch­lands durch die im Ausland Befragten, doch dürfte dies vor allem daran liegen, dass rund die Hälfte der Inter­view­teil­nehmer im afri­ka­ni­schen und ori­en­ta­li­schen Raum behei­matet ist, von wo sich Zuwan­derer seit 2015 nach Lust und Laune auf den Weg nach Deutschland machen dürfen, ohne Sorge haben zu müssen, an der Grenze abge­wiesen zu werden. Bemängelt wird dem­ge­genüber vielfach die Plan­lo­sigkeit in der Migra­ti­ons­po­litik, aber auch das Igno­rieren kri­ti­scher Stimmen aus den Nach­bar­ländern und das Ver­kennen innen­po­li­ti­scher Risiken. Dabei fällt eine Zwei­teilung auf, bei der ins­be­sondere die Befragten in den Ländern Afrikas sowie im Nahen und Mitt­leren Osten regel­rechte Lob­lieder singen, während sich die euro­päi­schen Stu­di­en­teil­nehmer weitaus kri­ti­scher zeigen. Ganz Staats­organ, kon­sta­tiert die GIZ gleichwohl, es habe eine “Fülle von Aus­sagen” gegeben, in denen Deutschland bescheinigt wird, durch die Flücht­lings­po­litik ein “mensch­li­cheres Antlitz” bekommen zu haben. Doch selbst die Nutz­nießer offener deut­scher Grenzen monieren, dass es für ihre Lands­leute viel zu einfach sei, ohne Qua­li­fi­ka­tionen nach Deutschland zu gelangen, während Qua­li­fi­zierte das Nach­sehen haben, weil sie es auf legalem Weg ver­suchen. Sie impli­zieren damit, dass es gar nicht um Flucht geht. Man ver­steht vie­lerorts nicht, wieso sich ein Land nicht aus­sucht, wen es gebrauchen kann.
Die deut­schen Medien erwecken den Ein­druck, das Ausland stehe ein­mütig hinter Merkels Politik der unkon­trol­lierten Zuwanderung

Das alles ficht Deutsch­lands Jour­na­listen nicht an. Statt das dif­fe­ren­zierte Bild der ver­schie­den­ar­tigen und mit unter­schied­licher Moti­vation ver­fassten Rück­mel­dungen zu zeichnen, erwecken sie unisono den Ein­druck, das Ausland stehe ein­mütig hinter Merkels Politik der unkon­trol­lierten Zuwan­derung. Vor allem sug­ge­rieren sie, es handele sich bei der GIZ-Studie um eine reprä­sen­tative Befragung der Bürger aus­län­di­scher Staaten zu Deutsch­lands Migra­ti­ons­po­litik. Keine kri­tische Aus­ein­an­der­setzung mit der Tat­sache, dass gerade einmal gut 150 zufällig aus­ge­wählte Inter­view­partner ein sehr sub­jek­tives Bild erzeugen, was bei aller Anstrengung der GIZ, ihr metho­di­sches Vor­gehen dar­zu­legen, eben kei­nerlei wis­sen­schaft­lichen Ansprüchen genügt. In der Bericht­erstattung fehlt auch jeg­licher Hinweis darauf, dass die GIZ dem Grunde nach ein Organ der Bun­des­re­gierung ist und es sich damit quasi um eine Selbst­be­stä­tigung handelt. Ebenso scheint sich kein Jour­nalist dafür zu inter­es­sieren, wer denn die Befragten genau sind und was deren Auf­gaben, Rollen und Motive sein könnten. Die Beschäf­tigung mit der GIZ-Studie ist in ihrer absicht­lichen Ober­fläch­lichkeit eines seriösen Jour­na­lismus ebenso unwürdig wie in ihrer irre­füh­renden Ver­engung auf die posi­tiven Ant­worten zur deut­schen Zuwan­de­rungs­po­litik. Wieder einmal soll die Meinung an die Stelle der Meldung treten, wissend, dass es Head­lines sind, mit denen Nach­richten gemacht werden. Wer so berichtet, mani­pu­liert – und muss sich nicht wundern, wenn ihm Leser und Zuschauer davonlaufen.
 

 
Mein aktu­elles Buch Hexenjagd – Der mündige Bürger als Feindbild von Politik und Medien ist im Handel erschienen. Ebenso ist Das Grauen – Deutsch­lands gefähr­liche Par­al­lel­ge­sell­schaft im Handel erhältlich.


Ramin Peymani auf peymani.de