Ein US-amerikanischer Kampfpanzer vom Typ M-1A1 Abrams nördlich von Frankfurt am Main (2005) Foto: Pentagon/ gemeinfrei

Ende der Besat­zungszeit? US-Ver­tei­di­gungs­mi­nis­terium prüft Trup­pen­abzug aus Deutschland

Ein Beitrag in der Washington Post sorgt für Irri­tation und sehr kon­tro­verse Reak­tionen. Der US-ame­ri­ka­nische Prä­sident Donald Trump zieht einen Trup­pen­abzug aus Deutschland in Erwägung. Trump soll ziemlich ver­blüfft gewesen sein, wie groß die Anzahl der in Deutschland sta­tio­nierten Armee­an­ge­hö­rigen ist. Er soll eine Analyse der Kosten/Nutzenrelation des jet­zigen Status ange­fordert haben und einen Ver­gleich mit einem Trup­pen­abzug im großen Stil, als auch eine Ver­legung der US-Truppen nach Polen.
Noch spricht man von einer üblichen Rou­ti­ne­über­prüfung, die das Pen­tagon von Zeit zu Zeit vor­nimmt, um die Kosten, die geo­stra­te­gische Ent­wicklung und die Erfor­der­nisse der Natio­nalen Sicherheit, die Vor- und Nach­teile des Stand­ortes abzuwägen.
Trotzdem ist jetzt schon von einer „Large-Scale-Ope­ration“ die Rede, also einer im großen Stil ange­legten Ope­ration. Der Grund, warum die Washington Post aus einer Routine-Analyse einen mög­lichen Gesamt-Trup­pen­abzug her­aus­lesen will, ist die Reaktion von euro­päi­schen Poli­tikern. Man habe in Europa noch keine klare Vor­stellung, ob Trump wirklich die US-Truppen abziehen will oder ob er damit seine Position gegenüber der EU stärken will, die ihm nach seinem Geschmack zu viele Sche­re­reien macht und wider­spenstig ist. Außerdem will Trump durch­setzen, dass die Europäer mehr Geld in ihre Rüstung und Wehr­etats stecken. Seiner Meinung nach pro­fi­tieren die Europäer von der Gratis-Schutz­macht USA und betei­ligen sich zu wenig an den Kosten einer NATO, auf deren Schutz sie aber zählen.
Es ist also durchaus denkbar und würde auch zu den Ver­hal­tens­mustern von Prä­sident Trump passen, die Europäer ein wenig zu erpressen, indem er durch­scheinen lässt. Dass ihm die US-ame­ri­ka­nische Trup­pen­präsenz zu teuer ist.
Überdies ist das Ver­hältnis zwi­schen Herrn Prä­sident Donald Trump und Frau Bun­des­kanz­lerin Dr. Angela Merkel bekann­ter­maßen nicht das herz­lichste. Frau Merkel gehört zu den euro­päi­schen Poli­tikern, die von Anfang an und ganz vorne beim „Trump-Bashing“ dabei waren. Das schlechte Ver­hältnis der beiden Regie­rungs­chefs ist eines der vielen, wich­tigen Gebiete, auf denen Frau Bun­des­kanz­lerin Merkel ver­brannte Erde und großen Schaden ange­richtet hat. Es würde nicht über­ra­schen, wenn US-Prä­sident Trump auf diese Weise die übrigen EU-Staats­chefs zu der Über­zeugung brächte, man könne das schwierig gewordene Ver­hältnis zur USA ver­bessern, indem man die deutsche Bun­des­kanz­lerin zum Rück­tritt bewegt.
US-Poli­tiker sollen laut der Washington Post – aller­dings anonym – die bisher unver­öf­fent­lichte Kosten-Nutzen Analyse dahin­gehend kom­men­tiert haben, dass es sich um eine interne Aus­ar­beitung handle, und ein Aus­loten der Optionen sei. Die hoch­ran­gigen Militärs (top military brass) seien bisher noch gar nicht hin­zu­ge­zogen worden. Auch habe das Pen­tagon noch keinen Auftrag erhalten, die Abläufe und Ver­fahren für eine der mög­lichen Optionen zu erarbeiten.
Ein Sprecher des Natio­nalen Sicher­heits­rates (NSC) im Weißen Haus gab bekannt, dass der NSC keine Analyse des Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­riums in dieser Sache (Truppen aus Deutschland abzu­ziehen) ange­fordert habe. Es sei aber so, dass das Pen­tagon ständig und regel­mäßig US-Truppen-Ver­le­gungen eva­luiere. Solche Aus­ar­bei­tungen von Ana­lysen seien nichts, was außerhalb der Norm liege. Ob in der Rechnung der Kosten auch die 598 Mil­lionen Euro ent­halten sind, die Deutschland an die USA als Besat­zungs­kosten zu zahlen hat, ist nicht bekannt.
Seltsam mutet aber der Satz in der Washington Post an, die sich auf „einige Poli­tiker“ beruft, die ange­deutet haben sollen, dass die lei­tenden Beamten im Pen­tagon diese Aus­ar­beitung mög­li­cher­weise vor­an­ge­trieben haben, um den Wert des gegen­wärtig in Deutschland sta­tio­nierten Trup­pen­kon­tin­gents zu belegen und Trump davon abzu­bringen, seine Abzugs­pläne weiter zu verfolgen:
Several offi­cials sug­gested that Pen­tagon poli­cy­makers may have moved ahead with the assessment to prove the worth of the current basing arran­gement and dis­suade Trump from car­rying the thought of with­drawal any further.“
Damit wird – noch nicht einmal zwi­schen den Zeilen, sondern ganz offen — deutlich, dass Prä­sident Donald Trump offenbar tat­sächlich konkret die Absicht hegt, die US-Truppen aus Deutschland abzuziehen.
Die Washington Post führt einen eben­falls anonymen, hoch­ran­gigen NATO-Ver­treter an, der berichtet, Polen bewerbe sich darum, eine US-Basis im Land zu haben und biete eine groß­zügige För­derung von zwei Mil­li­arden US-Dollar an. Von Abzugs­plänen aus Deutschland wisse man im NATO-Haupt­quartier aber nichts.
Dazu passt, dass der Sprecher des Pen­tagon jede Über­legung eines vollen oder teil­weisen Trup­pen­ab­zuges aus Deutschland weit von sich wies und stellte eben­falls eine solche Kosten-Nutzen Analyse als reine Routine dar. Dies sei nichts Neues. Deutschland beher­berge die größte US-Mili­tär­präsenz in Europa. Das Statement ist gefolgt von einem sehr nach­drück­lichen Bekenntnis zu der „tiefen Ver­wur­zelung in den gemein­samen Werten und einer starken Beziehung zwi­schen den Ländern. Man bleibe voll und ganz den NATO Alli­ierten und der NATO Allianz verpflichtet.
Tat­sächlich ist es weniger eine Ver­pflichtung für die Deut­schen, als eine mili­tä­risch und geo­stra­te­gisch wichtige Position für die Welt­macht USA, die die US-Streit­kräfte in Deutschland ausüben. So schreibt auch die Washington Post:
Since the end of World War II, the U.S. troop pre­sence in Germany has been viewed as a bulwark against a potential Russian invasion of Europe and a staging ground for U.S. ope­ra­tions in Africa and the Middle East.“ 
Seit dem Ende des zweiten Welt­kriegs wird die Präsenz der US-Truppen in Deutschland als ein Bollwerk gegen eine poten­zielle, rus­sische Invasion in Europa gesehen und als Brü­ckenkopf und Basis für Ope­ra­tionen in Afrika und dem Mitt­leren Osten.
Das ist der eine Grund, warum das Pen­tagon, die US-Army und der nationale Sicher­heitsrat und andere US-Ame­ri­ka­nische Insti­tu­tionen den Standort Deutschland auf keinen Fall auf­geben wollen. Damit direkt zusammen hängt der zweite Grund. Deutschland ist ein besetztes Land und, wie Wolfgang Schäuble sagte, seit 1945 nie mehr „voll sou­verän“ gewesen.
 

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Ein Trup­pen­abzug aus Deutschland wäre in seinen Aus­wir­kungen aber letztlich ein Ende der Besatzung oder zumindest der Anfang des Endes der­selben. Ein nicht mehr US-ame­ri­ka­nisch besetztes Deutschland würde aber die Dynamik in Europa ver­ändern. Jetzt schon fühlen sich andere EU-Länder von der größten Wirt­schafts­macht und dem an Kopfzahl stärksten Volk in der Mitte Europas gegängelt. Das Span­nungs­ver­hältnis zu Staaten wie Grie­chenland, Ungarn, Italien würde sich wahr­scheinlich ver­schärfen. Deutschland wäre überdies als Partner für die Neue Sei­den­straße (One Belt One Road) und die Eura­sische Union noch wich­tiger und inter­es­santer. Ein auf­ein­ander Zugehen und das Hin­ein­wachsen der auf­stre­benden Eura­si­schen Union tief nach Europa und ein Anschluss an die Neue Sei­den­straße ist über­haupt nicht im Interesse der Super­macht USA.
Ist dieser Vorstoß Prä­sident Trumps zum Trup­pen­abzug  im Zusam­menhang mit dem Treffen mit Putin in Hel­sinki zu sehen? Prä­sident Donald Trump liefert in Syrien keine Waffen mehr an die “Rebellen” und bezahlt sie auch nicht mehr. Er zeigt sich ver­hand­lungs­bereit, was die “Annexion” der Krim betrifft. Er bringt Süd- und Nord­korea an den Ver­hand­lungs­tisch. Was ist sein Plan? Es bleibt spannend.